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Volksbefragung über Sozialreform in Kolumbien soll per Dekret durchgesetzt werden

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Petro bei der Demonstration in Cali
Petro bei der Demonstration in Cali

Bogotá. Nach der Ablehnung im Parlament hat der kolumbianische Präsident Gustavo Petro ein Dekret unterzeichnet, das eine nationale Volksbefragung am 7. August vorsieht.

Zur Abstimmung stehen unter anderem ein Achtstundentag, Bezahlung von Nacht- und Sonntagsarbeit, Regulierung der Arbeitsbedingungen von Serviceleistungen wie bei Uber und Rappi vor, Arbeitsrechte und faire Löhne für Landarbeiter (amerika21 berichtete).

Der Schritt erfolgt inmitten scharfer Kritik konservativer Kreise, die Petro vorwerfen, ein Klima der Gewalt zu fördern. Auslöser ist ein Anschlag auf Senator Miguel Uribe Turbay. Der konservative Politiker hatte explizit gegen die von der Regierung geplante Arbeitsreform Stellung bezogen und angekündigt, ein entsprechendes Dekret juristisch anzufechten. Petro verurteilte die Tat und forderte Aufklärung, doch rechte Gruppen machen ihn mitverantwortlich.

Parallel erschütterten am 10. Juni Bombenanschläge die Departamentos Valle del Cauca ‒ einschließlich der Hauptstadt Cali ‒ und Cauca. Explosionen in der Nähe von Polizeistationen forderten mindestens vier Todesopfer. Die Angriffe werden Farc-Dissidenten zugeschrieben. Trotz Ausgangssperre und Schulschließungen hielt Petro an seinem Besuch in Cali am 11. Juni fest, traf Militärvertreter und unterzeichnete das Dekret vor Ort (amerika21 berichtete).

In Kolumbien ist die "consulta popular" ein verfassungsmäßiges Mittel, bei dem Bürger direkt über Regierungsvorhaben abstimmen. Petro betont, nur bei einer Verabschiedung der Reformen im Kongress würde er auf die Befragung verzichten. Der Präsident spricht von einem "institutionellen Stillstand" im Parlament.

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Die Opposition reagierte mit juristischen Mitteln: Acht Parteien reichten Klage ein, mehrere Minister wurden angezeigt.

Das Verfassungsgericht muss nun über die Zulässigkeit der "consulta popular" entscheiden.

Justizminister Eduardo Montealegre kündigte bereits an, bei Ablehnung durch das Gericht acht Millionen Unterschriften für eine verfassungsgebende Versammlung zu sammeln – eine Aussage, die noch nicht offiziell bestätigt ist.

Am 12. Juni versammelten sich Tausende in Cali zur Unterstützung der Regierung und der Sozialreformen. Petro sprach dort zu den Demonstrierenden.

Viele sehen in der Volksbefragung die einzige Chance auf sozialen Wandel. Die Opposition hingegen warnt vor der Aushöhlung der repräsentativen Demokratie.