Ecuador / Politik

Einigung in Ecuador zwischen Protestierenden und Regierung

10-Punkte-Plan wurde unter Vermittlung der Bischofskonferenz vereinbart. Indigene Bewegung beendet Mobilisierung. Für die nächsten 90 Tage wird ein Dialogtisch eingesetzt

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In der Mitte im roten Poncho: Conaie Präsident Leonidas Iza
In der Mitte im roten Poncho: Conaie Präsident Leonidas Iza

Quito. Nach 18 Tagen sind die von der Indigenenbewegung angeführten Proteste gegen die Regierung von Präsident Guillermo Lasso in Ecuador beendet. Leonidas Iza, Präsident der Konföderation der indigenen Nationalitäten Ecuadors (Conaie) und der Regierungsvertreter Francisco Jiménez unterzeichneten am Donnerstag ein Abkommen mit verschiedenen Zugeständnissen. Die Verhandlungen, die zwischenzeitlich unterbrochen wurden, fanden am Sitz der ecuadorianischen Bischofskonferenz statt, die zwischen den beiden Konfliktparteien vermittelte.

Vom 13. bis zum 30. Juni kam es in weiten Teilen des Landes zu massiven Demonstrationen und Straßenblockaden, insbesondere in den mehrheitlich von Indigenen bevölkerten Provinzen Cotopaxi, Imbabura und Pichincha mit der Hauptstadt Quito (amerika21 berichtete). Dabei starben sechs Personen, mehrere Hundert wurden verletzt. Am 17. Juni verhängte Lasso den Ausnahmezustand, der nächtliche Ausgangssperren, Versammlungsverbote und den möglichen Einsatz des Militärs beinhaltete. Auch Gewerkschaften und Studierende schlossen sich den Protesten an.

Die zehn zentralen Forderungen der Protestierenden beziehen sich insbesondere auf die Verbesserung der für große Teile der Gesellschaft prekären Lebensbedingungen. Zu den Forderungen gehören eine Subvention auf Kraftstoffpreise, der die Regierung mit einer sofortigen Senkung um 15 US-Cents nachkam, sowie eine Senkung der Lebensmittelpreise. Für letztere sollen nun Kontrollen eingeführt werden, um Spekulation zu verhindern. Auf dem Weg zur Aufhebung des Ausnahmezustandes beendet ein Regierungsdekret erst einmal nur die Ausgangssperren in den betroffenen Provinzen, so die Zeitung El Comercio.

Das Regierungsdekret 95 zur Erdölpolitik wird aufgehoben, und das Dekret 151 zum Bergbausektor reformiert. Der "Aktionsplan für den Bergbausektor" soll künftig enthalten, dass in indigenen, in als immateriell deklarierten oder archäologischen Gebieten sowie in Wasserschutzgebieten kein Bergbau betrieben werden darf. Die Anwendung der Übereinkommens der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zur freien, vorherigen und informierten Befragung von indigenen Bevölkerungen, die von Ressourcenabbau betroffen sind, soll gewährleistet werden.

Im Gegenzug für die Zugeständnisse erklären die indigenen Organisationen in einer Pressemitteilung "die Einstellung der Mobilisierungen im ganzen Land und die schrittweise Rückkehr in ihre Gebiete sowie die Aussetzung aller Handlungen, die den Frieden und die öffentliche Ordnung beeinträchtigen könnten." Dazu schreibt Conaie auf Twitter: "Die Indigene Bewegung betrachtet die erste Etappe des nationalen Streiks in Ecuador offiziell als beendet, da sie Ergebnisse und Fortschritte bei den vorrangigen Themen der nationalen Agenda erzielt hat." Sie kritisiert die Kriminalisierung von Aktivist:innen und die Abwesenheit von Lasso bei den Verhandlungen.

Beispielsweise führte die zwischenzeitliche Verhaftung von Leonidas Iza (amerika21 berichtete) und die polizeiliche Besetzung des Hauses der Kulturen in Quito, ein historischer Versammlungs- und Entscheidungsort der Völker und Nationalitäten, zu einer Intensivierung der Proteste. Der kubanischen Nachrichtenagentur Prensa Latina zufolge sorgten Gruppen, die die Demonstrationen infiltrierten, für Unruhen und waren für Gewalttaten verantwortlich, von denen sich die indigene Bewegung und ihre Führer distanzierten, und dennoch von den Behörden als Schuldige gebrandmarkt wurden.

Verónica Bustamante, Botschafterin Ecuadors in Deutschland, die sich bereits am 17. Juni in einem Schreiben an amerika21 gewandt hatte, übermittelte einen Tag nach der Einigung die offizielle Pressemitteilung des Außenministeriums von Ecuador. Die Vereinbarung mit der Protestbewegung wird darin als Friedensabkommen bezeichnet. Außenminister Juan Carlos Holguín wird mit den Worten zitiert, der Tag des Abkommens sei "ein Tag des Friedens und ein Moment, um darüber nachzudenken, dass es nur gemeinsam und im Dialog möglich sein wird, ein Ecuador aufzubauen, das den Bedürfnissen aller gerecht wird.“

Die Regierung hat sich verpflichtet, die übrigen Vereinbarungen innerhalb der nächsten 90 Tage einzuhalten und weiterzuverfolgen. Während dieser Zeitspanne soll ein Dialogtisch zur Umsetzung und Klärung offener Fragen eingerichtet werden. Für den Fall, dass sie nicht erfüllt werden, hat die indigene Bewegung erneute Proteste angekündigt.

Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte Ecuadors, dass es die indigene Bewegung mit der Unterstützung breiter Bevölkerungsschichten schafft, ihre Forderungen nach mehr sozialer Gerechtigkeit gegenüber der Regierung durchzusetzen.