Umfrage in Chile: Nur zehn Prozent für neuen Verfassungsentwurf

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Verfassungsrat im Plenum
Verfassungsrat im Plenum

Santiago. Eine Befragung der Firma Data Influye zeigt eine zunehmende Unzufriedenheit der Chilen:innen mit dem aktuellen verfassunggebenden Prozess. Demnach würden nur zehn Prozent der Wähler:innen für den Verfassungsentwurf stimmen, der am 17. Dezember in einem Referendum zur Abstimmung präsentiert wird. Der Entwurf wird derzeit vom Verfassungsrat ausgearbeitet, der sich mehrheitlich aus rückständigen politischen Kräften zusammensetzt.

50 Prozent der Befragten sprechen sich gegen den Verfassungsentwurf aus. Das sind 16 Prozentpunkte mehr als bei der letzten Umfrage. 30 Prozent wollen abwarten "was dabei herauskommt" und nur 10 Prozent würden dafür stimmen. Laut einer anderen Umfrage von Plaza Pública Cadem würden sogar 59 von 100 gegen den Verfassungstext stimmen.

Die ultrarechte Mehrheitsfraktion im Verfassungsrat, die Partido Republicano, hat mit Unterstützung der zweitstärksten Kraft, der rechten Allianz Chile Seguro, rückschrittliche Änderungen in den Entwurf der Expert:innenkommission eingebracht. Dieser wurde dem Verfassungsrat im Mai als Diskussionsgrundlage vorgelegt.

In seiner Überarbeitung des Grundentwurfs greift der Verfassungsrat das Recht auf Abtreibung an, fördert den verfassungsrechtlichen Status des privaten Rentenfondssystems und die Privatisierung des Gesundheits- und Bildungssystems. Ebenso richtet sich der neue Verfassungstext mit härterer Hand gegen illegale Einwanderer:innen.

Der neue Verfassungsentwurf "schützt das Leben dessen, der geboren wird". Dies würde das bereits verabschiedete Recht auf Abtreibung aus medizinischen Gründen oder wegen Vergewaltigung aushebeln und damit "die sexuellen und reproduktiven Rechte von Frauen und Mädchen" bedrohen, sagte Yerko Ljubetic vom Regierungsbündnis Frente Amplio.

Die Anwältin Antonia Rivas, Mitglied der Expertenkommission der Regierungskoalition, erinnerte daran, dass die rechten Kräfte "emphatisch betont hatten, dass sie das Abtreibungsgesetz abschaffen wollen. Sie haben es geschafft. Heute sind die Rechte von Mädchen und Frauen in Gefahr. Wir sind Zeugen einer moralisierenden und autoritären Verfassung", beklagte Rivas.

Die Abschaffung der Geschlechterparität in der Abgeordnetenkammer, deren Verkleinerung und die Einschränkung des Streikrechts sind weitere beschlossene Punkte des Verfassungsentwurfs.

Hinter seinem rückwärtsgewandten und neoliberalen Charakter verbirgt sich die Zusammensetzung seines Verfassers, des Verfassungsrates. Dessen Mitglieder wurden im Mai von der chilenischen Bevölkerung gewählt (amerika21 berichtete). Von den insgesamt 51 Sitzen haben die ultrarechten "Republicanos" 23 und das rechte Bündnis Chile Seguro elf. Damit verfügen sie über eine absolute Mehrheit. Die Parteien hinter der Regierung Boric verfügen über 16 Sitze.

Die frühere chilenische Präsidentin und heutige UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, sieht in den bisherigen Beschlüssen des Verfassungsrates "einen jahrzehntelangen Rückschritt bei den Sozial- und Arbeitsrechten sowie den individuellen Freiheiten".