Regierung von Argentinien und IWF einigen sich über nächste Zahlungen

Verhandlungen zogen sich mehrere Monate hin. Kritik von linken und sozialen Organisationen, Wirtschaftsminister Massa zeigt sich zufrieden

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Sieht sich als erfolgreicher Verhandler mit dem IWF: Sergio Massa. Er will der Nachfolger von Präsident Fernández werden
Sieht sich als erfolgreicher Verhandler mit dem IWF: Sergio Massa. Er will der Nachfolger von Präsident Fernández werden

Buenos Aires. Argentinien hat sich mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über neue Modalitäten zur Rückzahlung seiner Schulden bis November dieses Jahres geeinigt. Beide Seiten gaben dies über ihre sozialen Netzwerke bekannt.

Wirtschaftsminister Sergio Massa äußerte sich auch in TV-Sendern und betonte, dass eine Lockerung der fiskalischen und monetären Beschränkungen erreicht worden sei.

Die Verhandlungen hatten sich über mehrere Monate hingezogen, zuletzt fanden bilaterale Zoom-Gespräche zwischen IWF-Direktorin Kristalina Georgieva und Massa statt. Dieser betonte, dass die Erwartungen auf argentinischer Seite "bei weitem erfüllt" worden seien.

Zusammengefasst wird Argentinien vom IWF einen Aufschub bis Anfang November bekommen, ohne dadurch in Zahlungsrückstand zu geraten. Zugleich wird das Land in der zweiten Augusthälfte vom IWF rund 7,5 Milliarden US-Dollar erhalten. Dies entspricht den für Juni und September geplanten Auszahlungen. Im November werde es dann die nächste Auszahlung geben.

Die "Dollarspritzen" sollen dem Land helfen, seine öffentlichen Ausgaben sowie die Rückzahlungen an den IWF aufrecht zu erhalten, ohne ein "kontrolliertes Haushaltsdefizit" von 1,9 Prozent zu überschreiten. Zusammen mit den Fälligkeiten im Juli und August muss Argentinien bis Ende Oktober rund sieben Milliarden Dollar an Schulden und Kreditzinsen zahlen. Für diese Zahlungen sollen unter anderem Überbrückungsoperationen mit der lateinamerikanischen Entwicklungsbank sowie die kürzlich erstmals erfolgte Begleichung in chinesischen Yuan statt des Dollars (amerika21 berichtete) erfolgen.

Insgesamt betrug die argentinische Auslandsschuld im März 2023 rund 276 Milliarden Dollar. Davon entfielen 148 Milliarden auf den Nationalstaat, der beim IWF mit rund 45 Milliarden in der Kreide steht. Gleichzeitig sanken die Devisenreserven der Zentralbank auf 36,5 Milliarden Dollar, dem niedrigsten Stand seit 2016. Die fiskalische Lage wird durch eine hohe Inflationsrate und kontinuierliche Abwertung des argentinischen Peso verschärft.

Mit der Einigung hofft Massa, der zugleich Kandidat der peronistischen Mitte-Links-Allianz "Unión por la Patria" für die Nachfolge von Präsident Alberto Fernández ist, dass Argentiniens Schuldendienst beim IWF kein Thema im Wahlkampf für die Gouverneurs- und Präsidentschaftswahlen am 22. und 29. Oktober sein wird.

Massa erläuterte, dass sich der IWF in den dreimonatigen Gesprächen lange schwer getan habe, das verheerende Ausmaß der vom El Niño-Phänomen verursachten Dürre anzuerkennen, die vor allem die landwirtschaftlichen Regionen in den vergangenen drei Jahren heimgesucht hat. Im Sommer 2022/23 lag die Agrarproduktion je nach Bereich und Erzeugnis um 30-45 Prozent unter dem (auch unterdurchschnittlichen) Ergebnis des Vorjahres. Dies führte zum Rückgang von Exporterlösen und Steuereinnahmen.

Das neue Abkommen soll den Wechselkurs stabilisieren, Dollar-Reserven schützen und die öffentlichen Ausgaben begrenzen.

Massa würdigte die "Unterstützung der US-Regierung" für den Abschluss und verkündete ein mit dem IWF abgestimmtes Maßnahmenbündel. Dazu gehören ein für agrarische Exportprodukte günstigerer Wechselkurs und eine deutliche Steuererhöhung für importierte Güter und Dienstleistungen, deren Erlöse in den Topf der von der Regierung Fernández eingeführten Solidaritäts- und Rentensteuer PAÍS (Impuesto Para una Argentina Inclusiva y Solidaria) gehen, die etwa beim Erwerb von Dollars anfällt.

"Es ist gut, dass die internationalen Organisationen auch die Klimafrage und ihre Auswirkungen auf die Agenda gesetzt haben", sagte Massa.

Die Verantwortung für die Schuldenmisere trage Fernandez´ Vorgänger Mauricio Macri (2014-2019), in dessen Amtszeit der "Rekordkredit" abgeschlossen wurde. Macri sei wie ein "spielsüchtiger Onkel mit Schulden in die Spielbank gegangen, habe verloren und sich auf Wucherbedingungen eingelassen". Die Umstände hatten immer wieder zu Kritik geführt. Auch der IWF räumte Fehler bei der Kreditvergabe ein und war 2022 nach Verhandlungen mit der Regierung Fernández zu einer Umstrukturierung bereit.

Linksparteien und soziale Bewegungen kritisieren die Einigung. Massa habe die "Rezepte des IWF" umfassend befolgt und sich als Wahlkämpfer profiliert, ohne auf die Folgen und das Kleingedruckte zu achten. Aufgrund der reduzierten öffentlichen Subventionen seien die Preise von Energie, Transport und anderen Dienstleistungen in seiner Amtszeit weit stärker als die durchschnittliche Inflationsrate gestiegen. Auch die Rentenanpassung halte mit der realen Preisentwicklung nicht mit, die offizielle Mindestrente von umgerechnet rund 290 Euro liegt nach Angaben der staatlichen "Fürsprachestelle der Stadt Buenos Aires für das dritte Lebensalter" unter den Kosten für einen monatlichen Lebensmittelkorb.

Auch die wirtschaftlichen Aussichten für das Land sind weiter bescheiden: Nach IWF-Prognose wird die Wirtschaft im Jahr 2023 um 2,5 Prozent schrumpfen und eine Inflationsrate von 120 Prozent erreicht werden. Erst für 2024 wird ein Wachstum von 2,8 Prozent erwartet.