EU auf Partnersuche: Von der Leyen bereist Lateinamerika

Kommissionspräsidentin wirbt mit Investitionen um neue Rohstoff- und Energieabkommen. Mercosur-EU-Freihandelsvertrag soll trotz Differenzen bis Jahresende abgeschlossen werden

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"We are like-minded": von der Leyen und Boric nach Vertragsunterzeichnung
"We are like-minded": von der Leyen und Boric nach Vertragsunterzeichnung

Brasília et al. Zwischen Europa und Lateinamerika herrscht seit einem halben Jahr ein reger Reisebetrieb. Nachdem aus Deutschland der Bundespräsident, Bundeskanzler und sechs Minister und Ministerinnen in die Region reisten, folgte nun höchster Besuch aus Brüssel.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen besuchte Brasilien, Argentinien, Chile und Mexiko, wo sie sich um den Abschluss der Handelsabkommen bemühte, neue Partnerschaften in Energie- und Rohstofffragen schloss und für den EU-Celac-Gipfel warb.

Denn die Reise findet knapp einen Monat im Vorfeld des Gipfeltreffens der EU und der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (Celac) statt, zu dem die Kommissionspräsidentin am 17. und 18. Juli knapp 30 Staats- und Regierungschefs der Gemeinschaft nach Brüssel eingeladen hat.

Oberste Priorität ihrer Reise hatte das Freihandelsabkommen der EU mit dem Mercosur, dem Zusammenschluss von Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay. In Brasiliens Hauptstadt Brasília warb die ranghöchste EU-Repräsentantin bei einem Treffen mit Präsident Luiz Inácio Lula da Silva darum, den "politischen Teil" des Assoziierungsabkommens noch in diesem Jahr abzuschließen.

Das Abkommen zwischen den beiden Integrationsblöcken ist seit zwei Jahren wegen der von Europa erhobenen umweltpolitischen Einwände blockiert (amerika21 berichtete).

Angesichts der neuen geopolitischen Lage infolge des Ukraine-Kriegs ist die EU gezwungen, russische Energie- und Nahrungsmittellieferanten zu ersetzen. Zudem will sie ihre Abhängigkeit von China reduzieren. Neue Hoffnung setzt die EU dabei auf Südamerika – als Energie und Rohstofflieferanten.

Dass es bei dem Abkommen inzwischen vielmehr um Geopolitik als um Freihandel geht, wurde erst vor einer Woche bei der ersten Lateinamerikareise von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in Brasilien deutlich: "Sonst füllen andere die Lücke, wie zum Beispiel die Chinesen, die sich nicht um soziale und Klimastandards kümmern, plus wir haben dann keinen Zugang."

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Lula: Kein Misstrauen und keine Sanktionen unter Partnern
Lula: Kein Misstrauen und keine Sanktionen unter Partnern

Brasiliens neue Regierung weiß um den strategischen Wert des Landes und warnt daher vor zu viel Protektionismus durch zu strenge Umweltauflagen. Die EU ist zwar ein attraktiver Handelspartner für Südamerika, jedoch nicht der Einzige. Denn längst ist China Brasiliens wichtigster Handelspartner.

Um die eigenen EU-Mitgliedsstaaten zur Ratifizierung des Abkommens mit dem Mercosur zu bewegen, einigte man sich auf ein Zusatzprotokoll zum Handelsteil, das striktere Umwelt- und Nachhaltigkeitsstandards festlegen soll. Die von der EU unterbreiteten Vorschläge stoßen jedoch auf wenig Begeisterung im Mercosur, vor allem in Brasilien und Argentinien (amerika21 berichtete).

"Ich habe die Besorgnis Brasiliens über das von der Europäischen Union im März dieses Jahres vorgelegte Zusatzinstrument zum Abkommen zum Ausdruck gebracht, das die Verpflichtungen Brasiliens ausweitet und im Falle der Nichteinhaltung Sanktionen vorsieht", sagte Lula da Silva beim Treffen mit von der Leyen. "Die Prämisse, die zwischen strategischen Partnern bestehen sollte, ist die des gegenseitigen Vertrauens und nicht die des Misstrauens und der Sanktionen."

Auch auf ihrer zweiten Reisestation in Buenos Aires sprach sich von der Leyen dafür aus, die Verhandlungen über das Abkommen mit dem Mercosur bis Jahresende abzuschließen. Argentinien hat noch bis Ende Juli den Mercosur-Vorsitz inne, bevor Brasilien diesen übernimmt.

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Argentiniens Präsident: Mercosur fordert ein ausgewogenes Abkommen
Argentiniens Präsident: Mercosur fordert ein ausgewogenes Abkommen

Präsident Alberto Fernández versicherte, dass er den politischen Willen habe, den Handelsdeal mit der EU noch in diesem Jahr zu unterzeichnen. Im Einklang mit seinem brasilianischen Amtskollegen stellte er jedoch klar, dass der Mercosur ein ausgewogenes Abkommen fordert.

"Wir haben der EU unsere Forderungen für den Abschluss eines Abkommens vorgelegt, das die Asymmetrien zwischen den beiden Volkswirtschaften beendet und unsere Entwicklung sichert", ergänzte Fernandez später bei Twitter.

Vorerst wartet Brüssel darauf, dass die Mercosur-Länder ihren Gegenvorschlag vorlegen, um die Ratifizierung des Handelsabkommens wieder in Gang zu bringen.

Neben den handelspolitischen Angelegenheiten nutzte die Kommissionspräsidentin die Reise auch dazu, Projekte im Rahmen der neuen Global-Gateway-Investitionsagenda der EU für Lateinamerika und die Karibik zu lancieren. Diese "soll für beide Regionen von gegenseitigem Nutzen sein und die beiden Regionen noch näher zusammenbringen", heißt es in einer Erklärung der EU-Kommission.

In Brasilien kündigte von der Leyen nach dem Treffen mit Präsident Lula Investitionen in Höhe von zwei Milliarden Euro in Projekte zur Herstellung von grünem Wasserstoff an. Weitere 430 Millionen Euro sollen für den Schutz des Amazonasgebiets eingesetzt werden.

Zudem will die EU 20 Millionen Euro in den Amazonienfonds einzahlen. Seit Jahresbeginn gab es bereits zahlreiche Zusagen von der deutschen Bundesregierung (35 Millionen Euro), den USA und Großbritannien (jeweils 500 Millionen US-Dollar), in den Fonds einzuzahlen.

Auch in Argentinien vereinbarte die EU-Kommission mit der Regierung eine stärkere Zusammenarbeit bei nachhaltigen Rohstoffen.

Beim Treffen der EU-Spitzenpolitikerin mit dem chilenischen Präsidenten Gabriel Boric standen das Potenzial für grünen Wasserstoff, der Aufbau einer nachhaltigen Lithiumindustrie und der bevorstehende EU-Celac-Gipfel im Mittelpunkt.

In Santiago unterzeichneten Boric und von der Leyen zwei Kooperationsabkommen, welche die Entwicklung einer "nachhaltigen und grünen Wasserstoffindustrie" in Chile vorantreiben sollen. Letztendlich soll die EU ebenfalls vom Export grünen Wasserstoffs aus Chile profitieren, wie das chilenische Wirtschaftsministerium mitteilte.

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Kein Pressetermin, nur ein allgemeines Statement: von der Leyen bei López Obrador
Kein Pressetermin, nur ein allgemeines Statement: von der Leyen bei López Obrador

Auch in Mexiko-Stadt, der letzten Station der Kommissionspräsidentin, standen das Thema Freihandel und Investitionen im Rahmen von "Global Gateway" auf der Agenda.

Bei einem privaten Treffen mit Präsident Andrés Manuel López Obrador warb von der Leyen dafür, das Handelsabkommens zwischen der EU und Mexiko nach fünf jährigen Verhandlungen endlich zum Abschluss zu bringen.

Die üblichen Pressetermine blieben jedoch aus.

Ohne weitere Details zu nennen, schrieb López Obrador im Anschluss an das Treffen bei Twitter: "In Bezug auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit haben wir vereinbart, die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens zwischen unserem Land und der Europäischen Union zu beschleunigen“.