Mexiko: Neue Entwicklungen im Fall Ayotzinapa

Hochrangiger Militär festgenommen. Angehörige der Verschwundenen fordern weitere Verhaftungen

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"Es macht uns wütend, dass sie frei herum laufen, als wäre nichts passiert. Und unsere Kinder? Wo sind sie?“
"Es macht uns wütend, dass sie frei herum laufen, als wäre nichts passiert. Und unsere Kinder? Wo sind sie?“

Mexiko-Stadt. Ein Bundesrichter hat den Hauptverdächtigen wegen der Entführung von 43 Studenten aus Ayotzinapa freigesprochen. Er bleibt trotzdem wegen anderen Anklagen im Gefängnis. Der ehemalige Bürgermeister von Iguala im Bundesstaat Guerrero, José Luis Abarca, war zuvor verdächtigt worden, in der Nacht des 26. September 2014 das Verschwinden der Studenten der Normal Rural Raúl Isidro Burgos von Ayotzinapa in Iguala angeordnet zu haben.

Abarca und seine Frau sitzen seit fast acht Jahren wegen organisierter Kriminalität und Mordes in Haft, da sie mit der kriminellen Gruppe Guerreros Unidos und dem Massaker an den 43 Studenten aus Ayotzinapa in Verbindung gebracht wurden.

Nun gab es neue Entwicklungen. Mexikanische Behörden haben den pensionierten General José Rodríguez festgenommen. Rodríguez war im September 2014, als die Studenten aus Ayotzinapa entführt wurden, Kommandeur des 27. Infanteriebataillons von Iguala. Rodríguez hat sich der Justiz gestellt und ist in das Militärgefängnis in Mexiko-Stadt gebracht worden. Insgesamt liegen vier Haftbefehle gegen Angehörige des Militärs vor, von denen zwei weitere vollstreckt worden sein sollen.

Weder die Generalstaatsanwaltschaft (FGR) noch das Verteidigungsministerium (Sedena) haben offiziell über die Verhaftung des Generals oder der anderen beiden Personen berichtet.

Rodríguez ist der ranghöchste Militäroffizier, der in diesem Fall verhaftet wurde, und das zu einem heiklen Zeitpunkt in Mexiko, angesichts der Debatte über den Einsatz der Armee für Aufgaben der öffentlichen Sicherheit und ihrer wachsenden Macht in der derzeitigen Regierung.

Bislang war der einzige militärische Gefangene, der mit dem Fall Ayotzinapa in Verbindung gebracht wurde, der Offizier Crespo.

Ende August hatte der Unterstaatssekretär Alejandro Encinas Rodríguez auf einer Pressekonferenz im Präsidentenpalast in Mexiko-Stadt bekannt gegeben, dass ranghohe Militärs direkt für die Repression gegen die Studenten von Ayotzinapa in Iguala im September 2014 mitverantwortlich waren (amerika21 berichtete). Encinas ist Vorsitzender der Wahrheitskommission zum Fall Ayotzinapa (Covaj), die Präsident Andrés Manuel López Obrador 2019 per Dekret einsetzte.

Der damalige Oberst José Rodríguez Pérez, zur Zeit der Ereignisse Kommandeur der 27. Infanteriebrigade mit Sitz in Iguala, ordnete laut Encinas die Hinrichtung und das Verschwindenlassen von sechs Studenten aus Ayotzinapa an, die zu den 43 Verschwundenen gehörten. Diese sechs jungen Männer sind laut der Wahrheitskommission noch Tage nach der Nacht der geballten Repression von Polizei, Mafias und Militär vom 26. auf den 27. September 2014 am Leben gewesen.

Im August hat ein mexikanisches Gericht 83 Haftbefehle gegen mutmaßliche Täter im Fall der Verschwundenen von Ayotzinapa ausgestellt. Darunter befanden sich 20 Militärangehörige.

Die Ausstellung der Haftbefehle erfolgte einen Tag nachdem die Wahrheitskommission einen Bericht vorlegte, in dem sie zu dem Schluss kommt, dass das Verschwinden der Jugendlichen ein "staatliches Verbrechen war, an dem Mitglieder der kriminellen Gruppe Guerreros Unidos und Vertreter verschiedener Institutionen beteiligt waren".

Seit 2014 kommt es immer wieder zu Demonstrationen, auf denen Angehörige der Verschwundenen Aufklärung fordern. Am vergangenen Dienstag warfen Mitglieder der Föderation der Sozialistischen Bauernstudenten Mexikos (FECSM) Feuerwerkskörper auf die Einrichtungen der 35. Militärzone in Chilpancingo in Guerrero und benutzten einen Lastwagen als Rammbock, um den Eingang zum Militärhauptquartier zu öffnen. Auch Eltern und Verwandte der Verschwundenen nahmen an dem Protest teil.

Diese haben ebenso die Autobahn der Sonne, die Mexiko-Stadt und Acapulco verbindet, blockiert. Sie klagten dabei, dass zu dem Zeitpunkt nur eine der 83 angeordneten Verhaftungen durchgeführt wurde, nämlich die des Ex-Generalstaatsanwalts Jesús Murillo Karam. "Wir wollen aber, dass sie alle Verantwortlichen festnehmen. Es macht uns wütend, dass sie frei herum laufen, als wäre nichts passiert. Und unsere Kinder? Wo sind sie?"