Brasilien: Agrarreform soll Interessen von Frauen in der Landwirtschaft Vorrang geben

Etat für Frauen in ländlichen Gebieten erhöht. Konzept zur Ernährungssicherheit durch familiären Anbau und die Chance auf wirtschaftliche Autonomie für Frauen

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Brasiliens Präsident Lula bei der Bewegung der Landarbeiter:innen Marcha das Margaridas
Brasiliens Präsident Lula bei der Bewegung der Landarbeiter:innen Marcha das Margaridas

Brasília. Während der Abschlusszeremonie der Bewegung Marcha das Margaridas (Marsch der Margaridas) der Landarbeiter:innen hat Präsident Luiz Inácio Lula da Silva den Notfallplan zur Wiederaufnahme der Agrarreform angekündigt. Frauen in der Landwirtschaft soll beachtlich mehr Teilhabe zukommen.

Auf Twitter teilte Lula mit, es sei "eine große Freude, beim Marsch der Margaridas dabei zu sein und Maßnahmen für die wirtschaftliche Autonomie und produktive Einbeziehung der Landfrauen zu unterzeichnen".

Der Notfallplan sieht vor, die von Frauen geführten Familien besonders zu berücksichtigen und ihre Quote im Programm von fünf auf zehn Prozent zu erhöhen. Das Dekret verändert die bisherige Gesetzgebung des früheren Präsidenten Michel Temer von 2018.

Für die Unterstützung von Frauen in ländlichen Gebieten wird der Etat für technische Hilfe und Entwicklung um 13,5 Millionen Reais (circa 2,5 Millionen Euro) aufgestockt. Mit den finanziellen Mitteln soll eine agrarökologische Landwirtschaft ermöglicht werden, die sich auf die Erhaltung natürlicher Ressourcen, sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Tragfähigkeit konzentriert.

Zum Maßnahmenpaket gehört auch die Errichtung von 10.000 landwirtschaftlichen Gärten. Das Konzept soll neben der Gewährleistung von Ernährungssicherheit durch familiären Anbau ebenfalls Frauen die Chance auf wirtschaftliche Autonomie geben. Hierfür erhalten die Beteiligten die notwendige Ausstattung, die für die Bewirtschaftung der Gärten benötigt wird. Bis 2026 sollen brasilienweit 90.000 Gärten geschaffen werden.

Zudem strebt das Nationale Programm für Staatsbürgerschaft und gutes Leben für Landfrauen an, Landarbeiter:innen zu erfassen. Die Ausstellung von offiziellen Papieren ist der erste Schritt zur Vergabe von Landtiteln und erleichtert unter anderem den Zugang zu Krediten.

Um Diskriminierung, Frauenfeindlichkeit und geschlechtsspezifische Gewalt gegen Landarbeiter:innen zu verhindern, kündigte die Regierung den Nationalen Pakt zur Prävention von Femiziden an. Die 270 zum Einsatz kommenden mobilen Einheiten sollen bei der Aufnahme und Begleitung von Gewaltopfern helfen.

Márcio Macêdo, Minister des Generalsekretariats, äußerte sich zu der Gesetzesänderung und lobte die Maßnahmen. "Nie zuvor in der Geschichte Brasiliens gab es eine so umfassende Reaktion auf die Marcha das Margaridas und die Forderungen der Frauen in unserem Land."

Die Koordinatorin des diesjährigen Marsches und Frauenbeauftragte des Nationalen Verbandes der Landarbeiter:innen und bäuerlichen Familienbetriebe (Contag), Mazé Morais, beurteilte die Berücksichtigung ihrer Interessen von Seiten des Staates als sehr positiv: "Dies ist die Krönung der gesamten Mobilisierungsarbeit, die wir an der Basis geleistet haben. […] Unsere Agenda wurde gemeinsam mit dem [Marsch-]Komitee und verschiedenen Partnerorganisationen erstellt".

Das neue Gesetz zur Agrarreform verändert zusätzlich die allgemeinen Konditionen für landwirtschaftliche Kleinbetriebe. Das Nationale Landkreditprogramm soll mit einfachen Finanzierungsbedingungen 1.500 landlosen Familien helfen, Grundstücke zu erwerben.

Des Weiteren werden bis zu 5.711 neue Familien in das Agrarprogramm aufgenommen. Der Notfallplan soll nach Schätzungen des Ministerium für Agrarentwicklung und Familienlandwirtschaft zufolge insgesamt 45.700 Familien zugutekommen.

Die Förderung von Frauen in der Landwirtschaft sowie die erhöhten Investitionsvorhaben in Kleinbetriebe sind Teil des diesjährigen Ernteplans (amerika21 berichtete). Paulo Teixeira, Minister für Agrarentwicklung und Familienlandwirtschaft, kritisierte die Finanzpolitik der letzten Jahre. Der Rechnungshof hätte das Landreformprogramm blockiert, sodass die familiäre Landwirtschaft laut Teixeira acht Jahre keine Hilfemaßnahmen erhielt.

Die Marcha das Margaridas ist die größte soziale Bewegung von Landarbeiter:innen in Lateinamerika. Der zweitägige Marsch in der Hauptstadt fand zum siebten Mal unter dem Motto "Pela reconstrução do Brasil e pelo bem viver!" (Für den Wiederaufbau Brasiliens und für ein gutes Leben) statt. Mehr als 100.000 Frauen nahmen teil. Die Landarbeiter:innen setzen sich für partizipative Demokratie, wirtschaftliche Unabhängigkeit, Zugang zu Land, Bildung, Gesundheit und Internet sowie gegen sexualisierte und rassistische Gewalt ein.

Margarida Maria Alves (* 5. August 1933, † 12. August 1983) war Menschenrechtsverteidigerin und eine der ersten Frauen, die eine gewerkschaftliche Führungsposition in Brasilien innehatte. Heute wird sie als Symbol des Kampfs für die Gleichberechtigung von Frauen angesehen.