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Umweltkatastrophe in Ecuador: Angriff auf Ölpipeline?

Bis zu 500.000 Menschen im Norden Ecuadors sind ohne Trinkwasser. Energieministerin spricht von Sabotageakt. Es droht eine wirtschaftliche und ökologische Krise. Zwei Flüsse für tot erklärt

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Das ausgetretene Rohöl bedroht auch die touristischen Strände der Provinz Ermeraldas
Das ausgetretene Rohöl bedroht auch die touristischen Strände der Provinz Ermeraldas

San Mateo de las Esmeraldas. In der nördlichen Provinz Esmeraldas, im ecuadorianischen Grenzgebiet zu Kolumbien, zeichnet sich eine Umweltkatastrophe ab. Am 13. März kam es nach anhaltenden starken Regenschauern zu Erdrutschen, bei denen die Trans-Ecuadorianische Ölpipeline (Sote) beschädigt wurde.

Bereits nach kurzer Zeit breitete sich zunächst ein Ölteppich entlang des Flusses Viche aus. Inzwischen sind fünf Flüsse bzw. Gewässer betroffen, darunter auch der für die Bevölkerung besonders wichtige Esmeraldas-Fluss, der nicht nur Trinkwasser liefert, sondern auch für kleine Fischer lebenswichtig ist.

Eduardo Rebolledo, Biologe an der Katholischen Universität Esmeraldas, erklärte, dass die Flüsse tot seien. Das Wasser sei so stark verunreinigt, dass es nicht mehr als Trinkwasser brauchbar sei und keine darin vorkommende Flora oder Fauna überlebt habe. Rebolledo zufolge werden sich die Flüsse erholen – wie lange dies dauert, hänge jedoch von vielen Faktoren ab.

Das Umweltministerium gab an, dass bislang allein 80 Kilometer des Hauptflusses kontaminiert wurden. Insgesamt sind fast 500.000 Menschen ohne Trinkwasserversorgung. Die Bevölkerung wird über Marineschiffe und Wassertanks versorgt, die jedoch nicht ausreichen.

Neben den unmittelbaren Auswirkungen für die Bevölkerung drohen auch nachhaltige Umweltschäden für das Naturschutzgebiet an der Mündung des Esmeraldas-Flusses. Dieses Gebiet mit seinen Mangrovensümpfen dient als Rückzugsort für eine Vielzahl von Vogelarten. Zudem droht das Versiegen der Flüsse Caple und Viche.

Inzwischen ist das Öl vermutlich auch in den Pazifischen Ozean gelangt. Mehrere Strände wurden bereits geschlossen. Aufgrund der Meeresströmung ist es sogar möglich, dass das Öl die Galápagosinseln erreicht.

Die Regierung rief den Umweltnotstand aus. Die Ministerin für Energie und Bergbau, Inés Manzano, koordiniert vor Ort die Aufräumarbeiten. Präsident Daniel Noboa kündigte auf X Unterstützungsmaßnahmen an. "Petroecuador muss seine Verantwortung wahrnehmen. Anders als in der Vergangenheit wird es dieses Mal für seine Handlungen zur Verantwortung gezogen und verpflichtet, in Esmeraldas Wiedergutmachung zu leisten", schrieb er.

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Das staatliche Unternehmen gab bekannt, man habe bereits 14.000 Barrel Öl und Wasser geborgen. Inzwischen hat Petroecuador den Betrieb der Pipeline wieder aufgenommen. Hierfür seien die beschädigten Teile der Leitung ausgetauscht und bislang 225.000 Kubikmeter Erde abgetragen worden.

Nach wie vor ist unklar, wie viel Öl tatsächlich ausgetreten ist. Eine Einschätzung hierzu sei erst nach der Wiederinbetriebnahme möglich, hieß es zunächst seitens Petroecuador. Obwohl die Ölförderung seit mehreren Tagen wieder läuft, gibt es nach wie vor keine offiziellen Zahlen, wie viele Barrel durch das Leck in die Umwelt gelangt sind.

Als Ursache der Pipelinebeschädigung wurde zunächst ein Erdrutsch infolge schwerer, anhaltender Regenfälle in der Region genannt. Ministerin Manzano gab in einem Interview mit dem Fernsehsender Teleamazonas am Donnerstag jedoch bekannt, dass die Regierung mittlerweile nicht mehr von einem Unfall ausgehe und vielmehr einen Sabotageakt für verantwortlich halte. "Am Anfang sagten wir das, weil das die Beweise waren, die wir hatten, physisch sieht man den Erdrutsch. Gestern [Mittwoch] erhielten wir jedoch den Bericht des CIES [Zentrum für strategische Aufklärung], der uns mitteilte, dass es sich um etwas Provoziertes handelt, um Sabotage", so die Ministerin im Interview. 

Gleichzeitig verwies Manzano darauf, dass weitere Anschlagspläne bekannt geworden seien. Demnach soll auch das Stauseesystem Papallacta ein Ziel sein, das die Hauptstadt Quito mit Frischwasser versorgt. Die Ministerin berief sich im Interview auf einen nicht näher benannten "polizeilichen Geheimdienstbericht". Über mögliche Täter oder Hintergründe machte sie keine Angaben.

Kritiker sehen in den Behauptungen den Versuch der Regierung, von eigenen Versäumnissen abzulenken.

Die Umweltorganisation Acción Ecológica ist der Ansicht, dass Petroecuador die Ausbreitung des Rohöls fahrlässig verursacht hat. Experten des Unternehmens seien bereits am Morgen des 14. März eingetroffen, als das Öl den Fluss Viche noch nicht erreicht hatte. Sie hätten allerdings keine Sofortmaßnahmen ergriffen, um den Ölaustritt zu stoppen.

Nach Angaben von Petroecuador, zusammengestellt von der Zeitung Primicias, erlitt Sote in 52 Jahren Betrieb mindestens 77 Lecks. Lediglich in zwei Fällen wurde kein Ölaustritt festgestellt. Insgesamt sind bei den Havarien mehr als 740.000 Barrel Öl ausgelaufen, wobei der jüngste Vorfall noch nicht erfasst wurde. Das entspricht der aktuellen Transportmenge von fast zwei Jahren.