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Joe Biden, ein Befreier des Internets?

Der US-Präsident rührt keinen Finger, um Kuba den Zugang zum Internet über die Untersee-Glasfaserkabel zu ermöglichen, die nur wenige Kilometer von der Küste entfernt verlaufen

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Die USA sperren heute noch viele wissenschaftliche und technische Informationsseiten für kubanische Informatiker
Die USA sperren heute noch viele wissenschaftliche und technische Informationsseiten für kubanische Informatiker

Am Freitag, den 16. Juli, sagte Joe Biden im Garten des Weißen Hauses ‒ bevor er den Hubschrauber zu seinem Rückzugsort in Camp David bestieg ‒ gegenüber CNN, dass “die Desinformation in den Netzwerken uns umbringt". Der US-Präsident bezog sich insbesondere auf Veröffentlichungen im digitalen Netzwerk Facebook über die Impfung gegen Covid-19 und warf dem Unternehmen vor, nichts zu tun, um sie zu verhindern.

Facebook ist dasselbe Unternehmen, das WhatsApp betreibt und in beiden Netzwerken sind nicht wenig Falschmeldungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie auf Kuba verbreitet worden. Aber wenn der Präsident, der Premierminister oder eine andere kubanische Führungspersönlichkeit sagen würde, was Biden gesagt hat, würde die Maschinerie der Kommunikationsmedien und Influencer, die seine Regierung gegen die Insel finanziert, sofort anfangen, den Autor eines solchen Satzes im Namen der "freien Meinungsäußerung" zu lynchen.

Egal ob es sich um die "Äußerung" der alten traditionellen Medien handelt, oder um die in der Ära Bush oder Obama oder Trump-Ära entstandenen, ist die Beteiligung am Desinformationskrieg gegen Kuba für diejenigen, die Pluralität für sich beanspruchen, unstreitig. Von der US-Nachrichtenagentur UPI, die behauptet, der "Hafen" von Bayamo und das Hotel Habana Libre seien von den Invasoren der Playa Girón eingenommen worden, bis hin zum "Rey, du weißt, dass ich Biologin bin"1 zu Beginn der Covid19-Pandemie: Der für die Desinformation bezahlt, befindet sich immer noch 90 Meilen nördlich von Kuba.

Andererseits haben alle digitalen Unternehmen der sozialen Medien (Twitter, Facebook und Google) auch alles versucht, um Accounts russischer Medien wie RT und Sputnik zu blockieren, und im Fall von Google sogar vorübergehend aus der Internetsuche verschwinden zu lassen. Fakt ist auch, dass viele Twitter-Accounts kubanischer Funktionäre und Journalisten in politisch wichtigen Momenten von den USA aus blockiert wurden. Das gleiche Schicksal ereilte vor kurzem den Account des Kubanischen Studentenverbandes, dem Hunderttausende junger Kubaner angehören.

Die organischen Verbindungen dieser Unternehmen mit den speziellen US-Diensten und dem Außenministerium sind durch die Enthüllungen von Edward Snowden und Wikileaks sehr gut dokumentiert und entfalteten sich in den beiden Amtszeiten Obamas, in denen Biden Vizepräsident war, zu voller Blüte. Die Obama-Biden-Regierung wird als diejenige angesehen, die in den USA am meisten Whistleblower verfolgt hat, sogar noch mehr als die Regierung von Richard Nixon, die bis dahin als die obsessivste in dieser Hinsicht galt.

Es war die Allianz mit den großen Technologieunternehmen, die die Exekutive unter der Leitung des oben erwähnten demokratischen Duos dazu brachte, den genialen und sehr jungen Informatiker Aaron Swartz bösartig zu verfolgen und in den Selbstmord zu treiben, weil er zu einem Anführer der freien Verbreitung von Wissen im Internet geworden war. Swartz, vom FBI schikaniert, wurde auf Bundesebene strafrechtlich verfolgt und die Regierung forderte 35 Jahre Gefängnis und eine Geldstrafe von einer Million Dollar.

Sein Vergehen? Eine Datenbank mit öffentlich finanzierten wissenschaftlichen Forschungsergebnissen herunterzuladen mit der Absicht, sie im Internet allen Interessierten frei zugänglich zu machen. Im Gegensatz zu Biden, der von Freiheit spricht und sie verfolgt, war Aaron konsequent: Im Jahr 2008 veröffentlichte er ein Manifest (Guerilla Open Access Manifesto), in dem er den "privaten Diebstahl der öffentlichen Kultur" anprangerte.

Kein Erbarmen kannte derjenige, der jetzt sagt, er sorge sich um den Zugang der Kubaner zu Information und bequemerweise Miami-Medienfiguren einsetzt, um von Freiheit zu sprechen. Es spielte keine Rolle, dass Swartz, damals fast noch ein Teenager, wesentlich zu Grundelementen beigetragen hat, die heute für den Austausch von Informationen im Internet allgemein üblich sind, wie RSS und Creative Commons; sie haben der Menschheit weit mehr gebracht als diejenigen, die für Songs und für Molotowcocktails bezahlen ‒ als Teil eines Plans, etwas loszutreten, das sowohl zum nationalen Interesse der USA als auch zu einem Blutbad 90 Meilen von den USA entfernt beitragen soll.

Die einzige Freiheit, die eine Regierung interessiert, deren Minister von einem Bankkonzern ernannt wurden, ist die Freiheit, Geld zu verdienen. Und Aaron Swartz war eine Bedrohung für diese Freiheit, wie aus den von Wikileaks veröffentlichten E-Mails zwischen der Citibank und dem Übergangsteam von Barack Obama hervorgeht.

Als Vizepräsident hat der derzeitige US-Präsident keinen Finger gerührt, um Kuba den Zugang zum Internet über die verschiedenen Untersee-Glasfaserkabel zu ermöglichen, die nur wenige Kilometer von der kubanischen Küste entfernt verlaufen und für Kubas Unternehmen weiterhin verboten sind. Eine 1.062 Kilometer lange Verbindung, die von Camurí in der Nähe des Hafens von La Guaira in Venezuela bis zum Strand von Siboney in Santiago de Cuba reicht, musste mit 70 Millionen US-Dollar finanziert werden. Er gab auch die vielen wissenschaftlichen und technischen Informationsseiten nicht frei, die für kubanische Informatiker gesperrt sind.

Eric Schmidt, jemand, der sowohl Aaron Swartz als auch Biden gut kennt, besuchte Kuba im Jahr 2015, als er CEO von Google war. Er war dann an der Universität für Informatik, wo sich mehrere Studenten und Professoren bei ihm beschwerten, dass sie nicht auf Seiten seines Großunternehmens über Softwareentwicklung zugreifen können. Schmidt sagte, er werde ihnen ”hintenherum” (por la izquierda, wie man kubanisch sagt) Zugang geben und ein anwesender Professor antwortete: "Wir wollen nicht über den Zaun springen, wir wollen durch die Tür gehen wie alle anderen". Und der US-CEO versprach, darüber mit seiner Regierung zu sprechen, genau der Regierung, der auch Biden angehörte. Was bis zum heutigen Tag geschehen ist, ist, dass sich diese Situation keineswegs verbessert, sondern verschlechtert hat, aber Joe Biden hat versprochen, Kuba "unzensiertes Internet" zu geben, und das kostenlos!

Noch ein Geschäft mehr für Technologie-Firmen wie die, die sich die Taschen mit US-Steuergeldern gefüllt haben, indem sie sagten sie würden dafür sorgen, dass man in Havanna ein Fernsehen sehen werde, das man noch nie gesehen hat? Sehr wahrscheinlich.

Biden nennt Kuba einen "gescheiterten Staat", aber es gibt nichts, was mehr gescheitert ist als die "kreativen" Versuche der US-Regierungen während 60 Jahren, einen "Regime change" auf der Insel herbeizuführen. Pardon, es gibt doch etwas, nämlich die Art und Weise, wie Terroristen und Erpresser aus Miami die US-Regierungen im gleichen Zeitraum getäuscht haben.

Iroel Sánchez aus Kuba ist Informatiker, Journalist und Autor. Er gibt den Blog La Pupila Insomne heraus, der zu den meistgelesenen der Insel gehört

  • 1. Zu Beginn der Pandemie wurde auf Kuba über WhatsApp ein Audio stark verbreitet, in dem eine angebliche Biologin Falschinformationen über die Maßnahmen der Regierung gegen die Corona-Pandemie verbreitete und sie als "kollektives Verbrechen" bezeichnete https://www.cubalite.com/biologa-cubana-whatsapp/. In den Tagen darauf startete unter dem Slogan "Ray, du weißt, dass ich Biologin bin" eine spöttische Kampagne gegen diesen Versuch, die Regierung und das Gesundheitsystem Kubas zu diskreditieren