Ecuador / Politik

Ecuador vor umstrittener Volksbefragung

Referendum soll Vorhaben der Regierung Noboa ermöglichen: Militarisierung der Inneren Sicherheit und Anerkennung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit bei der Weltbank

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Präsident Noboa hofft mit Volksbefragung Militarisierung und neoliberale Politik durchzusetzen
Präsident Noboa hofft mit Volksbefragung Militarisierung und neoliberale Politik durchzusetzen

Quito. Am 21. April sind die Wähler in Ecuador aufgerufen elf Fragen mit Ja oder Nein zu beantworten. Mit der Initiative versucht Präsident Daniel Noboa Änderungen an Gesetzen und an der Verfassung durchzusetzen. Offiziell hat die Kampagne für die Volksbefragung (consulta), die unter anderem um den Einsatz des Militärs im Inneren und um die Anerkennung der bei der Weltbank angegliederten internationalen Schiedsgerichtsbarkeit geht, am 7. April begonnen und endet am 18. April.

Das Referendum wird auch als Stimmungstest für Noboa verstanden. Kritiker bezeichnen seine Initiative als erratisch und unnötig, da sich die Fragen auch auf dem parlamentarischen Weg klären ließen. Ihm wird vorgeworfen, das Referendum als Sprungbrett für den Wahlkampf 2025 nutzen zu wollen. Angesichts der durch die neoliberalen Präsidenten Lenín Moreno und Guillermo Lasso hinterlassene grassierende Gewalt- und Drogenkriminalität, versucht sich Noboa seit seinem Amtsantritt durch hartes Durchgreifen zu profilieren.

Hierzu passt die Frage zur Verfassungsreform, bei der es um die Ausweitung des Einsatzes des Militärs im Inneren geht. "Sind Sie damit einverstanden, die ergänzende Unterstützung der Streitkräfte bei den Aufgaben der Nationalpolizei zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität durch eine teilweise Reform der Verfassung zu ermöglichen?" Der Einsatz des Militärs im Inneren ist unter bestimmten Bedingungen schon heute möglich. Mit der angestrebten Verfassungsänderung soll dies nun auch ohne Ausnahmezustand zulässig werden. Der Soziologe Augustín Burbano Lara warnt gegenüber Ecuadorinmediato davor, dass auch das Militär nicht vor einer Unterwanderung durch die organisierte Kriminalität gefeit sei, wenn es über länger Zeit Polizeiaufgaben übernimmt.

Vier weitere Verfassungsänderungen werden vorgeschlagen. Unter anderem sollen die Ecuadorianer darüber abstimmen, ob Gesetzes- und Verfassungsänderungen eingeleitet werden sollen, um die Auslieferung von ecuadorianischen Staatsbürgern ins Ausland zu erleichtern.

Weitere Fragen zielen auf die Umsetzung neoliberaler Maßnahmen ab. So werden die Wahlberechtigten gefragt, ob sie die Anerkennung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit als Methode zur Beilegung von Investitions-, Vertrags- oder Handelsstreitigkeiten befürworten. Progressive Kräfte in Ecuador stehen der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit kritisch gegenüber. Sie fürchten eine Einschränkung der nationalen Souveränität und eine Priorisierung der Interessen multinationaler Konzerne.

Juristische Auseinandersetzungen insbesondere mit Ölmultis hatten in der jüngeren Vergangenheit für Schlagzeilen gesorgt. Ein Beispiel ist der Rechtsstreit mit dem US-Ölkonzern Oxy. Anfang Oktober 2012 verurteilte das an die Weltbank angegliederte Internationale Zentrum zur Beilegung von Differenzen in Bezug auf Investitionen (CIADI) Ecuador zu Entschädigungszahlungen in Höhe von 1,7 Milliarden US-Dollar an Oxy, da die Regierung von Präsident Alfredo Palacio 2006 einen Vertrag mit dem Unternehmen gekündigt hatte. 2015 gelang es Ecuador, eine Senkung der Entschädigungssumme um 40 Prozent zu erreichen.

Aus Sicht der Regierung Noboa ist die Anerkennung der internationalen Strafgerichtsbarkeit mit ihren für Konzerne vorteilhaften Bedingungen hingegen ausschlaggebend, um internationale Investitionen nach Ecuador zu locken. Ganz im Sinne der Arbeitgeberseite ist auch die angestrebte Flexibilisierung des Arbeitsgesetzes, um Stundenverträge zu ermöglichen.

Unterstützung erhält Noboa von den rechtsgerichteten Parteien Construye und der Partido Social Cristiana, die sich beim nationalen Wahlrat für die Ja-Kampagne registriert haben. Auf der anderen Seite stellt sich die indigene Partei Pachakutik gegen alle Fragen, während sich die Partido Socialista, Unidad Popular, Unión Nacional de Educadores (UNE), Unión General de Trabajadores gegen Stundenarbeitsverträge und die internationale Schiedsgerichtsbarkeit wenden. Ohne offiziell für die Kampagne registriert zu sein, wenden sich auch der indigene Dachverband Conaie und die Revolución Ciudadana gegen die Volksbefragung Noboas.