Die erste Linksregierung von Kolumbien hat die Außenpolitik des Landes neu ausgerichtet. Sie nähert sich Afrika an, der Handel zu China wird weiter ausgebaut. Beim Kampf gegen den Klimawandel verfolgt Präsident Gustavo Petro eine globale Vision. Auch zu aktuellen internationalen Krisenherden äußert sich seine Regierung deutlich.
Kolumbien nahm als einziges lateinamerikanisches Land am Afrikanischen Klimagipfel in Kenia im September teil. Mitte Oktober unternahm Petro eine dreitägige Chinareise, um die wirtschaftlichen Beziehungen zu vertiefen. In seinen Reden vor Gremien der Vereinten Nationen (UNO) und bei regionalen Zusammenkünften wie dem Migrationsgipfel in Mexiko, fordert er, die internationale Zusammenarbeit zu stärken. Beim Ukraine- und Israel-Palästinakonflikt nimmt er eine klare Position ein und scheut sich nicht vor Kritik am Verhalten der internationalen Gemeinschaft.
"Kolumbien stellt sich außenpolitisch neu auf", resümiert Mauricio Jaramillo Jassir, Politologe der Universität Rosario in Bogotá gegenüber amerika21.
Seit über 30 Jahren gab es keinen offiziellen Staatsbesuch von kolumbianischer Seite auf dem afrikanischen Kontinent, die Außenpolitik war fast ausschließlich auf die USA und Westeuropa fokussiert.
Die aktuelle Regierung versucht "die historische Distanz zwischen Kolumbien und Afrika aufzuheben und einen vielschichtigen Ansatz zu verfolgen. Das haben frühere Regierungen nicht getan", so Jaramillio. Die Afrika-Strategie soll die Beziehungen für die Jahre zwischen 2022 und 2026 näher definieren. Erstmals schenkt das Land diesen auf höchster institutioneller Ebene Beachtung und möchte Rahmenbedingungen für Im- und Exporte, Tourismus, Sport, Bildung und Kultur sowie den Austausch von Wissen schaffen.
Vizepräsidentin Francia Márquez war in diesem Jahr bereits zwei Mal auf dem Kontinent zu Gast. Sie besuchte Südafrika, Kenia, Äthiopien und Ghana. Ziel war es, Möglichkeiten für eine künftige Zusammenarbeit zu ermitteln. Sie verließ Afrika mit der Zusicherung Ghanas, als erstes Land der Subsahara eine Botschaft in Kolumbien einzurichten. Kolumbien wird seinerseits Botschaften im Senegal und Äthiopien etablieren.
In Ghana wurden Absichtserklärungen zur Förderung von akademischer Mobilität und Friedenserziehung unterzeichnet wie auch für eine anti-rassistische und geschlechtergerechte Politik. Zudem versprach Vizepräsident Mahamudu Bawumia, dass sein Land der Expertengruppe für die Erarbeitung eines Globalen Marshall Plans zur Bekämpfung des Klimawandels beitreten werde.
Petros Regierung wird künftig auch auf die Unterstützung weiterer afrikanischer Länder bei seinem ambitionierten Klimaplan angewiesen sein, zumal diese zusammen über 54 Stimmen in der UNO verfügen.
"Ghana, Kenia und Südafrika sind die Türen, durch die Kolumbien jetzt in Afrika eintritt", sagte der Afrikaforscher und Berater der Regierung, Jerónimo Delgado. Die Botschaft in Ghana sei immer schon sehr aktiv gewesen, ansonsten arbeite Kolumbien bisher mit keinem afrikanischen Land dauerhaft zusammen. Zuvor sei eine "Blitzlicht-Politik" verfolgt und immer nur in spezifischen Themen zusammengearbeitet worden oder wenn Kolumbien Stimmen in der UNO gebraucht habe. Die Eröffnung neuer Botschaften, Visaerleichterungen sowie den Aufbau von Flugverbindungen sieht er als unabdingbar für eine Annäherung. Alle drei Themen brachte Márquez bei ihrem Besuch ins Rollen. Es handle sich "zweifellos um eine Veränderung, die es so noch nie gegeben hat".
Die Gemeinsamkeiten, die Kolumbien mit Afrika verbinden, öffneten Türen für die Zusammenarbeit mit den Ländern des Kontinents, erklärt Delgado.
Mit der neuen Regierung schenkt das südamerikanische Land seiner afrostämmigen Bevölkerung eine bisher nicht gekannte Aufmerksamkeit. Fast zehn Prozent der Gesamtbevölkerung haben afrikanische Wurzeln, kulturell ist das Andenland ebenso mit dem Kontinent verflochten.
Demnach bedeute die neue Politik auch eine Anerkennung der historisch vernachlässigten Afrokolumbianer:innen, die in der Pazifikregion leben, "die der Staat bislang kaum beachtet hat", ergänzt der Politologe Jaramillo.
Doch Delgado verweist darauf, dass die Außenpolitik von Regierungen und nicht vom Staat gemacht werde. Es gebe keine Garantie dafür, dass die kommenden Regierungen dieselben Prioritäten setzen. Mit den Besuchen der Vizepräsidentin wurde lediglich der Grundstein für künftige Beziehungen gelegt, Resultate dürften noch keine erwartet werden. Letztendlich müsse beobachtet werden, ob Kolumbien es schaffe, dauerhafte Beziehungen zu weiteren Ländern Afrikas aufzubauen, sagt er.
Ähnlich fasste Márquez ihren Besuch zusammen, als sie sagte: "Viele wollen jetzt hören, wie viele Geschäfte abgeschlossen wurden. Aber so funktioniert das nicht, man muss zuerst politische Dialoge und rechtliche Mechanismen einrichten." Bisher seien kaum Beziehungen zu Afrika vorhanden.
Während die Kooperation mit afrikanischen Ländern etwas Neues in der Außenpolitik ist, setze man bei China auf Kontinuität, meint David Castrillón-Kerrigan, Experte für die USA- und Chinabeziehungen der Universidad Externado zu amerika21. Kolumbien vertieft schon seit Jahren den Handel mit China, deshalb sei der Besuch des Präsidenten vom 24. bis zum 26. Oktober "nichts Außergewöhnliches".
Die Regierungschefs beider Länder unterzeichneten 13 Absichtserklärungen zu Themen wie Investitionen, Handel, digitale Wirtschaft, Landwirtschaft und Technologie.
Auch in den Bereichen Umweltschutz, Gesundheit, Bildung und Kultur kamen sie überein. "Investitionen in die ökologische Entwicklung und die Dekarbonisierung der Wirtschaft" sollen gefördert werden und "den Schutz von Wäldern und Gewässern, die Energiewende und saubere Energie unterstützen", heißt es in der von der Regierung Petro veröffentlichten Erklärung. Der Jugend Kolumbiens sollen Möglichkeiten für technologische Praktika in chinesischen Unternehmen gegeben und die Zweisprachigkeit soll gefördert werden.
China wird weiterhin eine tragende Rolle in Großprojekten der Infrastruktur wie dem Zug "Regiotram de Occidente" und der Schnellstraße "Autopista al Mar 2" übernehmen. Im Gegenzug möchte die Regierung Petro Handel auf Augenhöhe führen. Das heißt: mehr exportieren. Ab 2024 sollen Rindfleisch und Quinoa nach China verschifft werden. Derzeit ist das asiatische Land nach den USA der größte Handelspartner, aus keinem anderen Land importiert Kolumbien mehr Produkte. Im Jahr 2022 waren es Waren im Wert von mehr als 19,2 Milliarden US-Dollar. Die Einfuhren aus den USA lagen bei 18,9 Milliarden Dollar.
In Lateinamerika engagiere Kolumbien sich verstärkt und suche den Zusammenhalt in der Region. Nicht nur im Kampf gegen die Klimakrise lasse Petro den Worten Taten folgen, erklärt Castrillón-Kerrigan. Er sieht eine führende Rolle Kolumbiens bei der Migration, der Energiewende und bei der Bekämpfung des organisierten Verbrechens.
Besonders beim Thema Migration steche das Land gegenüber der Einwanderungspolitik des globalen Nordens hervor. Kolumbien sei ein Pionier, da es einen "menschlichen Ansatz" verfolge und Zwangsmaßnahmen – wie sie in fast überall üblich seien – ablehne. Im Fall der venezolanischen Migrationswelle hätte Kolumbien gezeigt, wie man die Dinge als Staat trotz der Kosten versuchen kann "gut zu machen". Nachdem Mitte Oktober beim Migrationsgipfel beschlossen wurde, die Ursachen der Abwanderung zu bekämpfen, hat Petro für das kommende Jahr ein weiteres Treffen in Bogotá angekündigt. Dabei sollen konkrete Maßnahmen unter Berücksichtigung der Menschenrechte ergriffen werden.
Bemerkenswert findet der Politologe, dass nicht nur die derzeitige Regierung, sondern auch deren diplomatisches Personal eine "sehr klare außenpolitische Linie" bei allen Themen verfolge. Das würde der Welt und der Region die Ernsthaftigkeit der Absichten Kolumbiens zeigen.
Die neue Süd-Süd-Zusammenarbeit werde nicht als konkurrierendes Modell für die traditionellen Verbündeten Europa und USA verstanden. Sowohl Delgado als auch Jaramillo bezeichneten den Wandel in der Außenpolitik als "ergänzendes Element", das den Westen keineswegs ersetzen soll. Letztendlich werde die Neuausrichtung ein größeres Panorama für die internationale Zusammenarbeit schaffen, so der Tenor der Beiden.
Castrillón-Kerrigan sieht das kritischer und meint, dass Petro im Verhältnis zu den USA "zurückhaltender" sei als seine Vorgänger. Bei Auslandsinvestitionen präsentiere sich China als gute Alternative, da die USA entweder kein großes Interesse daran hätten, Kolumbien Geld zu leihen oder sie würden es zu "unvorteilhaften Bedingungen" tun, erläuterte er. Die aktuelle Regierung habe aber klar kommuniziert, dass es sich bei China "nur um einen weiteren Handelspartner handle, der keinen höheren Stellenwert als die USA einnehmen soll." Kritische Stimmen kämen indes jetzt schon aus dem US-amerikanischen Kongress. "Das könnte sich noch verschlimmern", prophezeit er.
Petros außenpolitisches Handeln und seine klaren Ansagen gegenüber den USA sind ein Bruch mit der bisherigen Linie Kolumbiens. Via X sprach er von einer "Unterwerfung unter die gesamte Außenpolitik der USA" in den vergangenen Jahrzehnten. Noch deutlicher wurde der Wandel bei Petros Stellungnahmen zum Palästina-Israel Konflikt: "Wenn die Außenbeziehungen zu Israel unterbrochen werden müssen, werden wir sie suspendieren. Wir unterstützen keine Völkermorde", erklärte er.
Grundsätzlich zeige die neue Außenpolitik, dass Kolumbien seine bisherige Rolle in der Welt verändern möchte. "Petros Kolumbien will keine zweitrangige Position mehr einnehmen, es will eine zentrale Rolle spielen", fasst Castrillón-Kerrigan zusammen.