Argentinien / Politik

Argentinien: Ermittlung weitet sich zu Justizskandal aus

Bundesrichter deckt illegales Spionagenetz auf. Regierung beantragt politisches Verfahren, um ihn abzusetzen, Kritiker rufen zu Protesten auf

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Bundesrichter Ramos Padilla berichtete vor der Kommission für Meinungsfreiheit im argentinischen Abgeordnetenhaus
Bundesrichter Ramos Padilla berichtete vor der Kommission für Meinungsfreiheit im argentinischen Abgeordnetenhaus

Buenos Aires. Die Untersuchung des argentinischen Bundesrichters Alejo Ramos Padilla hat die Existenz eines langjährigen illegalen Spionagenetzes ans Licht gebracht. Die Ermittlungen begannen mit der Anzeige einer Erpressung durch den Unternehmer Pedro Etchebest, der umfangreiche Beweismittel wie Ton-, Videoaufnahmen und Telefonmitschnitte geliefert hatte.

Ramos Padilla berichtete am vergangenen Mittwoch fünf Stunden lang vor der Kommission für Meinungsfreiheit im argentinischen Abgeordnetenhaus über seine bisherigen Erkenntnisse. Er beschrieb ein Netzwerk aus Geheimdienstagenten, Mitgliedern der Bundesjustiz, Journalisten und Abgeordneten, die illegal Politiker, Geschäftsleute und Journalisten ausspionierten und Erpressungen, Verleumdungskampagnen und sogar manipulierte Gerichtsverfahren organisiert hätten.

Neben dem Material von Etchebest wurden auch die Unterlagen verwertet, die am 13. Februar bei der Hausdurchsuchung bei dem angeklagten Marcelo D'Alessio gefunden wurden, zusammen mit Geld, Waffen und hochwertigen Spionagegerätschaften. Während der Razzia verlangte D'Alessio erfolglos mit dem Chef des Geheimdienstes, Gustavo Arribas, der Sicherheitsministerin Patricia Bullrich oder mit Präsident Mauricio Macri zu sprechen. Zwei Tage danach wurde D'Alessio in Haft genommen.

D'Alessio gab sich in Presse und Talk-Shows als Spezialist für Terror- und Drogenbekämpfung, sowie (fälschlich) als Anwalt und als Agent der US-Drogenbehörde DEA aus. Letzteres wurde von der US-Botschaft zwar bereits zum zweiten Mal geleugnet, es liegen jedoch Indizien vor, die zumindest eine "freie Mitarbeit" nahelegen. Er arbeitete nach seinen Aussagen eng mit Staatsanwalt Carlos Stornelli und Richter Claudio Bonadío zusammen.

Ein weiterer Staatsanwalt, Juan I. Bidone, der in Aufzeichnungen als beteiligt erwähnt wurde, stellte sich präventiv der Justiz und machte eine umfangreiche Aussage, in der er einen Teil der Vorwürfe bestätigte. So unter anderem, dass D'Alessio auch von ihm vertrauliche Informationen über laufende Prozesse bekam.

Ein prominentes Beispiel für die Handlungen des Netzwerkes ist der Prozess gegen den ehemaligen Infrastrukturminister und Parlamentsabgeordneten Julio de Vido: Er wurde wegen Korruption bei der Einfuhr von Erdgas angeklagt, verlor im Oktober 2017 auf Antrag des Richters Claudio Bonadío seine Immunität und wurde in Haft genommen. Bereits im November 2017 stellte sich jedoch heraus, dass das Hauptbeweismittel grob gefälscht waren. Um den Prozess nicht platzen zu lassen, zog man eilig einen neuen Zeugen heran: Marcelo D'Alessio. In Aufnahmen von Pedro Etchebest brüstet sich D'Alessio damit, auch für die gefälschten Beweismittel gesorgt zu haben.

Aber nicht nur gegen die Opposition, auch gegen den Gouverneur der Provinz Santa Fe, Miguel Lifschitz, versuchte man eine Verleumdungskampagne aufzubauen: Laut Aussage des inhaftierten Ramón Machuca, Anführer des Drogenclans "Los Monos", den D'Alessio mehrmals in der Haft besuchte, wollte man ihn durch Erpressung dazu bringen, eine nicht existente Verbindung zur Provinzregierung zuzugeben.

So skandalös wie der Inhalt der Untersuchung selbst wird die Reaktion der Regierung Macri darauf bewertet. Gleich zu Beginn, als lediglich öffentlich wurde, Staatsanwalt Stornelli sei involviert, versuchte der regierungsnahe Bundesrichter Julian Ercolini, allerdings erfolgslos, den Fall an sich zu ziehen.

Während die regierungsnahen Medien dem Fall bisher weitgehend keine Berichte widmen und bei der Anhörung am Mittwoch nicht anwesend waren, versuchen Regierungsmitglieder, Richter Ramos Padilla als "politisch motiviert" zu diskreditieren. Justizminister German Garavano verlangte vor dem Überwachungsrat der Richterschaft (Consejo de la Magistratura) seine Absetzung. Am 18.März reichte der Regierungsvertreter beim Überwachungsrat, Juan Mahiques, schließlich den Antrag auf ein politisches Verfahren gegen den Bundesrichter ein. Tausende von Nutzern haben daraufhin in den sozialen Netzwerken für kommenden Donnerstag zu einem Tag der Mobilisierung aufgerufen, um Ramos Padilla zu unterstützen.