Goiás/Caruaru. Die brasilianische Landlosenbewegung MST hat zwei Ländereien in den Bundesstaaten Pernambuco und Goiás besetzt, um sie im Sinne der Agrarreform für diejenigen, die ohne Land sind, aber das Land bearbeiten wollen, zugänglich und nutzbar zu machen.
In Goiás besetzten am vergangenen Montag etwa 600 Familien der MST die Fazenda São Lukas in der Gemeinde Hidrolândia. Sie fordern, dass das Gebiet für die Agrarreform genutzt wird und dass die Bundesregierung die Situation von 3.000 Familien, die in Goiás in Erwartung auf Zugang zu Land in provisorischen Lagern kampieren, endlich reguliert.
Es ist bereits das zweite Mal, dass die MST das 678.588 Quadratmeter große Gelände besetzt: Am 25. März dieses Jahres geschah dies im Rahmen des Nationalen Tages des Kampfes der landlosen Frauen. Der Ort wurde wegen seiner Symbolkraft gewählt. Die Fazenda São Lukas war zuvor Ort sexueller Ausbeutung und des Menschenhandels. Während drei Jahren wurden dort Frauen gefangen gehalten. Nach Angaben der Bundespolizei gehörte das Grundstück einer kriminellen Gruppe von 18 Personen. Sie wurden 2009 verurteilt, weil sie Dutzende von Frauen und Jugendlichen, die in die Schweiz verschleppt worden waren, gefangen hielten. Seitdem war das Grundstück im Besitz des Bundes.
Bei der zweiten Besetzung in Pernambuco handelt es sich um die vormalige Fazenda Santa Terezinha, die laut den besetzenden 180 MST-Familien ab nun "Acampamento Jean Carlos" heißen soll. Die Fazenda war bereits im Aktionsmonat für Landbesetzungen und Agrarreform, dem sogenannten "roten April", besetzt worden. Nun erfolgte die Besetzung am 25. Juli zum zweiten Mal. Es handelt sich um 500 Hektar unproduktives Land in der Region Caruaru. Das Grundstück, das bei den Anwohner:innen als Bauernhof Djalma do Bonanza bekannt ist, gehört einer Familie von Politiker:innen und Unternehmer:innen, wurde aber bisher nicht produktiv für die Entwicklung der örtlichen Gemeinde und der Gesellschaft insgesamt genutzt, wie es die Gesetzgebung in Bezug auf die Sozialfunktion von Agrarflächen vorschreibt.
In einer Erklärung zur Besetzung betonte die Landlosenbewegung, die Aktion ziele darauf ab, das Areal für die Agrarreform zu beanspruchen, da es seine soziale Funktion nicht erfülle. "Wir als MST glauben, dass der Kampf um Land und die Konfrontation mit dem Großgrundbesitz auch eine der zentralen Aufgaben ist, um den Hunger zu bekämpfen und um Arbeitsplätze und Einkommen im Land zu schaffen", heißt es darin weiter.
Die Agrobusiness-freundliche Presse war schnell in ihrer Analyse: Diese "Invasionen" würden die parlamentarische Winterpause ausnutzen, um vollendete Tatsachen zu schaffen. Dies, weil die neue parlamentarische Untersuchungskommission (CPI) zur MST wegen der Parlamentsferien bis zum ersten August nicht tagt. Rechte Medien und Politiker:innen wie der Vorsitzende der CPI, Tenente Coronel Luciano Zucco, äußerten, "diese Invasionen" seien ein Affront.
Die Untersuchungskommission wurde vom mehrheitlich rechten Nationalkongress im Mai dieses Jahres eingesetzt und hat einen Arbeitsauftrag für die Dauer von 120 Tagen. Es soll laut Befürworter:innen um drei Fragen gehen: Was tut die Landlosenbewegung MST, was ist ihr "eigentlicher Zweck" und wer finanziert ihre Arbeit. Als Berichterstatter ernannten sie den vormaligen Umweltminister von Jair Bolsonaro, den ultrarechten Ricardo Salles. Im Juni 2021 war er vorzeitig vom Amt zurückgetreten, weil bekannt wurde, dass die Bundespolizei gegen ihn im Zusammenhang mit der illegalen Tropenholzmafia ermittelte.
Für die Landlosenbewegung ist das Ziel dieser Kommission offensichtlich: die MST soll als Organisation diffamiert und ihre Aktivist:innen kriminalisiert werden. Das gesellschaftliche Narrativ soll sich wieder mehrheitlich gegen die Landlosen richten.
Die CPI sei ein koordinierter Angriff auf die MST, sagt Ayala Ferreira von der Nationaldirektion der Landlosenbewegung. "Sehr wahrscheinlich wird die CPI versuchen, uns als terroristisch hinzustellen. Und wie nebenbei werden sie eine Flexibilisierung der Umweltgesetzgebung und eine weitere Liberalisierung der Agrargifte empfehlen, und all dies als großes Blendwerk nutzen, damit nur niemand auf die Idee kommt, das dahinter stehende Latifundien-Modell zu erkennen", so Ayala.