Zwei deutsche Minister auf Partnerpflege in Brasilien und Kolumbien

Politiker werben für "grüne Wertschöpfungsketten" und "neue Ansätze für Energie, Klima und Digitalisierung". EU-Mercosur-Abkommen soll rasch besiegelt werden

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Beim Besuch der Gemeinschaft Tres Unidas in der Nähe von Manaus informieren sich Habeck und Özdemir über nachhaltige Waldnutzung
Beim Besuch der Gemeinschaft Tres Unidas in der Nähe von Manaus informieren sich Habeck und Özdemir über nachhaltige Waldnutzung

Brasília/Bogotá. Die sechstägige Reise von Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz sowie Vizekanzler, und Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, nach Brasilien und Kolumbien hat vor Ort wie auch in Deutschland einige Beachtung gefunden.

Vor Abflug schon betonten die Minister, die von rund einem Dutzend Unternehmer:innen begleitet wurden, dass der Regierungswechsel in beiden Ländern "eine Tür zur strategischen Zusammenarbeit geöffnet" habe. Brasilien und Kolumbien spielten eine Schlüsselrolle für den Ausbau des globalen Klimaschutzes und für den Aufbau "grüner Wertschöpfungsketten".

Die Kluft zwischen Rhetorik und Praxis sowie ihr Drängen auf einen raschen Abschluss des Handelsabkommens zwischen der Europäischen Union und den Mercosur-Staaten stießen auch auf Kritik. Die deutsche Seite habe es offenbar auch aus "geostrategischen Gründen" eilig, um sich in der Region gegenüber China zu positionieren.

Zusammen mit dem brasilianischen Vize-Präsidenten Geraldo Alckmin eröffnete Habeck in Belo Horizonte die 39. Deutsch-Brasilianischen Wirtschaftstage. Auf dem vom Industrieverband veranstalteten Treffen erörterten rund 800 Teilnehmer:innen "neue Ansätze für Energie, Klima und Digitalisierung" sowie "nachhaltige Geschäftsmodelle". Die bilateralen Beziehungen sind traditionell eng: Die rund 1.400 ansässigen deutschen Unternehmen erbringen drei Prozent des brasilianischen BIP. São Paulo ist mit 900 Firmen größter deutscher Industriestandort im Ausland. 2022 lag Deutschland mit 2,5 Milliarden US-Dollar auf Platz fünf der Direktinvestitionen nach Brasilien. Es ist das einzige Land der Brics-Gruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) mit einem für Deutschland "positiven" Außenhandelssaldo.

Habeck besuchte in Belo Horizonte auch ein deutsches Unternehmen, das Anlagen zur Erzeugung von grünem Wasserstoff baut, und zeigte sich vom hohen Anteil (über 80 Prozent) erneuerbarer Energien bei der brasilianischen Stromerzeugung beeindruckt. Özdemir kündigte an, dass die bilateralen agrarpolitischen Initiativen intensiviert und neu ausgerichtet würden. Sie sollen zum "nachhaltigen Wandel der Agrar- und Ernährungssysteme" beitragen und Produzent:innen, Verbraucher: innen und zivilgesellschaftliche Gruppen "vom Acker bis zum Teller" einbinden.

Deutschland könne von Brasilien lernen, "wenn es um regionale Produktions- und Versorgungsstrukturen geht", so Özdemir. Er lobte die Neuauflage des Ernährungsrats Consea, der als Dialogplattform "Vorbildcharakter" habe.

Nach politischen Gesprächen in Brasília besuchten Habeck und Özdemir im Amazonasgebiet ein Dorf am Rio Negro, das nachhaltige Entwicklung in den Anrainergemeinschaften voranzubringen versucht. Strom etwa kommt dort von Solaranlagen. Die Minister lobten das Versprechen von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, die illegale Abholzung zu stoppen, nachdem unter seinem Vorgänger Jair Bolsonaro die Umwelt- und Kontrollbehörden systematisch geschwächt worden waren. Doch trotz aller schönen Bilder – den Ministern wurden indigene Willkommenszeichen ins Gesicht gemalt – ging es bald um das umstrittene EU-Mercosur-Handelsabkommen.

Das Abkommen strebt eine Freihandelszone an, die rund 750 Millionen Menschen, 20 Prozent der Weltwirtschaft und 30 Prozent der globalen Exporte umfassen würde. Während die Bundesregierung darin einen "Beitrag zu fairen und nachhaltigen Handelsbeziehungen" sieht, nennt Greenpeace es "Albtraum für die Natur", "mehr Fleisch, mehr Pestizide, mehr Monokulturen".

Präsident Lula hatte angekündigt, das Abkommen in Teilen neu verhandeln zu wollen. Hierbei müssten die Reindustrialisierung Brasiliens und Argentiniens Priorität haben: "Es kann nicht nur der eine gewinnen und der andere nicht. Wir wollen unser Recht, uns zu reindustrialisieren, nicht aufgeben. Die Verhandlungen müssen etwas sein, bei dem alle gewinnen", sagte Lula. Bei Umweltschutz- und Kleinbauernorganisationen in Brasilien stößt das Abkommen ebenfalls auf scharfe Kritik.

Auch für den WWF nimmt das seit 1999 verhandelte Abkommen die Zerstörung des Regenwalds in Kauf, mehr Handel von Agrarprodukten bedeute auch mehr Abholzung, zudem fehlten Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen. 17-18 Prozent des Regenwaldes sind bereits gerodet, bei einer Zerstörung von 20-25 Prozent werde laut Experten ein unumkehrbarer Kipppunkt erreicht, ab dem der Regenwald zu versteppen beginnt – mit unermesslichen Schäden für Mensch, Umwelt und auch Wirtschaft. Es sei "ein für Konzerne gemachtes, aus der Zeit gefallenes Giftabkommen" – ein "Brandbeschleuniger für den Amazonas", wie Greenpeace-Waldexpertin Gesche Jürgens in der ARD anprangerte.

Er höre in Brasilien andere Meinungen, sagte Habeck. Das Abkommen werde oft begrüßt, um den Regenwald gegen die Agrarlobby verteidigen zu können. Auch Umweltschützer:innen würden anerkennen, dass funktionierendes nachhaltiges Wirtschaften besser als regelloser Raubbau sei.

Die Kluft zwischen Worten und Taten schien die Minister auch in Bogotá einzuholen. Habeck betonte, beide Länder stünden vor großen Aufgaben: Kolumbien vor dem Ausstieg aus dem Kohleabbau, Deutschland vor dem aus der Kohleverstromung. Handelsminister German Umaña betonte die sozio-ökologische Problematik des Kohleabbaus und dankte für die zugesagte Unterstützung bei der Energiewende. Sein Land freue sich über "nachhaltige Investitionen" aus Deutschland, um "grünen", mit Wind und Sonne hergestellten Wasserstoff zu produzieren. Habeck sprach von "sehr großen" Potenzialen. "Natürlich" würden die an Investitionen in der Region interessierten deutschen Unternehmen in Zukunft klimaneutrale Energieträger kaufen. Deutschland importiert seit Jahren massiv Kohle aus Kolumbien.

Lokale Medien registrierten aufmerksam, dass Özdemir auch das Deutsch-Kolumbianische Friedensinstitut Capaz besuchte, den Versöhnungsprozess im Land ausgiebig würdigte und diesem Unterstützung zusagte: "Es kann keinen Fortschritt ohne Frieden, ohne Versöhnung geben. (…) Ihr Erfolg ist unser aller Erfolg."

Özdemir und seine Amtskollegin Cecilia Lopez Montaño schlossen ein Abkommen zum gemeinsamen Ausbau der ökologischen Landwirtschaft, die vor allem in den vom bewaffneten internen Konflikt besonders betroffenen Regionen gefördert werden soll. "Deutschland ist unser Partner auf dem Weg zu einer Agrarreform", betonte López. Das Abkommen will auch die Rolle der Frauen stärken sowie indigene Gemeinschaften und vulnerable Gruppen in den Reformprozess einbeziehen.