Bogotá. Bewaffnete Gruppen haben vergangene Woche in Kolumbien den sozialen Aktivisten Jimmy Alejandro Rosero Chávez ermordet. Damit ist er der 154. getötete soziale Aktivist im Land seit Beginn des Jahres.
Laut lokalen Berichten traf sich Chávez nachmittags mit Vertreter:innen einer ländlichen Gemeinschaft in Nariño und wurde anschließend von bewaffneten Unbekannten entführt. Einige Stunden später fand man seinen Leichnam an einer Kreuzung, so berichtet die Nichtregierungsorganisation Indepaz. Seit 1984 dokumentiert Indepaz den bewaffneten Konflikt in Kolumbien und setzt sich für den Frieden ein.
Chávez war als Bürgerbeauftragter im Departamento Nariño tätig, um die Menschenrechtslage zu überwachen und die Umsetzung der Verfassung sicherzustellen. "Wir verurteilen jede Gewalttat, die das Leben der Bürgerbeauftragten des Landes bedroht, die in Ausübung ihrer verfassungsmäßigen und gesetzlichen Funktionen die ersten Ansprechpartner in den Gebieten für die Verteidigung der Menschen- und Grundrechte der Bevölkerung sind", schrieb die Defensoría del Pueblo, eine staatliche Institution zur Überwachung der Einhaltung der Menschenrechte.
Bereits im März hatte die Behörde in einer Frühwarnung auf die prekäre Lage in der Region hingewiesen. Demnach resultieren die Bedrohungen in Nariño aus einem gewaltsamen Territorialkonflikt zwischen bewaffneten Gruppen. Nariño ist eine der Regionen mit den meisten Massenvertreibungen. Zudem war es 2023 die Region mit dem größten Anbau von Koka. Vor diesem Hintergrund forderte unter anderem das Büro der Vereinten Nationen in Kolumbien die Regierung auf, die Zivilbevölkerung in Nariño besser zu schützen.
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Am 5. November vermeldete Indepaz außerdem die Ermordung von zwei weiteren sozialen Aktivisten: Joé Emanuel Oca Cuspián und William Molina. Cuspián setzte sich als Teil der Guardía Indígena für die Kultur der indigenen Nasa im Departamento Cauca ein. Molina aus Cali engagierte sich für die Rechte der Beschäftigten im öffentlichen Verkehr.
Seit der Unterzeichnung des Friedensvertrags zwischen den FARC und der Regierung im Jahr 2016 wurden mehr als 1.000 Aktivist:innen getötet, darunter 188 im Jahr 2023. Unter den Opfern sind sowohl Umweltschützer:innen, Vertreter:innen indigener Gruppen als auch Verteidiger:innen der Rechte von LGBTQ. In dieser Zahl sind jedoch weder Drohungen, Tötungsversuche noch erzwungene Migration ins Exil enthalten. Teils töten bewaffnete Gruppen Führungspersönlichkeiten in den lokalen Gemeinden, um soziale Bewegungen zu schwächen, die Hindernisse für illegale Geschäfte wie den Kokainanbau darstellen.
Verurteilungen gibt es selten und die überwiegende Mehrheit der Fälle bleibt ungelöst und ungesühnt. Zum Schutz sozialer Aktivist:innen existieren mehrere staatliche Programme in Kolumbien, wie die Nationale Schutzeinheit (UNP) und das Frühwarnsystem der Defensoría del Pueblo. Die NGO Human Rights Watch hat in einem Bericht aus dem Jahr 2021 angemerkt, dass die Schutzmaßnahmen in Einzelfällen unpassend sind. So helfen etwa Handys nicht in Gebieten ohne Empfang. Die Vielzahl an staatlichen Unterstützungsangeboten führe außerdem zu einer Verstreuung der Ressourcen.