Lima. Nach dem Mord an dem Musiker Paul Flores hat die peruanische Regierung in Lima und der Nachbarstadt Callao am vergangenen Montag den Ausnahmezustand ausgerufen. Er soll 30 Tage gelten. Während dieser Zeit sind verfassungsmäßige Rechte außer Kraft gesetzt. Dazu zählen die Versammlungsfreiheit, die Reisefreiheit und die Unverletzlichkeit der Wohnung. Personen können ohne Haftbefehl festgenommen werden.
Flores wurde nach einem Konzert am vorigen Sonntag erschossen. Seine Band Armonía 10 soll, wie auch andere Gruppen, von kriminellen Banden erpresst worden seien. Der Band zufolge hatten die Erpresser:innen umgerechnet etwa 5.500 US-Dollar Schutzgeld verlangt.
Die Sicherheitslage in Peru hat sich in den letzten Jahren deutlich verschlechtert. Die Zahl der Morde im Januar und Februar 2025 lag nach offiziellen Angaben bei 368 und damit mehr als dreimal so hoch wie im selben Zeitraum 2018. Neben der steigenden Zahl an Morden hat auch die Zahl der Erpressungen stark zugenommen, besonders in Lima und in Gebieten, wo kriminelle Gruppen illegale Bergbauaktivitäten durchführen. Die peruanischen Behörden machen dafür unter anderem die Zuwanderung aus Venezuela verantwortlich, ohne dafür Belege liefern zu können.
Die parlamentarische Opposition fordert angesichts dieser Entwicklung den Rücktritt von Innenminister Juan José Santiváñez. 34 Abgeordnete reichten am Montag einen Misstrauensantrag ein. Darin wird argumentiert, dass sich "eine alarmierende Führungslosigkeit im Innenministerium" offenbare.
Einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens Ipsos zufolge sind 83 Prozent der Bevölkerung der Auffassung, dass Santiváñez zurücktreten solle, und 62 Prozent glauben, dass sich die Sicherheitslage seit seinem Amtsantritt verschlechtert habe. Präsidentin Dina Boluarte steht jedoch weiterhin zu ihrem Innenminister.
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Der derzeit geltende Ausnahmezustand wird von verschiedenen Seiten kritisiert. Jesús Maldonado, Bürgermeister von San Juan de Lurigancho, einem der am stärksten von Gewalt betroffenen Bezirke Limas, hat darauf hingewiesen, dass diese Maßnahme in der Vergangenheit nicht funktioniert habe und auch künftig nicht wirksam sein werde. Dieser Meinung ist auch die Nichtregierungsorganisation Human Rights Watch, die sich dabei auf Sicherheitsexpert:innen beruft. In Sozialen Medien wurde zudem der Einsatz von Militäreinheiten im wohlhabenden Bezirk Miraflores kritisiert, der wegen der relativ niedrigen Kriminalitätsraten unnötig sei.
Im Zeichen der aktuellen Entwicklungen trat am Dienstag der Nationale Sicherheitsrat (Conasec) zusammen. Neben Boluarte und ihren Minister:innen nahmen unter anderem auch hohe Vertreter:innen der Staatsanwaltschaft und der Nationalpolizei teil. Die Präsidentin und ihr Innenminister betonten, dass es der Nationalpolizei im Jahr 2025 gelungen sei 2.673 kriminelle Gruppen zu zerschlagen und mehr als 73.000 Straftäter:innen zu verhaften.
Der Sicherheitsrat beschloss unter anderem, einen Gesetzentwurf zur Wiedereinführung der Wehrpflicht vorzulegen, zu prüfen, ob die Streitkräfte in die Verwaltung und Kontrolle des Strafvollzugssystems einbezogen werden können, sowie "Maßnahmen zur Regularisierung des Migrationsstatus aller undokumentierten Ausländer durchzuführen". Sollte dies nicht gelingen, würden "sektorübergreifende Maßnahmen zu ihrer Ausweisung aus dem Land ergriffen".
Boluarte kündigte zudem an, einen sogenannten "Kriegsraum für die Sicherheit der Bürger" einzurichten, "von dem aus die Exekutive die Einhaltung der im Conasec vereinbarten Abkommen überwachen wird". Dieser Vorschlag wurde von Eduardo Rocha, ehemaliger Direktor der Nationalpolizei als "Unsinn" abgetan. Der Sicherheitsrat habe keine Strategie und die Präsidentin "keine Ahnung".
Der Kriminologe Enrique Vargas kritisierte den Plan, die Wehrpflicht wiedereinzuführen. Bürger:innen dazu zu zwingen, Teil der Teil der Ordnungskräfte zu sein, würde erfahrungsgemäß zu Menschenrechtsverletzungen führen und sei "als würde man dieses Feuer mit Benzin löschen."