Guatemala / Politik

Internationale Kritik nach Ausschluss der gewählten Regierungspartei in Guatemala

Scharfe Worte von US-Regierung, Europäischer Union und OAS nach Suspendierung von Movimiento Semilla. Respektierung des Wahlergebnisses gefordert

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"Wir sind Zeugen eines laufenden Staatsstreichs": Bernardo Árevalo und Karin Herrera bei der Pressekonferenz am Freitag
"Wir sind Zeugen eines laufenden Staatsstreichs": Bernardo Árevalo und Karin Herrera bei der Pressekonferenz am Freitag

Guatemala-Stadt/Washington/Brüssel. Die US-Regierung hat die "inakzeptablen Bemühungen" der Staatsanwaltschaft in Guatemala zurückgewiesen, die gewählte Regierungspartei Movimiento Semilla auszuschließen.

Das Registro de Cuidadanos (Bürgerregister), eine dem Wahlgericht untergeordnete Behörde, hatte Semilla am Montag suspendiert. Als Grund werden angeblich gefälschte Mitgliederlisten angeführt, mit denen sie die Einschreibung als Partei beantragt hatte.

Fast zeitgleich gab das Oberste Wahlgericht (TSE) das offizielle Ergebnis der Stichwahl um das Präsidentenamt bekannt: Semilla-Kandidat Bernardo Arévalo gewann demnach mit 60,9 Prozent der Stimmen gegen seine Konkurrentin Sandra Torres von der rechten Nationalen Einheit der Hoffnung (UNE), die 39,9 Prozent erhielt.

US-Außenminister Antony Blinken, der Arévalo zum Wahlsieg gratulierte, erklärte, die Regierung von Joe Biden sei "besorgt über die fortgesetzten Aktionen derjenigen, die versuchen, Guatemalas Demokratie zu untergraben".

"Ein solches undemokratisches Verhalten, einschließlich der Bemühungen der Staatsanwaltschaft und anderer Akteure, die politische Partei des gewählten Präsidenten zu suspendieren und die Wahlbehörden einzuschüchtern, unterläuft den eindeutigen Willen des guatemaltekischen Volkes und ist mit den Grundsätzen der Interamerikanischen Demokratischen Charta unvereinbar", hieß es in seiner Stellungnahme.

Die Europäische Union (EU) rief ebenfalls dazu auf, das Ergebnis der Wahlen zu respektieren, und warnte davor, dass "die Fortsetzung der Bemühungen, das Wahlergebnis zu kippen und die andauernde Instrumentalisierung der Justiz- und Strafverfolgungsbehörden zur Untergrabung der Rechtsstaatlichkeit sich unweigerlich auf die internationalen Beziehungen Guatemalas, auch zur EU, auswirken."

In der Erklärung des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell heißt es weiter, die EU rufe alle politischen Parteien, Regierungsstellen und Institutionen Guatemalas auf, "die Integrität des Wahlprozesses und seines Ergebnisses, wie es von den guatemaltekischen Bürgern an den Wahlurnen deutlich zum Ausdruck gebracht wurde, in vollem Umfang zu respektieren." Er brachte zudem "die Besorgnis" der EU über die anhaltenden Versuche zum Ausdruck, "die Wahlergebnisse durch selektive und willkürliche rechtliche und verfahrenstechnische Maßnahmen zu untergraben", insbesondere durch die angeordnete Suspendierung der Partei Semilla.

Auch der Ständige Rat der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hat die jüngsten Maßnahmen gegen die gewählte Regierungspartei scharf kritisiert. Bei einer Sondersitzung am Freitag wurde einstimmig eine Erklärung angenommen, die feststellt, dass die Staatsanwaltschaft die Partei bedrohe und "die Suspendierung der Semilla-Bewegung den Prinzipien der repräsentativen Demokratie widerspricht." Die Behörden werden aufgefordert, "die Bürgerrechte zu achten" und die Gewaltenteilung einzuhalten. Die Generalstaatsanwaltschaft und die Justiz dürften sich nicht in den demokratischen Prozess einmischen.

Die Partei Semilla hatte am Montag sofort einen Antrag auf einstweilige Verfügung gegen die Suspendierung gestellt, der jedoch von der Zweiten Kammer des Berufungsgerichts schon einen Tag später zurückgewiesen wurde.

Am Mittwoch lehnte dann das von rechten Parteien dominierte Präsidium des Kongresses die Partei Semilla als Parlamentsfraktion ab und erklärte die gewählten Abgeordneten für "unabhängig".

Falls Semilla suspendiert bleibt, würde das Regieren für Arévalo ohne Fraktion noch schwieriger, auch wenn die Partei nur über 23 Abgeordnete im 160-köpfigen Parlament verfügt.

Der Ausschluss der Partei, die aus den Antikorruptionsprotesten 2015 hervorgegangen war, hatte sich indes schon im Juli angebahnt, nachdem sie mit Arévalo die Stichwahl erreicht hatte. Damals hatte die 7. Strafkammer auf Antrag der Sonderstaatsanwaltschaft gegen Straffreiheit Semilla suspendiert, wodurch ihr der Weg zur Stichwahl verwehrt worden wäre. Dagegen hatte das Verfassungsgericht auf Antrag der Partei Semilla eine einstweilige Verfügung für die "Dauer des Wahlprozesses" erlassen.

Nach dem Urteil des Wahlgerichts vom Montag erklärte Arévalo: "Nichts kann uns rechtlich daran hindern, unser Amt am 14. Januar 2024 anzutreten, so wie es die Verfassung vorsieht. Dies ist ein historischer Moment für ein Volk, das an die Urnen und dann auf die Straßen und Plätze des ganzen Landes gegangen ist, um den Beginn eines neuen demokratischen Frühlings zu feiern".

Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Vizepräsidentin Karin Herrera am Freitag sagte der gewählte Präsident: "Wir sind Zeugen eines laufenden Staatsstreichs, bei dem der Justizapparat benutzt wird, um das Recht selbst zu verletzen, indem der Wille des Volkes, der am 20. August an den Wahlurnen frei zum Ausdruck gebracht wurde, ausgehebelt wird." Verantwortlich seien die Generalstaatsanwältin Consuelo Porras, der Leiter der Sonderstaatsanwaltschaft gegen Straflosigkeit, Rafael Curruchiche, Richter Fredy Orellana, das derzeitige Präsidium des Kongresses und andere "korrupte und antidemokratische" Akteure.

Er warnte vor den nächsten vier Monaten bis zur Amtseinführung, in denen "die politischen Mafias versuchen werden, den Staatsstreich zu vollenden" und rief die Bürger auf, ihre Unterstützung auf der Straße mit Demonstrationen fortzusetzen. Die Partei Semilla werde zudem weiterhin rechtliche und politische Maßnahmen ergreifen, um die Entscheidung der Bevölkerung an der Wahlurne zu verteidigen.