Bogotá/Caracas. Hunderte kolumbianische Staatsangehörige haben in Venezuela Zuflucht gesucht, nachdem sie vor der Gewalt bewaffneter Gruppen in der Region Catatumbo in Norte de Santander geflohen waren.
Seit vergangenem Donnerstag sind in dieser nordöstlichen Grenzregion mehr als 80 Menschen bei Kämpfen zwischen der Nationalen Befreiungsarmee (ELN) und Dissidentengruppen der aufgelösten Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc-EP) ums Leben gekommen. Letztere verweigerten sich dem 2016 zwischen Farc und Regierung unterzeichneten Friedensabkommen, das den über ein halbes Jahrhundert andauernden bewaffneten Konflikt beenden sollte.
Laut lokalen Medien hatte die ELN angeblich wegen der Kontrolle über die Routen und Gebiete des Drogenhandels einen Angriff auf die Farc-Gruppe gestartet.
Der kolumbianische Ombudsmann berichtete, dass mehr als 11.000 Menschen aufgrund der eskalierenden Gewalt vertrieben wurden, von denen etwa 4.000 in die Hauptstadt des Departamentos, Cúcuta, flohen.
In einer Erklärung vom Samstag behauptete die ELN, der Angriff sei eine Reaktion auf Aktionen ehemaliger Farc-Mitglieder gegen die Bevölkerung von Catatumbo gewesen, bei denen mehrere Menschen getötet wurden.
In den Tagen zuvor war es auch zu Zusammenstößen zwischen der ELN und dem Golf-Clan gekommen, einem mächtigen Drogenkartell, das aus paramilitärischen Gruppen Kolumbiens hervorgegangen ist.
Venezuela ist stark von dem bewaffneten Konflikt im Nachbarland betroffen. Seit den 1960er Jahren sind Millionen Kolumbianer nach Venezuela ausgewandert, um der Gewalt zu entkommen.
Das Land spielte eine zentrale Rolle bei der Aushandlung des Friedensabkommens mit den Farc im Jahr 2016. Im Jahr 2022 war die Regierung von Nicolás Maduro Gastgeberin der ersten Dialogrunde zwischen der ELN und der Regierung von Gustavo Petro, die sich für die Schaffung des "totalen Friedens" einsetzt. Die ultrarechte Vorgängerregierung von Iván Duque hatte die Gespräche 2019 abgebrochen.
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Der jüngste Anstieg der Gewalt hat nun zu einem unbefristeten Stopp des Verhandlungsprozesses geführt. Am Freitag kündigte Petro die Aussetzung der Friedensgespräche an und verwies auf "Kriegsverbrechen" der ELN und ihre "offensichtliche mangelnde Bereitschaft zum Frieden".
Nach Angaben des venezolanischen Innenministeriums haben indes 812 Vertriebene aus Catatumbo, darunter 258 Frauen und 202 Kinder, im Bundesstaat Zulia Zuflucht gefunden. Es wurden humanitäre Stützpunkte eingerichtet, um die Familien mit Lebensmitteln, medizinischer Versorgung und Ausweispapieren zu versorgen.
Venezuelas Außenminister Yván Gil bestätigte am Sonntag, dass Caracas mit Bogotá Kontakt aufgenommen habe, um die Hilfe für die Notlage in der Grenzregion zu koordinieren. "Venezuela ist entschlossen, Kolumbien alle seine Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um diese Krise zu bewältigen", sagte er. Der stellvertretende Minister für Risikomanagement und Katastrophenschutz, Admiral Juan Carlos Oti Paituvi, teilte mit, dass Militärärzte, Lebensmittel und Wasser in vier humanitären Korridoren zur Verfügung stünden. Darüber hinaus sind Mitarbeiter des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen vor Ort.
Präsident Petro erklärte zum Abbruch der Verhandlungen, die ELN habe "den Weg des Krieges gewählt und Krieg werden sie haben". Die Armee wies er an, "die Bevölkerung von Catatumbo vor der ELN, ihrem Mörder, zu verteidigen und zu schützen".
Die Regierung mobilisierte 25 Tonnen Hilfsgüter und entsandte über 5.000 Soldaten in das Gebiet, um die Sicherheit zu erhöhen und den Vertriebenen einen sicheren Abzug zu gewährleisten.
Vera Grabe, Leiterin der Regierungsdelegation für den Dialog, betonte ihrerseits, dass die Kommunikationskanäle für die ELN offen bleiben würden, wenn sie sich "in Richtung Frieden bewegen" wolle.
Der kolumbianische Senator Iván Cepeda beklagte, die Aktionen der ELN hätten zum Tod unbewaffneter Zivilisten, sozialer Führungspersönlichkeiten und Friedensunterzeichner in Catatumbo geführt. "Die ELN muss ein für alle Mal ihre Absicht und ihr Engagement für die Erreichung des Friedens zum Ausdruck bringen", erklärte er und warf der Gruppe gleichzeitig vor, in anderen Regionen ähnliche Kriegsverbrechen begangen zu haben.
Verteidigungsminister Iván Velásquez informierte über eine laufende Operation der Streitkräfte zur Evakuierung von sozialen Anführern und Friedensunterzeichnern zusammen mit ihren Familien, die von der ELN bedroht würden.