Argentinien / Politik

Präsident von Argentinien ernennt zwei Richter für Oberstes Gericht per Dekret

Umstrittene und konservative Persönlichkeiten ernannt. Verfassungsrechtler bezweifeln Rechtmäßigkeit. Opposition will Ernennung kippen

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Milei bei seiner Rede zur Eröffnung der 143. Sitzungsperiode des Kongresses am 1. März
Milei bei seiner Rede zur Eröffnung der 143. Sitzungsperiode des Kongresses am 1. März

Buenos Aires. Präsident Javier Milei hat am letzten Mittwoch zwei Richter für den obersten Gerichtshof per Dekret ernannt. Es sind Ariel Lijo und Manuel García Mansilla, die zwar bereits im April letzten Jahres vorgeschlagen wurden, bisher jedoch noch nicht die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit im Senat zusammenbekommen hatten.

Die Entscheidung fiel nicht unerwartet, hat aber trotzdem für viel Aufruhr und starken Protest der Opposition gesorgt. Sie blieb aus diesem Grund, sowie wegen des anhaltenden Krypto-Skandals, am Samstagabend mehrheitlich der Eröffnung der Legislaturperiode fern. Milei sprach somit vor einem halbleeren Plenarsaal.

Kabinettchef Guillermo Franco erklärte in einem Interview, dass die verweigerte Zustimmung der Senatoren die Regierung zu diesem Schritt gezwungen hätte, da nach dem Ruhestand von Richter Maqueda im letzten Dezember, nur noch drei oberste Richter im Amt seien. Dadurch wäre die Funktion des Gerichtshofs in Gefahr. Die Verfassung würde es zudem erlauben, während der Sommerpause des Parlaments, Richter kommissarisch zu ernennen. Bekannte Verfassungsrechtler widersprechen diesem Standpunkt, da das Vorgehen einerseits nicht für so wichtige Posten gedacht ist und die Ernennung nur drei Tage vor der Wiederaufnahme der parlamentarischen Aktivität stattfand.

Zwei der jetzigen obersten Richter, Carlos Rosenkrantz und Horacio Rosatti, wurden vom früheren Präsidenten Mauricio Macri ebenfalls per Dekret ernannt, auf Grund des dann entstanden Widerstands jedoch nach zähen Verhandlungen vom Senat nachträglich bestätigt und legalisiert. Damit kann Milei jetzt jedoch nicht rechnen, da auch Teile der ihm freundlichen "weichen" Opposition, in Gestalt der Partei UCR (Radikale Bürgerunion), gegen die Ernennung sind.

García Mansilla ist ein konservativer Jurist, dem Opus Dei nahestehend, Absolvent der privaten katholischen Universidad del Salvador und der Universität von Georgetown in den USA. Er war nie Richter, sondern als Anwalt und Lobbyist im Bereich der Energiewirtschaft tätig, unter anderem als Direktor der Kammer der Kohlenwasserstoffwirtschaft (CEPH) und Dekan der Universidad Austral. Er war bisher außerhalb der akademischen und wirtschaftlichen Kreise weitgehend unbekannt. Für den Posten eines obersten Richters ist üblicherweise Gerichtserfahrung gefragt. Neben anderen fechten feministische Verbänden die Nominierung Mansillas an, da er sich in der Vergangenheit gegen das Recht auf Abtreibung positioniert hatte.

Weitere Kritik hebt darauf ab, dass für die Ämter keine Frauen vorgeschlagen wurden. Seit dem Ruhestand von Richterin Highton de Nolasco 2021 besteht der Gerichtshof nur aus Männern.

Mansilla wurde bereits der Amtseid von seinen neuen Kollegen abgenommen, in einer sehr schnellen und diskreten Zeremonie. Die Öffentlichkeit wurde erst nachträglich informiert.

Lijo ist Bundesrichter am Appellationsgericht und äußerst umstritten. Gegen ihn liegen beim Magistratsrat über 32 Beschwerden und Klagen vor. Damit ist er einer der Richter mit den meisten Beanstandungen.Ihm werden enge Verbindung zu Expräsident Mauricio Macri seit dem Beginn dessen politischer Karriere nachgesagt. Macri begann diese als Quereinsteiger über den populären Fußballverein Boca Juniors, als dessen Präsident er sich 1995 nach großzügigen Spenden und Investitionen wählen ließ. Mit dem nächsten Karrieresprung wurde er Regierungschef der Stadt Buenos Aires. Damals war Lijo zusammen mit den Staatsanwälten Carlos Stornelli und Raúl Plee in der Sicherheitskommission des Vereins.

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Mit diesem Dekret ernannte Milei zwei Richter zum Obersten Gerichtshof
Mit diesem Dekret ernannte Milei zwei Richter zum Obersten Gerichtshof

Alle drei wurden zu zentralen Figuren der Justizverfahren der letzten Jahre, die als Lawfare - aus politischen Gründen manipulierte Verfahren - in die Geschichte des Landes eingegangen sind. Lijo wurde von Macri, ebenfalls per Dekret, in die Appellationskammer befördert.

Neben Korruption und Verquickungen mit den Geheimdiensten wird ihm vorgeworfen, das Timing von ihm geleiteter Prozesse nach politischem Kalkül zu führen und gerne Anklagen, Festnahmen und Urteile passend nach dem Wahlkalender anzuordnen. So war er, noch in einer unteren Instanz, in dem skandalösen Prozess gegen den früheren Vizepräsidenten Amado Boudou tätig, der der trotz nachgewiesenem Kauf von Zeugen und ohne sachliche Beweise verurteilt wurde (Amerika21 berichtete). Lijo hatte damals auch veranlasst, dass Boudou verhaftet und die Fotos seiner Verhaftung der Presse zugestellt wurden.

Auf der anderen Seite hatte sich Lijo nicht als befangen erklärt, Als Lijo eine schwerwiegende Anklage gegen Mauricio Macri vorgelegt wurde, erklärte er sich nicht als befangen. Es geht dabei um Schulden eines Unternehmens der Macri-Gruppe gegenüber dem Staat. Laut Presseberichten betrug die Summe zum Zeitpunkt des Vorfalls 2017 etwa 60 Milliarden Argentinische Peso, das entsprach zum damaligen Wechselkurs etwa 4,3 Milliarden US-Dollar. Lijo lud Macri in sieben Jahren nicht einmal zur Vernehmung vor. Auf der anderen Seite schloss er das Verfahren auch nicht ab, wodurch eine latente Bedrohung gegen Macri bestehen bleibt.

Im Gegensatz zu García Mansilla wurde Lijo noch nicht eingeschworen. Der erklärte Grund ist, dass er vorab entweder von seinem Posten in der Appellationskammer zurücktreten oder beurlaubt werden müsse. Er hatte um letzteres gebeten. Es sollen jedoch auch innerhalb des Gerichtshofes Widerstände gegen ihn existieren.

Die Opposition hat bereits angekündigt, dass sie beide Ernennungen nicht anerkennen wird und droht, sie im Senat zu kippen.