Volksaufstand in Guatemala gegen "Wahlputsch", Bewaffnete greifen Barrikaden an

Ausweitung der Proteste im ganzen Land. Bewaffnete Gruppen greifen Blockierer an. Gespräche von Indigenenvertretern mit Präsident ergebnislos

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Der Sitz der Staatsanwaltschaft in der Hauptstadt Guatemala ist seit dem 2. Oktober blockiert
Der Sitz der Staatsanwaltschaft in der Hauptstadt Guatemala ist seit dem 2. Oktober blockiert

Guatemala-Stadt. An mehreren Orten in Guatemala ist es am Montag zu Angriffen von Bewaffneten auf Demonstranten gekommen, die seit Anfang Oktober Straßen blockiert halten. Im Departamento San Marcos wurde nach Angaben der Zeitung La Hora eine Person getötet, zwei wurden verletzt.

Der Vorfall ereignete sich im Landkreis Malacatán an der Costa Sur. La Hora schrieb von "Auseinandersetzungen" zwischen Blockierern und Personen, die ein Ende der Blockaden gefordert hatten.

Auf X (vormals Twitter) waren Fotos zu sehen, wie sich mit Schusswaffen bewaffnete Personen den Blockierern nährten. Auf einem im Internet verbreiteten Interview nennt jemand Details zu den Opfern. Bei dem Todesfall soll es sich um einen Verkäufer gehandelt haben, bei den Verletzten um einen Taxifahrer und den Gehilfen eines Busfahrers, die sich an den Blockaden beteiligt hatten.

Auch im Landkreis El Asintal im Departamento Retalhuleu, ebenfalls an der Costa Sur, kam es am Montagmorgen zu einem Angriff auf Blockierende von der Landarbeiterorganisation Codeca und auf weitere Demonstranten. Auf Videos ist zu sehen, wie sich mit Macheten bewaffnete Personen den Demonstranten näheren. Es kommt zu Auseinandersetzungen, auf beiden Seiten fliegen Steine, es sind auch Schüsse zu hören.

Bereits am 8. Oktober hatten Demonstranten die Blockade des Reichenviertels Cayalá in der Hauptstadt Guatemala-Stadt aufgegeben, nachdem schwer bewaffnete und vermummte Personen sich genähert hatten.

In der vergangenen Woche haben sich die Proteste, die am 2. Oktober mit Straßenblockaden der indigenen Selbstverwaltungsstruktur 48 Kantone in Totonicapán begonnen hatten, überall im Land enorm ausgeweitet.

Die Demonstranten fordern den Rücktritt von Amtsträgern der Staatsanwaltschaft und die Respektierung des Wahlergebnisses vom 20. August, die der Sozialdemokrat Bernardo Arévalo deutlich gewonnen hat.

Zusätzlich zu den Straßenblockaden stellten die Märkte in der Hauptstadt ihre Arbeit ein. "45.000 Marktverkäufer haben sich den Protesten angeschlossen", erklärte Julio Rivas, Sprecher der Organisation Mercado Unidos, die 52 der 53 Märkte in der Hauptstadt vertritt, gegenüber Prensa Libre. "Wir schließen die Märkte und laufen weiter durch die Straßen des historischen Zentrums, bis unsere Forderungen gehört werden". Zu den Motiven erklärte er, es gehe darum "den Menschen Ruhe zu bringen", sie seien "nicht von Bernardo Arévalo oder Semilla motiviert oder von wirtschaftlichen Beweggründen, sondern davon, an der Seite der Menschen zu sein, die uns die Mittel geben, um zu überleben", erklärte er.

Das zentrale Gebäude der Staatsanwaltschaft in der Hauptstadt ist seit dem 2. Oktober blockiert, einen Tag später konnten es Angestellte nicht mehr betreten. Am Dienstag und Mittwoch vergangener Woche versuchte die Polizei mehrfach, Blockadepunkte in der Hauptstadt zu räumen, mit mäßigem Erfolg.

Der in Guatemala lebende ehemalige Menschenrechtsanwalt Miguel Mörth schreibt dazu: "Strategisch wichtig war für [Präsident Alejandro] Giammattei die Räumung der Periférico (Ringstraße) in der Hauptstadt, nur unterschätzte er mal wieder die einfachen Leute. Als die Eliteeinheiten in voller Rüstung, bewaffnet und vermummt anrollten, blieben sie stehen und warteten. Beide standen sich gegenüber, als aus den Nebenstraßen Dutzende Motorräder kamen und die Polizei einfach einkesselten. Die Blockade blieb".

Gespräche zwischen dem noch amtierenden Präsidenten Giammattei und Vertetern der 48 Kantone waren am vergangenen Donnerstag ergebnislos verlaufen. Das gut dreistündige Gespräch sei "ohne Abkommen" beendet worden, schrieb CNN Español. Demnach konnte Giammattei die Hauptforderung der Demonstranten ‒ die Entlassungen von Generalstaatsanwältin Consuelo Porras, dem Leiter der Sonderstaatsanwaltschaft gegen Straffreiheit Rafael Curruchiche, Staatsanwältin Cinthia Monteroso und Richter Fredy Orellano ‒ nicht erfüllen, da er "zur Entlassung der Amtsträger" nicht befugt sei.

Die Genannten sind die Hauptverantwortlichen der Versuche auf justiziellem Weg, den Wahlsieg des fortschrittlichen Bündnisses Semilla und ihres Kandidaten Arévalo zu kippen.

Nachtrag: Bei der getöteten Person handelt es sich um Francisco Gonzalo Velásquez, einen 66-jährigen Verkäufer, der sich laut Medienangaben zur Arbeit an dem Ort befunden und nicht an den Blockaden teilgenommen hatte. Von den rund 50 Angreifern sind Berichten zufolge elf Personen noch am selben Tag verhaftet worden.

Manfredo Marroquin, Gründer der Acción Cuidadana wies auf X darauf hin, das einer der von der Polizei beschlagnahmten und von den Angreifern gefahrenen Pickups von Bürgermeister Álvaro López von der Partei des scheidenden Präsidenten Alejandro Giammattei Vamos im Wahlkampf genutzt wurde.