Guatemala-Stadt. Das Verfahren gegen den ehemaligen Armeechef Manuel Benedicto Lucas García geht seinem Ende zu. Am 7. November hat die Staatsanwaltschaft insgesamt 2.860 Jahre Haft wegen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschheit und gewaltsamen Verschwindenlassens gefordert.
Der mittlerweile 92-jährige Ex-General musste bei der Verhandlung nicht persönlich anwesend sein und verfolgte sie aus einem Militärkrankenhaus per Videokonferenz. Auch im Falle einer Verurteilung gilt es als unwahrscheinlich, dass er noch eine Haftstrafe antreten muss. Das Ziel der Verfahrens sei vielmehr, Gerechtigkeit herzustellen und den Völkermord offiziell anzuerkennen, erklärten Vertreter der Nebenklage gegenüber amerika 21.
In mittlerweile 99 Verhandlungstagen wurden von der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage 500 Beweise vorgelegt und 80 Zeugen gehört, darunter elf Zeugen, die Überlebende von sexueller Gewalt sind. Einige sagten zum Schutz ihrer Identität nicht vor Gericht aus und machten ihre Aussage in separat aufgenommenen Tonaufnahmen.
Dies galt auch für "Zeuge A", einem ehemaligen Militärangehörigen. Dieser sagte am 5. November aus, dass es einen klaren Befehl der Armeeführung zur systematischen Gewalt gegen die Zivilbevölkerung gegeben habe.
Neben den Zeugen wurden 55 Sachverständige gehört, darunter 42 forensische Anthropologen, und es wurden Dutzende militärischer, historischer und journalistischer Dokumente eingesehen.
Benedicto Garcia ist der Bruder von Lucas García, der Guatemala von 1978 bis 1982 regierte. Benedicto García übte das Amt des Militärchefs von August 1981 bis zum 23. März 1982 aus. In den Jahren 1978 bis 1982 kamen bei Militäraktionen in den Landkreisen Santa María Nebaj, San Gaspar Chajul und San Juan Cotzal im Departamento Quiche mindestens 12.400 Menschen ums Leben. Dies geht aus dem Bericht der katholischen Kirche "Guatemala nunca más" (Nie wieder) von 1998 hervor. Mindestens 1.772 mit Vornamen und Familiennamen bekannte Menschen wurden in den Jahren 1981 und 1982 unter der Verantwortung von Armeechef Garcia in den drei Landkreisen getötet.
Insgesamt kamen im Bürgerkrieg zwischen 1960 und 1996 rund 200.000 Menschen ums Leben, 45.000 gelten als vermisst.
Eleodoro Osorio von der Vereinigung für Gerechtigkeit und Versöhnung, die Teil der Nebenklage ist, sagte im Gespräch mit amerika 21, die Zeugen hätten im Prozess "klare Aussagen gemacht und erzählt, was sie mit eigenen Augen gesehen haben". Damit sei belegt, was "national und international schon bekannt war." Es habe in Guatemala einen "Völkermord gegeben, für den Regierung und Armeeführung in jenen Jahren verantwortlich waren."
Für die Anwältinnen der Verteidigung, die Pflichtverteidigerinnen Carmen Peralta und Teresa Martínez, habe die Staatsanwaltschaft dagegen "keine Beweise für die Anklage" vorgelegt. In mehrstündigen Einlassungen am vergangenen Montag und Mittwoch erklärten sie "es habe keine Verfolgung der Maya-Ixil als Maya-Ixil gegeben." Vielmehr habe die "Armee die Bevölkerung und den Staat Guatemala gegen illegale terroristische Gruppen verteidigt." Die Guerillagruppen seien "aus dem Ausland mit schweren Waffen versorgt worden."
Weiterhin versuchten die Anwältinnen, zuletzt am vergangenen Mittwoch mit einem sogenannten Amparo, einem Einspruchsverfahren bei vermeintlichen oder realen Verletzungen von Grundrechten, das Prozessende und die Urteilsverkündung zu verzögern. Jovita Tzul, Anwältin der Nebenklage, bezeichnete dies als "gesetzlich unzulässigen Versuch, Straffreiheit zu erreichen."
Mario Trejo, ebenfalls Anwalt der Nebenklage, äußerte gegenüber Medien die Befürchtung, mit diesen Taktiken könnte die Verteidigung den Prozess nicht nur verzögern, sondern auch ganz beenden. Er verwies darauf, dass Generalstaatsanwältin Consuelo Porras in der Vergangenheit mehrfach Staatsanwälte entlassen oder versetzt hatte, die in dem Völkermordprozess ermittelt hatten. Zuletzt wurden noch Anfang November Staatsanwälte versetzt, die in den Fall involviert waren.
Am Mittwoch wurde der Prozess nach einem Schwächeanfall der Richterin Lilian Patricia Ajcam zunächst unterbrochen und am Donnerstag für mehrere Tage vertagt.
Am heutigen Montag wolle der Vorsitzende Richter die Prozessbeteiligten über das weitere Vorgehen informieren, erklärten Vertreter der Nebenklage gegenüber amerika 21.