COP16 in Cali: Indigene, Afros, Kritik und kein Geld

Traditionelles Wissen der indigenen Völker für Umweltschutz anerkannt. Über Finanzierung der Vorschläge wird immer noch verhandelt. Soziale Bewegungen: Positive Bilanz ist Augenwischerei

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Cali war nicht nur der Ort des Gipfels, sondern auch der Kritik
Cali war nicht nur der Ort des Gipfels, sondern auch der Kritik

Cali. Heute endet in Cali der Biodiversitätsgipfel der Vereinten Nationen. In seiner Bilanz sprach UN-Generalsekretär António Guterres von "einer neuen Ära für ehrgeizige nationale Pläne zur biologischen Vielfalt".

Die Delegierten nahmen im Artikel 8J des Übereinkommens über die biologische Vielfalt einen Absatz auf, der das traditionelle Wissen der indigenen Völker anerkennt und es als nützliches Gut bei der Erarbeitung von Lösungen für die Pflege der Ökosysteme erachtet. Die Länder verpflichten sich, Mechanismen einzuführen, um die Beteiligung der indigenen Völker an der Planung von Maßnahmen zur nachhaltigen Nutzung der biologischen Ressourcen zu fördern. Die Vertragsparteien wollen die Sichtweise der indigenen Gemeinschaften auch in die Planung von Naturschutzgebieten einbeziehen.

Vor allem über die Finanzierung der Vorschläge wird aber immer noch verhandelt. Guterres versicherte, dass das Treffen in Cali nicht ohne eine Einigung über die finanzielle Nachhaltigkeit der Initiativen enden könne. Er dankte den Ländern, die in dieser Woche zusätzliche 163 Millionen US-Dollar zugesagt haben. Um einen "globalen Fonds für die biologische Vielfalt" ausreichend zu finanzieren, fehlten aber bis 2030 jährlich 200 Milliarden Dollar. Guterres will diese aus allen möglichen Quellen – national, international, öffentlich und privat – mobilisieren.

Die Umweltministerin und Gastgeberin der COP16, Susana Muhamad, gab bekannt, dass die Teilnahme die Erwartungen der Regierung weit übertroffen habe. "Wir haben einen historischen Rekord in der Grünen Zone der COP16 mit mehr als 527.000 Besuchern erreicht." Zudem sei die Beteiligung der indigenen Bevölkerung in diesem öffentlichen Teil des Gipfels sehr hoch gewesen. Sie folgerte: "Indigene Gemeinschaften und der Privatsektor waren so stark vertreten wie bei keiner vorhergehenden COP. Dies ist definitiv die COP der Menschen."

Auch Bürgermeister Alejandro Eder schloss sich der positiven Bilanz an: "Dies war ein großer Erfolg für unsere Stadt." Mehr als 15.000 Touristen seien nach Cali gekommen.

"Die Teilnahme hat unsere Erwartungen übertroffen", sagte auch Francisca Dilian Toro, Gouverneurin des Departamentos, und merkte an, dass die Veranstaltung, obwohl sie in nur acht Monaten organisiert wurde, Kolumbien weltweit bekannt gemacht habe.

Andere Stimmen bezeichnen diese positive Bilanz als Augenwischerei. Viele der Teilnehmer:innen waren nicht zu inhaltlichen Veranstaltungen der COP16 gekommen, sondern zu den Megakonzerten, die kostenlos stattfanden. In Kolumbien als Superstars gehandelte Künstler wie Rubén Blades füllten das Stadion.

Auch seitens indigener Gruppen gab es Kritik an der COP16.

Indigene aus Brasilien, Kolumbien, Peru, Bolivien, Ecuador, Venezuela, Guyana, Französisch-Guayana und Surinam gründeten am Samstag die "G9 des indigenen Amazonasgebiets". Diese "regionale Koalition" will den Druck auf Regierungen weltweit erhöhen, damit diese Maßnahmen zum Klimaschutz ergreifen. Die Amazonasvölker fordern Maßnahmen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt sowie die Achtung ihrer territorialen Rechte und eine "direkte Finanzierung, um sie für ihre Rolle als Hüter der Natur zu entschädigen". 80 Prozent des Amazonas-Regenwaldes seien dank des Schutzes durch Indigene erhalten geblieben. Diese seien jedoch weiterhin Verfolgung und Vernichtungsversuchen ausgesetzt.

Am Samstag besetzten rund 1.000 Wohnungslose ein Brachgelände in Cali, um dort ein neues Viertel zu gründen. Fast alle sind Indigene, die aufgrund von Gewalt und Mangel an natürlichen Ressourcen in ihren Gemeinden vertrieben worden sind. Ihre Hauptforderung ist die Übergabe von Landtiteln. Sara Muñoz, Menschenrechtsaktivistin der Organisation N-21, sagte gegenüber amerika21: "Viele Gebiete sind vom Einsatz von Quecksilber beim Goldabbau vergiftet, andere von Abwässern der Zuckerrohrindustrie. Die COP16 löst unsere Probleme nicht." Die Besetzer wurden von Polizei und Militär unter Einsatz von Tränengas vertrieben.

Auch die Afro-Organisation Prozesse der Schwarzen Gemeinschaften (Proceso De Comunidades Negras, PCN) kritisierte bei einer Veranstaltung die "Doppelmoral" der Gouverneurin und des Bürgermeisters und präsentierte eigene Forschungsergebnisse über die Auswirkungen der Zuckerrohrindustrie auf die Region. Mit der COP16 startete der PCN eine Kampagne unter dem Motto "Nicht alles, was grün ist, ist biodivers".

Viele alternative Veranstaltungen fanden unter dem Motto "BoiCop" statt. Im marginalisierten Stadtviertel Siloé hat eine Gruppe mit dem Namen "SiloCop" zu einem Karneval in der "Roten Zone der COP16" eingeladen und spielt damit auf die Grüne und Blaue Zone des Gipfels sowie auf die historische Einteilung des Landes in Gefahrenzonen an. Hunderte Kinder verkleidet als Teufel tanzten durch die Gassen des Viertels.

Die "CopDiverGente" lud zudem am Wochenende zu einem alternativen Gipfel ein, an dem über 100 Personen unterschiedlicher Organisationen und Nationalitäten teilnahmen, um Vorschläge gegen die Kommerzialisierung und den Verkauf natürlicher Ressourcen und der Biodiversität zu diskutieren. Anwalt Armando Palau, der für die Rechte der Wale im Pazifik kämpft, sagte gegenüber amerika21: "Kann eine Gesellschaft, der es an Solidarität mangelt und die das menschliche Leben und die natürliche Umwelt nicht respektiert, die von Hunger, Elend und der Zerstörung der Natur geprägt ist, 'Frieden mit der Natur' schließen?"

Auch die massive Militarisierung der Stadt wurde von vielen Organisationen in Frage gestellt. Gouverneurin Toro hingegen kündigte an, die temporär für das Großereignis herangezogenen Sicherheitskräfte von Polizei und Militär dauerhaft zu behalten. Sie hob die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Polizei, der Armee und der Luftwaffe hervor, die es den Teilnehmern ermöglicht habe, sich während der Veranstaltung sicher zu fühlen. Toro möchte 1.000 Uniformierte in Cali und weitere 1.000 im Departamento beibehalten.