Bombenattentat in Bogotá: Angstkampagne in der Vorwahlzeit in Kolumbien?

Laut Polizeigeneral soll der Anschlag in Venezuela vorbereitet worden sein. Basisorganisationen sehen Destabilisierungsversuch vor den Wahlen

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Das Bombenattentat sehen organisierte Einwohner:innen als "eine Art Vergeltungsakt" gegen ihre Selbstorganisierung
Das Bombenattentat sehen organisierte Einwohner:innen als "eine Art Vergeltungsakt" gegen ihre Selbstorganisierung

Bogotá. In Kolumbien hat ein Bombenattentat gegen eine Polizeiwache (CAI) in dem armen Stadtviertel von Bogotá, Ciudad Bolívar, große Ablehnung hervorgerufen. Ein 12-jähriger Junge und ein 5-jähriges Mädchen sind bei dem Anschlag ums Leben gekommen und 35 Personen wurden verletzt. Die Struktur der Farc-Dissident:innen "Frente 33" bekannte sich zu der Tat. Die lokalen Basisorganisationen, die den progressiven Pacto Histórico unterstützen, sehen die Aktion als Destabilisierungsakt im Hinblick auf die nahen Präsidentschaftswahlen.

Anfangs kursierte die Version, die ELN-Guerilla stecke hinter dem Anschlag. Die ELN-Rebellen teilten jedoch in einem Kommuniqué mit, dass die ELN "überhaupt keine Verantwortung" für das Attentat trage. Inzwischen versicherte der Leiter der Nationalen Polizei, General Jorge Luis Vargas, die Aktion sei von dem Farc-Dissidenten und Chef der "Frente 33", Javier Velosa, in Venezuela geplant worden. Von dort aus hätte Velosa den Anschlag auch finanziert.

Die "Frente 33" hätte möglicherweise kriminelle Banden in Kolumbien beauftragt, das Attentat auszuführen, so der Polizeichef. Auf die gleiche Weise hätte die Struktur auch andere Anschläge in Kolumbien durchgeführt. Wie zum Beispiel einen Angriff gegen Präsident Iván Duque im Juni 2022. Alle diese Informationen will General Vargas von den kolumbianischen Geheimdiensten erhalten haben.

Vargas beschuldigte "das Regime von Nicolás Maduro", Gruppen wie der "Frente 33", der ELN und der "Zweiten Marquetalia" in Venezuela Schutz zu gewähren. Es sei unmöglich, dass sie dort ohne direkten Kontakt zur venezolanischen Polizei und Armee agieren könnten, folgerte der Polizeigeneral.

Im Stadtteil Ciudad Bolívar haben die organisierten Stadtteilbewohner:innen keine Kenntnis über eine Präsenz von Dissidenten-Strukturen der Farc. Es gebe nur Paramilitärs und Drogenhändler. "Es sind keine einfachen Banden von Verbrechern, sondern Selbstverteidigungsgruppen beziehungsweise Paramilitärs", sagte die Aktivistin und Einwohnerin Sandra Sánchez. Aber die Regierung leugne dies, klagte sie.

In Ciudad Bolívar und der Nachbargemeinde Soacha führen die lokalen Basisorganisationen einen Widerstandskampf gegen die bewaffneten Gruppen, die den illegalen Kauf und Verkauf von Grundstücken und Drogenhandel betreiben, so der engagierte grüne Stadtrat Diego Cancino. Die Gefährdung der Stadtteilgemeinde durch diese paramilitärischen Strukturen sei sehr groß. Und obwohl der Ombudsmann seit 2018 mehrmals vor dem "Ausbruch eines Krieges" warnte, hätten weder die Stadtverwaltung noch die Zentralregierung darauf reagiert.

Die verbreitete Meinung vor Ort ist, dass wegen der Wahlen die Macht dieser paramilitärischen Banden auf dem Spiel stehe. Die organisierte Bevölkerung der Slums wie Ciudad Bolívar, deren Widerstand im Rahmen der Protestwellen der letzten Jahre stärker wurde, unterstützen nun die progressive Koalition Pacto Histórico. "Seit einigen Wochen ist die Stigmatisierung gegen sie stärker geworden, weil sie sich für ein alternatives politisches Projekt einsetzen", sagt Cancino.

Das Bombenattentat sehen sie deshalb zum einen als "eine Art Vergeltungsakt", äußerte Sánchez. "Sie merken, dass die Leute aufgewacht sind". Zum anderen versuchten mögliche politische Kräfte, die dahinter stecken, "uns vorzugaukeln, dass wir mehr Sicherheit brauchen". Laut Cancino sei es wichtig nachzuschauen, welche Rolle der Staat und die Polizei beim Ausbau der paramilitärischen Drogenstrukturen spielen.

"Für uns ist klar: Die Sicherheit ist nicht die Polizei oder die Armee", kommentierte die Aktivistin Sánchez. "Die Sicherheit wird mit mehr Arbeits-, Gesundheits- und Bildungschancen aufgebaut". Sie bekräftigte: "Wir kämpfen für ein würdiges Leben".

Indes hat Präsident Duque bei einem Sicherheitstreffen mit der Oberbürgermeisterin, der Polizei und dem Militär beschlossen, die nachrichtdienstliche Arbeit zu verstärken und 1.000 zusätzliche Polizeiangehörige in Bogotá einzusetzen.