Massaker: Staatsanwaltschaft ermittelt einseitig

Ermittelnder Staatsanwalt unterschlägt Beweismittel. Verhaftete Kleinbauern seit mehr als fünfzig Tagen im Hungerstreik

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Unterstützungsaktion in Asunción für die politischen Gefangenen im Hungerstreik
Unterstützungsaktion in Asunción für die politischen Gefangenen im Hungerstreik

Asunción. Die Ermittlungsarbeit zum Massaker von Curuguaty, das zum parlamentarischen Putsch gegen den paraguayischen Präsidenten Fernando Lugo geführt hat, wird von der Staatsanwaltschaft nur einseitig vorangetrieben. Während noch am Tag des Massakers unzählige Landlose und Kleinbauern verhaftet worden, unterschlägt der ermittelnde Staatsanwalt, Jalil Rachid, wichtige Beweismittel.

Der zuständige Staatsanwalt ist ein guter Freund der Familie Rinquelme, die am 15. Juni die Räumung des Landes beantragt hatte. Das Teilstück Campos Morombí, das die Landlosen und Kleinbauern besetzt hatten, gehört zu einem 2.500 Hektar großen Grundstück, welches dem inzwischen verstorbenen Politiker der Colorado-Partei während der Stroessner-Diktatur geschenkt wurde. Für dieses Teilstück besitzt die Familie Rinquelme keinen Landtitel.

Der Staatsanwalt macht für das Massaker allein die Landbesetzer verantwortlich und behauptet, die Polizeikräfte seien von diesen in einen Hinterhalt gelockt worden. Schon im August wurde jedoch ein Handy-Video veröffentlicht, das ein anwesender Polizist aufgenommen hatte. Zu sehen ist darauf, dass die Landlosen, unter ihnen viele Frauen und Kinder, friedlich auf die anrückenden Staatsdiener warteten, während nach einigen Sekunden automatische Gewehrsalven zu hören sind, infolgedessen elf Landlose und sechs Polizisten starben.

Parallel zur Staatsanwaltschaft hatten mehrere Menschenrechtsorganisationen Ermittlungen durchgeführt. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die tödliche Auseinandersetzung nicht von den Landlosen ausgelöst wurde und übergaben einen entsprechenden Bericht an die Staatsanwaltschaft. Diese Ermittlungsergebnisse wurden sowohl von Staatsanwalt Rachid, als auch von De-facto-Präsident Federico Franco, als politisch motiviert zurückgewiesen.

Der Journalist Carlos Peralta vom Radiosender "780 AM" sprach Rachid am 3. Oktober in einem Interview auf die automatischen Waffen an, die unmöglich unter Kleinbauern vorhanden sind. Der Staatsanwalt betonte, dass sie nur Kleinkalibergewehre und Pistolen gefunden hätten, was eindeutig auf die Urheberschaft unter den Landbesetzern verweise. Dieser Falschaussage widerspricht ein weiteres Video, das zeigt, wie der ehemalige Abgeordnete Julio Colmán Geschosse vom Kaliber 5,56 am Tatort einsammelte und dem Staatsanwalt übergab.

Schon vor Wochen hatte der Vorsitzende des Sekretariats zur Bekämpfung von Drogen (Senad), Francisco de Vargas, öffentlich die Hypothese geäußert, dass die Drahtzieher des Massakers die Drogenmafia sein könne, da erst kürzlich erneut unweit des damaligen Tatortes rund acht Tonnen Marihuana und 30 Hektar Anpflanzungen vernichtet wurden.

Von den zwölf noch inhaftierten Landlosen und Kleinbauern befinden sich fünf seit mehr als 50 Tagen im Hungerstreik. Sie protestieren damit gegen die unrechtmäßige Inhaftierung sowie gegen die unmenschlichen Bedingungen in der Haftanstalt in Coronel Oviedo. Ärzte, die die fünf Hungerstreikenden in den letzten Tagen untersuchten, machten auf die Lebensgefahr aufmerksam, in der sich die Männer befinden. Die Angehörigen der Inhaftierten versammeln sich täglich vor der Haftanstalt, um ebenfalls für ihre Freilassung zu kämpfen. Immer mehr Menschen im ganzen Land setzen sich für die Häftlinge ein. Am vergangenen Dienstag protestierten Hunderte vor dem Sitz der Generalstaatsanwaltschaft gegenüber dem Heldenpantheon in der Hauptstadt Asunción. Auch Ex-Präsident Fernando Lugo besuchte die Häftlinge gemeinsam mit einer Ärztin im Gefängnis und versprach seine Unterstützung. Anschließend hatte er eine Unterredung mit dem Generalstaatsanwalt Javier Díaz Verón. Er forderte die Einbeziehung des Berichts der Menschenrechtsorganisationen in die Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaft und die sofortige Freilassung der unschuldigen Häftlinge.