Ein Jahr Bolsonaro in Brasilien: Drohungen, mehr Waffenverkäufe und Folterphantasien

Begnadigungen von Straftätern bei Polizei und Militär. Sympathien für Umstände einer Militärdiktatur offensichtlich. Wirtschaftlich kaum Fortschritte

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Der brasilianische Präsident, Jair Bolsonaro, macht Politik wie angekündigt und versucht so dem Staat seine rechten Ansichten überzustülpen
Der brasilianische Präsident, Jair Bolsonaro, macht Politik wie angekündigt und versucht so dem Staat seine rechten Ansichten überzustülpen

Brasília. Das Ende des ersten Amtsjahres von Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro ist nicht ohne weitere Polemik und besorgniserregende Statistiken zu Ende gegangen. Zuletzt veröffentlichte die Nationale Journalistenföderation Brasiliens (FENAJ) eine Statistik, wonach Bolsonaro im ersten Jahr seiner Präsidentschaft mindestens zehn Angriffe pro Monat auf professionelle Journalisten, Medien und die Presse im Allgemeinen gefahren haben soll. Außerdem sind die Waffenverkäufe an Privatpersonen sehr stark angestiegen, straffällig gewordene staatliche Sicherheitskräfte wurden in großem Stil begnadigt, und es wurde der Versuch gestartet, wieder Foltermethoden wie zu Zeiten der Militärdiktatur möglich zu machen.

Pünktlich zu Weihnachten hatte der ultrarechte Präsident eine Begnadigung für straffällige gewordene Sicherheitskräfte erlassen, die wegen Tötungsdelikten verurteilt wurden. Besonders umstritten ist dabei, dass von der Begnadigung auch außerhalb des Dienstes begangene Straftaten umfasst sind, die aus "einem existierenden Risiko für sich selbst oder Dritte" begangen wurden. Die Weihnachtsbegnadigung ist in Brasilien eine Tradition und ein präsidiales Privileg. In diesem Jahr wurde sie jedoch fast ausschließlich zugunsten von Polizisten, Militärangehörigen und Feuerwehrleuten angewendet. Die Feuerwehr ist in Brasilien nach französischem Modell militarisiert und bewaffnet und zählt zu den Sicherheitskräften.

Zuvor hatte die Regierung bereits versucht, ein Gesetz durchzubringen, das Polizisten Straffreiheit bei Taten garantieren sollte, ausgeübt aufgrund von "gerechtfertigten Angstsituationen, Überraschung oder heftigen Gefühlsregungen". Er scheiterte jedoch im Parlament mit diesem Vorhaben.

Zudem ist die Anzahl der Toten bei Aktionen von Polizei und der im Zuge der "Operationen zur Garantie von Gesetz und Ordnung" (GLO) eingesetzten Armeekräften im vergangenen Jahr stark angestiegen. Ebenso sind die Verkäufe von Feuerwaffen an Zivilpersonen in die Höhe geschnellt. Bis November war die Anzahl registrierter Waffen um 48 Prozent gestiegen. Bolsonaro hat nun zu Beginn des Jahres den Bürgern nahegelegt, sich zu bewaffnen, und die bürokratischen Hürden dafür gesenkt.

Im Zuge dieser Hardliner-Politik fiel auch die Entscheidung, die Behörde zur Bekämpfung von Folter aufzulösen, die vor sechs Jahren von der damaligen Präsidentin Dilma Rousseff geschaffen wurde und die Aufsichtsaufgaben über Gefängnisse, Psychiatrie- und Entzugsanstalten hatte. Die UN hatte Brasilien aus diesem Grund gerügt, den internationalen Pakt gegen Folter nicht zu brechen. Bolsonaro selbst legte noch einen drauf, als er drohte, den "Pau de Arará" (Papagaienstange, eine berüchtigte Foltermethode aus der Zeit der Militärdiktatur) bei Korruptionsfällen einzusetzen.

Seine innenpolitischen Versprechen hat Bolsonaro damit weitgehend gehalten. Die Bilanz seines ersten Amtsjahres dürfte ansonsten jedoch verhalten sein. Die Wirtschaft zieht weiterhin nicht an und dümpelt am Rande der Rezession. Die hohe Arbeitslosigkeitsrate, die durch seine Arbeitsmarktreformen sinken sollte, bleibt unverändert hoch.

Außenpolitisch kann er ebenfalls keine Erfolge aufweisen. Seine Annäherung an die USA und seine Einreihung in die Front gegen Venezuela haben ihm wirtschaftlich keine Vorteile gebracht. Der brasilianische Norden ist abhängig von der venezolanischen Stromlieferung und in der Vergangenheit profitierte Brasilien von billigen Energieimporten aus Venezuela, die mittlerweile ausbleiben. Bolsonaros Drohungen mit militärischen Aktionen gegen den nördlichen Nachbarn wurden vom eigenen Militär zurückgenommen, da diese sich der strategischen Schwäche der eigenen Armee im Amazonasbecken bewusst sind.

Von den USA kam zudem kürzlich die überraschende Drohung, die Einfuhrzölle in die USA für brasilianischen Stahl und Aluminium zu erhöhen, die jedoch kurz danach von Präsident Donald Trump wieder zurückgenommen wurde.

Und auch das Regionalbündnis Mercosur befindet sich trotz einer möglichen Ratifizierung des Freihandelsabkommens mit der EU in einer Krise. Vor den Präsidentschaftswahlen in Argentinien und einem absehbaren Wahlerfolg des Mitte-links-Kandidaten Alberto Fernández gingen die Drohungen Bolsonaros von einem Ausschluss Argentiniens bis hin zu einem kompletten Bruch des Bündnisses. Dies wurde von Außenminister Ernesto Araujo dann jedoch wieder relativiert.

Nachdem Bolsonaro deutlich gesagt hatte, was er von Wahl Fernández hielt und auch keinerlei Interesse zeigte, zu dessen Amtseinführung zu kommen, kamen zum Jahresbeginn nun versöhnlichere Töne. So sei der argentinische Präsident durchaus willkommen in Brasilien, sollte er einen Besuch planen. Außerdem hoffe Bolsonaro nun darauf, gemeinsam mit Argentinien ein Gelingen des Abkommens mit der EU erreichen zu können.