Kolumbien / Politik

Vorstandsmitglied der Farc-Partei in Kolumbien festgenommen

Interpol-Haftbefehl vollstreckt. US-Antidrogenbehörde DEA wirft Santrich Drogenhandel vor. Auslieferung gefordert. Protest und Kritik an Festnahme

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Jesús Santrich, Führungsperson der ehemaligen Farc-Guerilla, ist in dieser Woche in Venezuela ums Leben gekommen
Jesús Santrich, Führungsperson der ehemaligen Farc-Guerilla, ist in dieser Woche in Venezuela ums Leben gekommen

Bogotá. Am gestrigen Montag ist in Kolumbien der Politiker Seuxis Pausivas
Hernández Solarte alias Jesús Santrich in seinem Wohnhaus im Viertel Modelia in Bogotá festgenommen worden. Zuvor wurde das Haus des 50-Jährigen von der Staatsanwaltschaft durchsucht.

Santrich war Kommandant der ehemaligen Farc-Guerilla sowie Mitglied der Verhandlungsgruppe der Friedensgespräche in Havanna mit der kolumbianischen Regierung. Gegenwärtig ist er Vorstandsmitglied der neu gegründeten Linkspartei Farc. Ihm wird von der Staatsanwaltschaft Drogenhandel vorgeworfen. Er soll den Transport von bis zu zehn Tonnen Kokain in die USA vorbereitet haben.

Nach Angaben der Zeitschrift Semana folgte die kolumbianische Strafverfolgungsbehörde mit der Festnahme einem Gesuch der US-amerikanischen Antidrogenbehörde DEA. Die US-Behörde untersuche dem Vernehmen nach einen Fall organisierter Kriminalität, in den Santrich verwickelt sein soll. Die US-Botschaft fordere zudem die Auslieferung des Politikers. Medienberichten zufolge liegt eine sogenannte rote Ecke, ein dringlicher Fahndungsvermerk, der internationalen Polizeibehörde Interpol gegen ihn vor, was einem internationalen Haftbefehl mit dem Ziel der Auslieferung entspricht.

Bei einer Pressekonferenz am Montagabend sagte der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos: "Den kolumbianischen Behörden liegen Beweise dafür vor, dass Santrich nach der Unterschrift des Friedensabkommens weiterhin in den Drogenhandel verwickelt ist." Er habe keine Bedenken, einer Auslieferung stattzugeben.

Das Vorgehen gegen Santrich könnte zum Präzedenzfall für die Umsetzung der Sonderjustiz für den Frieden werden, nach deren Prinzipien sich Mitglieder der Farc verantworten müssen. Da die ihm vorgeworfenen Straftaten nach der Demobilisierung verübt worden sein sollen, könnte er aus der Sonderjustiz herausfallen und damit das Anrecht auf die Vorzüge verlieren. Eine Auslieferung wäre somit möglich, analysierten Redakteure der Tageszeitung El Tiempo.

Seit der Unterschrift des Friedensabkommens zwischen Farc und Regierung waren die Haftbefehle und Auslieferungsersuche der USA ausgesetzt worden.

Auf Twitter fragte der Anwalt der Farc, Enrique Santiago: "Kann es sein, dass Kolumbiens Staatsanwalt sich dem Gesuch der USA unterwirft, ohne die Vorwürfe zu prüfen?" Die Farc äußerte sich ebenfalls auf Twitter wenige Momente nach Bekanntwerden der Hausdurchsuchung und anschließender Festnahme zu diesem "schlimmsten Moment" des Friedensprozesses: "Einmal mehr zeigt sich, dass die Mitglieder unserer Partei keine Rechtssicherheit genießen." Derartige Maßnahmen würden das Vertrauen in den Friedensprozess gefährden. Zudem weist die Farc die Anschuldigungen zurück und spricht von einer "politischen Inszenierung". Die Führung der Farc-Partei mobilisierte noch am selben Abend zum Hauptgebäude der Staatsanwaltschaft in Bogotá, in dem ihr Vorstandsmitglied festgehalten wird. Gegen 20 Uhr (Ortszeit) hatten sich dort mehrere hundert Personen eingefunden.

Auch aus sozialen Bewegungen wurde heftige Kritik an der Festnahme laut. Am gestrigen 9. April wurde in Kolumbien der Tag der Opfer des Konflikts begangen und zahlreiche Demonstrationen und Kundgebungen im ganzen Land organisiert. Damit gedenkt die kolumbianische Linke der Ermordung des liberalen Politikers Jorge Eliécer Gaitán am 9. April 1948. Gerade an diesem Tag eine solche Festnahme durchzuführen, war für viele Menschen auf der Straße ein Schock. "Es ist unglaublich. Nie wieder können wir dieser Regierung vertrauen," sagte ein Mitglied derOrganisation Marcha Patriótica gegenüber amerika21.