Proteste und Lohnforderungen in Venezuela: Soziale Gerechtigkeit oder Destabilisierungsplan?

In Venezuela finden zunehmend Proteste für Lohnerhöhungen statt, die eine große Debatte innerhalb der Regierung und des Chavismus ausgelöst haben

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Proteste gegen Niedriglöhne in Venezuela
Proteste gegen Niedriglöhne in Venezuela

Verschiedene Sektoren der venezolanischen Arbeiterklasse in mehreren Bundesstaaten setzen sich für Lohnforderungen ein, die meisten stehen auf der staatlichen Gehaltsliste. Dies hat zu einer erneuten Belebung der Lohndebatte geführt, sowohl innerhalb der Regierung als auch unter den breiten Mehrheiten im Land. Die Diskussion dreht sich um die Verbesserung der Einkommen der Arbeiter. Eine kritische Analyse der von einem Teil der Linken vertretenen Positionen

Positionen

Wie zumindest seit 2020 üblich, führt die Debatte zu einem merkwürdigen Phänomen nicht nur politischer, sondern auch ideologischer Polarisierung. Das heißt, der Streit entwickelt sich nicht unbedingt von linken oder rechten Positionen aus, sondern von orthodoxen monetaristischen und eher heterodoxen Positionen her, die jeweils beiden politischen Spektren zuzuordnen sind.

Auf der einen Seite gibt es diejenigen, die behaupten und argumentieren, dass es zumindest vorläufig unmöglich ist, die so sehr ersehnte Lösung für die Löhne im öffentlichen Sektor zu erreichen. Diese Auffassung verweist auf die imperialistischen Praktiken der Blockade und der Sanktionen als Hauptschuldige für die Mangelsituation, die den Staatseinnahmen schweren Schaden zugefügt hat.

Diese Apologeten der Blockade als Ursache der Wirtschaftskrise halten es für selbstverständlich, den Gürtel enger zu schnallen bis neue Ressourcen generiert werden, die eine angemessene Lohnpolitik ermöglichen.

Dieselben Verteidiger der großen "Mission", mit "der Wahrheit" zu evangelisieren, warnen auch vor dem schrecklichen Fehler, den es bedeutet, dem Imperium, der Rechten, der CIA, dem Mossad und den niederträchtigen Gegenspielern des "Súper Bigote" 1 in die Hände zu spielen, indem eine offene und informierte Diskussion und Debatte in den betroffenen Sektoren über die Wirtschaftspolitik bezüglich der Löhne der venezolanischen Arbeiter geführt wird. Denn gemäß der Philosophie der belagerten Festung ist jede gegenteilige Meinung ein unvorstellbarer Verrat.

Wir meinen, dass wir aus Respekt vor den grundlegendsten Prinzipien der Solidarität mit den Arbeitern nicht in die Falle der Erpressung, der Zustimmung und der Anbiederung an offizielle Versionen tappen dürfen. Dafür fordern wir die Rückkehr zu den Prinzipien des Protagonismus und der demokratischen Beteiligung an der Gestaltung der Politik. Ein Prinzip, das uns die bolivarische Bewegung eingeimpft hat.

Wir, die der Meinung sind, dass der Klassenkampf kein Märchen ist, sondern das offensichtlichste Element unseres täglichen Lebens, und die wir die Kosten des "ökonomischen Friedens" (Pax económica) kennen, weil wir ihn erleben und erleiden, sind verpflichtet, unsere Stimme zu erheben. Nicht aus demagogischen Gründen, wie manche behaupten, sondern aufgrund der Tatsachen selbst, oder wie einer der Verfechter der Finanzwahrheit sagt, "aufgrund der konkreten Analyse der konkreten Realität".

Klare Abmachungen erhalten die Freundschaft

Wie so oft stellen die Wahrheitsspekulanten ihre Behauptungen auf, ohne Fakten zu präsentieren. Sie nehmen nur technokratische und opportunistische Positionen ein. Das zeigt, wie dünn ihre Beweise sind.

Was uns betrifft, so wollen wir das Thema ernster nehmen. Dazu werden wir auf offizielle Daten zu einigen wirtschaftlichen Aspekten zurückgreifen, die wir in Bezug auf die Lohndebatte für wichtig halten. Sei es aus dem Jahresbericht und der Bilanz, die der Präsident [Nicolás Maduro] in seinem Rechenschaftsbericht 2022 in der Nationalversammlung vorgestellt hat, sowie aus einigen Statistiken der venezolanischen Zentralbank (BCV) und des venezolanischen Industriellenverbandes (Conindustria).

Als erstes möchten wir feststellen, dass wir den durch die Blockade verursachten Schaden für die Staatskasse voll und ganz anerkennen. Wir leugnen nicht die mehr als 230 Milliarden US-Dollar an Verlusten, die die Blockade für [den staatlichen Ölkonzern] PDVSA verursacht hat, oder die mehr als 20 Milliarden Dollar an Vermögenswerten, die auf verschiedenen internationalen Konten und Fonds der Republik eingefroren sind. Deshalb setzen wir uns mit Nachdruck für die Forderung nach einem Ende der Blockade und die bedingungslose Rückgabe der eingefrorenen Vermögenswerte ein.

Diese anklagende Haltung bleibt jedoch ohne ein gewisses Maß an Widerstand und Offensive wirkungslos gegenüber der Realität. In diesem Fall muss man zunächst die immensen Anstrengungen anerkennen, die die Regierung unternommen hat, um die Handelsschranken für unser Hauptexportgut Öl zu überwinden.

Daher muss man auch anerkennen, dass die Öleinnahmen im Jahr 2022 fast sechsmal höher waren als im Jahr 2020. In jenem Jahr tiefer Verzweiflung wurden nur 743 Millionen Dollar für die Vermarktung von Kohlenwasserstoffen verzeichnet. Im Jahr 2022 dagegen waren die Einnahmen mit über 4,7 Milliarden Dollar fast genauso hoch wie im Jahr 20182.

Diese letzte Zahl ist wirklich bemerkenswert, denn Ende 2018 lag der Mindestlohn bei 28 Dollar und Ende 2022 bei sieben Dollar. Ob das wohl daran liegt, dass die Ressourcen auf andere Weise genutzt werden?

Andererseits haben sich die Bemühungen des Staates um höhere Steuereinnahmen ebenfalls ausgezahlt. Im Jahr 2022 kamen die Steuereinnahmen auf 4,744 Milliarden Dollar und verdreifachten sich damit fast gegenüber dem Jahr 2020, als sie nur 1,571 Milliarden Dollar ausmachten. Merkwürdigerweise lag der Mindestlohn im Januar 2020 bei 6,7 Dollar, jetzt sind es sieben, obwohl die Einnahmen des Staates in beiden Jahren sehr unterschiedlich ausfielen.

Diese Daten verdienen zumindest einen Aufruf zur Aufmerksamkeit und eine Vertiefung und Untermauerung der von den Predigern der Wahrheit aufgestellten Hypothese des Mangels an Ressourcen. Hier wäre es auch angebracht, mehr Informationen über die in die Republik eingebrachten Mittel aus dem Verkauf von Edelmetallen aus dem "Arco Minero" 3 zu verlangen, die im Rechenschaftsbericht für 2022 nicht eindeutig ausgewiesen sind.

Ebenso fehlen in dem Rechenschaftsbericht Angaben zu den Erträgen aus den zahlreichen Vereinbarungen, die im Rahmen des "Anti-Blockade-Verfassungsgesetzes für die nationale Entwicklung und die Gewährleistung der Menschenrechte" (amerika21 berichtete) gemacht wurden. In Artikel 18 dieses Gesetzes heißt es: "Die zusätzlichen Einnahmen, die durch die Anwendung der Bestimmungen dieses Verfassungsgesetzes entstehen, werden nach Abzug von Kosten, Ausgaben, Investitionen und Mitteln für die Verwaltung von Verbindlichkeiten gesondert als Teil der liquiden Mittel der Staatskasse verbucht".

Dies würde eine besondere finanzielle Aufschlüsselung erforderlich machen. Wir betonen die Verantwortung der Exekutive, Instanzen zu schaffen, welche die Daten über die rechtlichen Mechanismen, die in den verschiedenen von der Republik im Rahmen dieses Gesetzes unterzeichneten Vereinbarungen verwendet werden, sowie über die Einnahmen, die der Staat dank dieser Vereinbarungen erhalten hat, offenlegen. Solche Instanzen gibt es derzeit nicht.

Einige wichtige theoretische Aspekte

Im Rahmen der Ziele für 2023 hat der Präsident die Notwendigkeit betont, die wirtschaftliche Ungleichheit zu bekämpfen. Eine Ungleichheit, die nach den Worten Maduros auch durch die Blockade und den Wirtschaftskrieg verursacht wird. Letzterer ist eng mit dem Lohnsystem und der Einkommensdynamik verbunden.

Per Definition bedeutet die Ungleichheit im wirtschaftlichen Bereich eine ungleiche Teilhabe an der Verteilung des Profits oder des Reichtums. Damit einher geht eine ungleiche Fähigkeit zur Erzielung von Rentabilität, die im Prozess der Zirkulation und Verwertung dem Kapital gegenüber der Arbeit zugutekommt. Kurz gesagt handelt es sich um einen Akt der Ausbeutung im produktiven Bereich, der eine stärkere Beteiligung von konstantem (Maschinen, Kapital, Technologie usw.) als von variablem Kapital (Löhne) mit sich bringt.

Alle oben genannten Dynamiken sind überdeterminiert, daher können sie ihre sich wiederholende Dynamik der Erzeugung von Ungleichheit nicht aufgeben. Man kann sich nicht einfach auf den Markt, auf die Pläne eines versorgenden Gottes oder auf die selbstgefällige Zustimmung einer revolutionären Bourgeoisie verlassen, um die Ungleichheit abzubauen. Es handelt sich um Klassenkampf, und folglich kann auch nur ein Klassenkampf diese Dynamik durchbrechen.

In diesem Rahmen gibt es zwei Handlungsmöglichkeiten. Die erste ist die Aneignung der Produktionsmittel durch das Proletariat. Die zweite ist die Nutzung der Mechanismen des bürgerlich-liberalen Staates, um einen indirekten oder konjunkturellen Kampf gegen die Ungleichheit zu führen. Da wir nicht als linke Spinner, radikal, desorientiert oder unpragmatisch abgestempelt werden wollen, werden wir uns nicht mit der ersten Möglichkeit aufhalten, sondern uns mit der zweiten befassen und dabei die jüngst entbrannte Liebe einiger führender Politiker zum bürgerlich-liberalen oder Wohlfahrtsstaat nutzen.

Die Staaten (einschließlich des venezolanischen) verfügen über einige Instrumente zur Bekämpfung der Ungleichheit. Die gängigsten sind die Steuern oder Steuer- und Abgabenpolitiken (im Makroökonomieunterricht wird dies mit dem wohlklingenden Namen "Einkommenstheorie" bezeichnet). Diese Politiken können progressiv sein. Das bedeutet, dass der Staat durch die Besteuerung der reicheren Sektoren mehr Steuereinnahmen generiert, um sie an die am meisten benachteiligten Sektoren zu verteilen. An dieser Stelle bekräftigen wir den vorherigen Gedanken, dass diese Mechanismen indirekt oder konjunkturell gegen die Ungleichheit wirken, aber nicht deren strukturelle Beseitigung garantieren.

Eine progressive Verteilung kann direkt erfolgen, durch Lohnzahlungen oder Prämien, oder indirekt durch soziale Investitionen in Gesundheit, Bildung, Wohnraum usw.

Andererseits können auch regressive Maßnahmen ergriffen werden. Das heißt, solche, die weniger oder keine Steuern von den wohlhabenderen Bevölkerungsschichten erheben, oder solche, die die Sozialausgaben reduzieren.

Zu bedenken ist, dass je größer die Ungleichheit in einer Gesellschaft ist, eine progressive Steuerpolitik umso notwendiger wird. Nicht nur aus moralischer Verpflichtung, sondern es ist auch (Unternehmer aufgepasst!) eine strategische Wirtschaftsfrage. Eine sehr ungleiche Einkommensverteilung lässt die progressive Angleichung der Produktivitätsindizes der verschiedenen Wirtschaftssektoren, die eine Begleiterscheinung der wirtschaftlichen Entwicklung ist, nicht zu. Oder um es in marxistischen Begriffen auszudrücken: Der Produktionsprozess braucht den Konsum, um den Verwertungsprozess in Gang zu setzen.

Abgesehen von der Moral also, die dem Umverteilungsprinzip innewohnt, gibt es ernsthafte strukturelle Gründe innerhalb der Marktwirtschaft, um eine progressive Steuerpolitik zu betreiben.

Diese Vorbemerkung zum Problem der Ungleichheit ist durchaus verdienstvoll. Denn die Lohnkontroverse muss sich in mehr oder weniger starkem Maße auch auf das Problem der Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums erstrecken.

Ein Beleg für das regressive Problem unserer Steuerpolitik ist, dass durchschnittlich 50 Prozent der Steuereinnahmen über die Mehrwertsteuer und weniger als 30 Prozent über die Einkommensteuer eingenommen werden. Hinzu kommt die große Zahl von Zöllen und Steuern, die dem Privatsektor in den letzten Jahren erlassen wurden. Dies scheint über das Lohnproblem hinauszugehen, aber ich werde im Folgenden zeigen, dass es Teil desselben ist.

In Artikel 96 des Arbeitsgesetzes mit Verfassungsrang heißt es: "Der Reichtum ist ein soziales Produkt, das in erster Linie von den Arbeitern und Arbeiterinnen im sozialen Prozess der Arbeit geschaffen wird. Seine gerechte Verteilung muss ein menschenwürdiges Leben mit der Familie garantieren und die materiellen, sozialen und intellektuellen Bedürfnisse decken". Unter gerechter Umverteilung ist hier nicht nur der Nominallohn zu verstehen, sondern auch die vom Staat erbrachten sozialen Garantien, wie Gesundheit, Bildung und andere. Es ist wahrscheinlich, dass ein aufrichtiger Freund jetzt von seinem Stuhl aufspringt und uns vorwirft, wir seien Demagogen, weil wir soziale Garantien fordern, die nicht finanzierbar sind.

In diesem Fall müsste man auch den Präsidenten der venezolanischen Nationalversammlung, Jorge Rodríguez, der Demagogie bezichtigen, wenn er sagt, dass sich mit etwas mehr als drei Milliarden Dollar (viel weniger als die Steuereinnahmen des Jahres 2022) 2.300 Schulen im ganzen Land wiederherstellen ließen, der gesamte Impfplan für all unsere Kinder im Land erfüllt würde und Medikamente für die Versorgung von 60.000 Krebs-, HIV- und Aids-Patienten zu beschaffen wären, dazu noch das gesamte Strahlentherapiesystem auf nationaler Ebene, elf Blutbanken, sowie alle Entbindungs- und Kinderkrankenhäuser wiederhergestellt und die Erhöhung der Stromerzeugung um 465 Megawatt bewerkstelligt werden könnten.

Es sieht zwar wie ein Wahlkampf-Flyer aus, es geht aber um die vorgeschlagenen Ziele für die Investition der 3,3 Milliarden Dollar, die nach dem Dialog zwischen der Opposition und der Regierungspartei in Mexiko wiedererlangt werden konnten. Aber man fragt sich, wenn all dies mit 3,3 Milliarden Dollar getan werden kann, was kann man dann erst mit mehr als 4,7 Milliarden Dollar machen?

Dem Beispiel folgen, das die Unternehmer gegeben haben

Man würde erwarten, dass eine regressive Steuer- und Fiskalpolitik zu einer aktiveren Beteiligung des privaten Unternehmenssektors an der wirtschaftlichen Dynamik des Landes führt. Letztendlich bräuchte unsere Bourgeoisie doch nur einen kleinen Anstoß vom Staat, um revolutionär und patriotisch zu werden, oder nicht?

Die Wahrheit ist, dass dies nicht der Fall ist. Nach den von Conindustria herausgegebenen Daten bestätigten Ende 2022 63 Prozent der Industrieunternehmen, dass sie ihre Umsätze zwischen dem dritten Quartal 2021 und dem dritten Quartal 2022 gesteigert haben. Mehr als 54 Prozent der Unternehmen bestätigten jedoch auch, ihre Investitionen nicht erhöht, und fast 23 Prozent gaben sogar zu, sie gesenkt zu haben.4

Außerdem gestanden 68 Prozent der Unternehmen ein, die Zahl der Beschäftigten in ihren Produktionsbetrieben nicht erhöht und zehn Prozent, ihre Belegschaft sogar reduziert zu haben.

Dieser Studie zufolge verzeichnete der Privatsektor in den ersten neun Monaten des Jahres schließlich sogar einen Preisanstieg seiner Produkte von rund 120 Prozent, während die Löhne im gleichen Zeitraum trotzdem nur um 32 Prozent stiegen.5

Das heißt, die venezolanischen Unternehmer wollen trotz steigender Umsätze nicht investieren, sie schaffen trotz ihrer Gewinne keine Arbeitsplätze, sie verteuern vielmehr ihre Produkte und zahlen real schlechtere Löhne.

Obwohl die Einkommen des privaten Unternehmenssektors besser sind als die des Staatssektors, zeigen die Belege, dass sie bei den Produktionskosten sogar weit hinter ihrem eigenen Industriesektor zurückbleiben. Der Industriearbeiter lieferte am Ende einen größeren Mehrwert als zuvor und das in vielerlei Hinsicht zu schlechteren Bedingungen.

Was also ist zu tun?

Lenin empfahl stets, zunächst zu ermitteln, welche Dynamik der Kräfte besteht, welche Subjekte sich mobilisieren und welche Widersprüche sich manifestieren. Es ist offensichtlich, dass dieser neue "ökonomische Frieden" durch die kontinuierliche Übergabe der Macht an die Unternehmerschaft aufrechterhalten wird, entweder durch bessere Akkumulationsbedingungen oder durch das Verschwinden jeglicher Art von Beschränkungen für ihre Geschäfte.

Auf diese Art und Weise ist es dazu gekommen, dass der Staat selbst seine eigenen Arbeitsnormen verletzt. Dies macht es plausibel, dass die Konflikte zwischen der venezolanischen Arbeiterschaft und der neuen technokratischen Unternehmerklasse, die die Finanzen des Landes verwaltet, zunehmen.

Das mobilisierte Subjekt ist der Arbeiter im staatlichen Sektor, aber er kann auch den Arbeiter des privaten Sektors mitreißen, weil beide ausgebeutet werden, trotz des unterschiedlichen Einkommens. Sie können unterschiedliche Löhne verdienen, aber Elend und Ungleichheit verbinden sie miteinander.

Viele Genossinnen und Genossen sind besorgt über die sehr reale Möglichkeit, dass die Rechte Kapital schlägt aus dem ehrlichen Kampf der Arbeiter für ihre Forderungen. Man könnte jedoch folgende Frage stellen: Was tut die Linke angesichts der Mobilisierungen? Schafft sie Politisierung oder gar eine Politik zur Kanalisierung der Unzufriedenheit? Zumindest in weiten Teilen der Regierungslinken bestand die Reaktion in vielerlei Hinsicht einfach darin, den Protest zu kriminalisieren oder den Kampf zu ignorieren.

Wenn die Rechte aus der Unzufriedenheit der Arbeiter Kapital schlägt, dann nicht unbedingt, weil sie eine groß angelegte Verschwörung betreibt, sondern einfach, weil wir nicht in der Lage sind, die Forderungen des Volkes in dringenden Momenten zu begleiten.

Wenn wir nicht verstehen, was Rosa Luxemburg treffend sagte, dass angesichts von Verwirrung und Orientierungslosigkeit, politische Kühnheit die einzige Antwort ist; wenn wir dieses Prinzip nicht begreifen, sind wir dazu verurteilt, von den Widersprüchen dieser Zeit zerrissen zu werden und nicht von der Wirkungskraft der Rechten.

Dieser Artikel hat die Absicht, Elemente der Analyse zu liefern, die im Rahmen der Lohndebatte zu reflektieren sind, von der Dynamik und Transparenz, mit der die Finanzdaten des Landes gehandhabt werden, bis hin zur Art der neuen Finanzstrategien der Exekutive. Alles im Rahmen der Revolution, immer von der notwendigen fundierten Kritik ausgehend und mit dem Gebot, den Opportunismus zu entlarven. Es besteht kein Zweifel, dass wir die Mobilisierungen und ihre Forderungen unterstützen müssen, immer unter der Prämisse, die Arbeiterkämpfe für die gerechte Umverteilung des Reichtums zu begleiten.

Der Kampf für einen würdigen Lohn ist mehr als ein Kampf. Er ist die wesentliche Voraussetzung für die Aufrechterhaltung des Modells eines Landes, eine Voraussetzung für den Wiederaufbau oder die Vertiefung einer echten Revolution auf demokratischen Grundlagen im wirtschaftlichen und sozialen. Wie Chávez selbst betonte, als er am 30. April 2012 das Dekret über das Arbeitsgesetz (Ley Orgánica del Trabajo, los Trabajadores y las Trabajadoras, Lott) unterzeichnete : "Keine Errungenschaft der Arbeiterinnen und Arbeiter ist ohne einen langen Prozess des Widerstands, des Kampfes und sogar des Leidens erreicht worden".