Bolivien / Politik

Bolivien wählt heute einen neuen Präsidenten

Unser Autor Andreas Hetzer wird in den kommenden Tagen von vor Ort berichten. Über einen Live-Ticker werden wir Sie ständig auf dem Laufenden halten

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Heute finden in Bolivien die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt
Heute finden in Bolivien die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt

La Paz. In Bolivien finden heute Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt. Ziemlich genau ein Jahr nach den letzten Wahlen, die in Betrugsvorwürfen und einem anschließenden Putsch endeten, könnte der heutige Tag die Chance bieten, das Land nach turbulenten Monaten wieder in friedlichere und ruhigere Bahnen zu lenken.

Es könnte aber auch anders kommen. Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass die De-facto-Regierung um Jeanine Áñez es sich in ihrer Position bequem gemacht hat. Und dass die zunächst nicht geschlossen antretende Rechte sich zum gemeinsamen Ziel vereint: die Rückkehr der Bewegung zum Sozialismus (MAS) an die Macht zu verhindern. Wie amerika21 in den letzten Wochen und Monaten bereits mehrfach berichtete, muss befürchtet werden, dass dafür viele Mittel, auch Gewalt, recht sind.

Für das Präsidentenamt treten vor allem zwei Kandidaten mit realistischen Chancen an: Luis Arce mit seinem Vize-Kandidaten, David Choquehuanca, für die MAS, sowie Carlos Mesa (zusammen mit Gustavo Pedraza) für die Allianz Bürgergemeinschaft (Comunidad Ciudadana, CC). Zudem versucht der ultrarechte Luis Fernando Camacho mit seiner Allianz Creemos (Wir Glauben) noch einmal Präsident zu werden, dies äußerst selbstbewusst, wenngleich wohl chancenlos.

Den letzten Umfragewerten vor der Wahl zufolge liegt Arce nach Abzug der ungültigen Stimmen und Enthaltungen mit 42,9 Prozent knapp neun Punkte vor seinem direkten Kontrahenten Carlos Mesa. Obwohl Mesa im Vergleich zu Umfragen vom September den Abstand zu Arce verringern konnte, ist der Vorsprung der MAS beachtlich. Die Umfragen erfassen überwiegend Daten aus den Städten, die MAS hat jedoch vor allem in ländlichen Regionen ihre Stammwähler.

Damit ist ein Wahlsieg Arces in der ersten Wahlrunde möglich. Das würde auch bedeuten, dass der im Exil lebende Ex-Präsident Evo Morales, der das Land 14 Jahre lang regierte, zurückkehren könnte. Dafür benötigt Arce 40 Prozent der abgegebenen Stimmen bei einem Vorsprung von zehn Prozentpunkten. Jeder zehnte Wähler war den letzten Umfragen zufolge allerdings noch unentschlossen, welchem Kandidaten er seine Stimme gibt.

Neben der Direktwahl des Präsidenten für die Amtszeit von fünf Jahren stimmen die Wähler auch über die Zusammensetzung der Plurinationalen Legislativen Versammlung Boliviens ab. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, dem Senat und dem Abgeordnetenhaus. Die 130 Abgeordneten werden zur Hälfte über Direktmandate und zur Hälfte über die Parteilisten entsprechend der landesweiten Stimmenanteile gewählt. Der Senat besteht aus 36 direkt über Parteilisten gewählten Vertretern, jeweils vier aus den neun Departamentos. Eine Besonderheit: Im Abgeordnetenhaus gibt es sieben Sondersitze für Repräsentanten indigener, originärer Nationen. Zudem sind die Parteien verpflichtet, die Geschlechtergleichheit in ihren Reihen zu garantieren und die gleiche Anzahl an Männern und Frauen als Kandidaten zu präsentieren.

In Bolivien herrscht Wahlpflicht. Insgesamt sind 7.332.925 Wähler registriert. Etwas über vier Prozent der Wählerschaft lebt in 30 verschiedenen Ländern im Ausland, wo sie ebenfalls ihre Stimme abgeben können.

Aus einigen Ländern wurde in den vergangenen Tagen allerdings gemeldet, dass eine Teilnahme an den Wahlen möglicherweise nicht gegeben sein wird (amerika21 berichtete gestern).

Laut der Obersten Wahlbehörde (OEP) werde es noch am Wahlabend eine vorläufige Stimmauszählung im Messezentrum Chuquiago Marka in La Paz geben. "Die Auszählung wird zu keinem Zeitpunkt unterbrochen, damit es nicht wie im Vorjahr zu Spekulationen um einen Wahlbetrug kommt", versichert Elias Huanca, Direktor der Abteilung Wahlbeobachtung und -beaufsichtigung der OEP, gegenüber Pressevertretern. Die Nachzählung der Stimmen und die offizielle Bekanntgabe der Wahlergebnisse könne hingegen etwas länger dauern.

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