Venezuela: Wirtschaft verzeichnet niedrigere Inflation und Wachstum im Jahr 2023

Wirtschaftliche Aussichten trotz US-Sanktionen stabilisiert. Dennoch keine Verbesserung des Lebensstandards für die Mehrheit der Bevölkerung

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Trotz Wirtschaftswachstum verweigert die Regierung Lohnerhöhungen. Für die Mehrheit der Bevölkerung bleiben die Lebensbedingungen prekär
Trotz Wirtschaftswachstum verweigert die Regierung Lohnerhöhungen. Für die Mehrheit der Bevölkerung bleiben die Lebensbedingungen prekär

Caracas. Die venezolanische Wirtschaft hat das vergangene Jahr mit rückläufigen Inflationszahlen beendet. Nach Angaben der Zentralbank (BCV) liegt der monatliche Preisanstieg seit neun Monaten in Folge im einstelligen Bereich. Die kumulierte Inflation in Venezuela lag bei 190 Prozent, dem niedrigsten Wert für ein Kalenderjahr seit 2015.

Die Inflation wurde in der Vergangenheit stark von der Abwertung der Landeswährung angetrieben. Diese ging in den letzten Monaten ebenfalls zurück. Der Wechselkurs sank von 17,49 digitalen Bolívares pro US-Dollar im Januar 2023 auf 35,96 im Januar 2024, der Bolívar verlor mehr als die Hälfte seines Wertes. Dieser Trend verlangsamte sich jedoch im letzten Quartal, so dass der Dollar seit September nur noch um zehn Prozent gegenüber dem Bolívar anstieg.

Die relative wirtschaftliche Stabilität fiel mit dem dritten aufeinanderfolgenden Jahr des BIP-Wachstums nach sieben Jahren Rezession zusammen. Laut Präsident Nicolás Maduro ist die Wirtschaft im vergangenen Jahr um 4,5 Prozent gewachsen. Er berief sich dabei auf noch unveröffentlichte Zahlen der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Lateinamerika und die Karibik (Cepal).

Der Präsident verweist auf Verbesserungen in einer Reihe von Sektoren, etwa der Landwirtschaft (5 Prozent), der verarbeitenden Industrie (4 Prozent) und dem Einzelhandel (4 Prozent). Er hob das Wachstum in der Fischerei (25 Prozent) und der Aquakultur (20 Prozent) hervor, zwei Bereiche, die zunehmend zu den Exporten des Landes beitragen.

Maduro berichtet ebenfalls von einem Anstieg der Steuereinnahmen um 25,8 Prozent. Die Daten sind indes nicht öffentlich zugänglich, da die BCV die Veröffentlichung allgemeiner und sektoraler BIP-Statistiken im Jahr 2019 eingestellt hat.

Die Wirtschaft des Landes geriet 2014 nach einem Einbruch der Ölpreise ins Trudeln. Die Krise wurde später noch durch US-Sanktionen verschärft.

Das Wiedererstarken der Ölindustrie in Verbindung mit hohen Energiepreisen hat das Wachstum in den letzten Jahren vorangetrieben, 2022 gab es einen zweistelligen Anstieg des BIP. Gleichzeitig bleibt die Wirtschaft unter 30 Prozent ihrer Größe von 2013.

Der Aufschwung des Landes wird nach wie vor stark durch Zwangsmaßnahmen behindert, die ausländische Investitionen einschränken und den Zugang zu den Finanzmärkten versperren. Eine teilweise Lockerung der Sanktionen durch das US-Finanzministerium führte zu verbesserten Bedingungen für Ölexporte, aber Washington hat wiederholt mit einem Rückzieher gedroht und Unternehmen vor Investitionen in Venezuela gewarnt.

Die Regierung Maduro hat ihrerseits einen zunehmend liberalen und orthodoxen Weg eingeschlagen, um das Wachstum anzukurbeln und privates Kapital anzuziehen. Dazu gehören Steuererleichterungen, Übertragung von Staatsvermögen und Sonderwirtschaftszonen. Die Androhung von Sanktionen hält ausländische Investoren jedoch auf Abstand.

Im Inland haben die Wirtschaftspolitiker versucht, die Inflation zu kontrollieren, indem sie die Kreditvergabe einschränkten und Löhne und Renten einfroren. Der Mindestlohn wurde zuletzt im März 2022 auf 30 Dollar erhöht. Seitdem ist er auf unter vier Dollar abgewertet worden und die Regierung setzt statt auf eine Erhöhung auf monatliche Prämien, die keine Auswirkungen etwa auf Urlaubsgeld, Sozialversicherung, Überstunden und Abfindungen haben.

Auch hob die Regierung die Devisenkontrollen mit dem erklärten Ziel auf, dem Markt die Festlegung des Wechselkurses zu ermöglichen. Dennoch ist die Zentralbank nach wie vor die wichtigste Devisenquelle und hat laut Berichten im vergangenen Jahr 4,8 Milliarden Dollar an die sogenannten "Umtauschtische" überwiesen.

Der venezolanische Rechtsanwalt und Ökonom Juan Carlos Valdez warnt vor einer wachsenden Ungleichheit: "Wir müssen uns jenseits der Indikatoren fragen, ob die Menschen unter besseren oder schlechteren wirtschaftlichen Bedingungen leben".

"Die Verlangsamung der Inflation ist darauf zurückzuführen, dass die Zentralbank Devisenreserven 'verbrennt', um die Bourgeoisie zu versorgen, ebenso wie eingefrorene Löhne und Liquidität", erklärt er. "Aber die Mehrheit der Bevölkerung erfährt keine Verbesserung ihres Lebensstandards."

Valdez war ein starker Befürworter einer "Indexierungs"- Politik, bei der die Regierung die Löhne im Staatssektor sowie Bankeinlagen, Budgets und andere wirtschaftliche Aspekte an einen Inflationsmarker koppeln würde, um die Kaufkraft der Bevölkerung zu schützen.

"Wir werden mit Sanktionen und Blockaden angegriffen, also müssen wir uns verteidigen, die Spekulation bekämpfen", fügte er hinzu. "Die Wirtschaftsbehörden sind einem monetaristischen Konzept verhaftet und das ist eine große Belastung".

Seiner Ansicht nach sollten Lohnerhöhungen eine dringende Priorität für die Regierung Maduro sein, um die Nachfrage zu steigern und das Wachstum zu fördern.