Kolumbien / Politik

Wahlen in Kolumbien: Großer Erfolg für progressives Bündnis "Pacto Histórico"

Pacto Histórico hinter Liberaler Partei zweitstärkste Kraft im Parlament. Petro ruft zu breiter Allianz für Präsidentschaftswahlen im Mai auf

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Circa 5,5 Millionen Kolumbianer:innen nahmen an der Präsidentschaftsvorwahl des "Pacto Histórico" teil.
Circa 5,5 Millionen Kolumbianer:innen nahmen an der Präsidentschaftsvorwahl des "Pacto Histórico" teil.

Bogotá. Zum ersten Mal in der Geschichte Kolumbiens steht ein progressives Bündnis unter den Meistgewählten im Zweikammerparlament. Der "Pacto Histórico" (PH) ist nun hinter der Liberalen Partei die zweitstärkste Kraft im Kongress.

Auch bei den drei gestrigen Präsidentschaftsvorwahlen hatte das Bündnis sehr gute Ergebnisse. Rund 5,5 Millionen Kolumbianer:innen nahmen an dieser Abstimmung teil und wählten mit knapp 4,5 Millionen Stimmen den linken Senator Gustavo Petro zum endgültigen Präsidentschaftskandidaten des PH. Die Präsidentschaftswahl findet am 29. Mail statt.

Die zweiterfolgreichste Vorwahl führte das rechte Bündnis "Equipo por Colombia" (Team für Kolumbien) durch. Fast vier Millionen Wahlberechtigte haben sich daran beteiligt und den Ex-Bürgermeister von Medellín, Federico Gutiérrez, mit 2,1 Millionen Stimmen zum aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten der rechten Kräfte gemacht. Am wenigsten erfolgreich war die Vorwahl der neoliberalen, konservativen Mitte, der "Coalición Centro Esperanza" (Koalition der Hoffnung), die 2,1 Millionen Teilnehmer:innen hatte. Ihr Kandidat ist nun der Medelliner Sergio Fajardo, für den 700.000 Menschen stimmten. Jede wahlberechtigte Person durfte nur an einer der drei Vorwahlen teilnehmen.

Besonders bemerkenswert bei den Vorwahlen war das gute Ergebnis der Vertreterin der Partei Polo Democrático (PD), Francia Márquez. Sie wurde mit knapp 790.000 Stimmen hinter Petro die meistgewählte Vorkandidatin des "Pacto Histórico" und soll nun Vizepräsidentin werden. Die afrokolumbianische Aktivistin bekam mehr Stimmen als Fajardo und als der zweitmeistgewählte Vorkandidat des "Equipo Colombia", Álex Char. Char gehört zu einem mächtigen, korrupten politischen Clan der karibischen Küste.

Die Beteiligung an den Kongresswahlen lag wie im Jahr 2018 unter 50 Prozent: Nur 45,8 Prozent der circa 39 Millionen Wahlberechtigte haben Abgeordnete und Senatoren gewählt. Und obwohl der "Pacto Histórico" die Nase vorn hat, bleibt die Mehrheit der Kongresssitze in den Händen der traditionellen Parteien.

Laut den Zwischenergebnissen bekäme die Liberale Partei im Kongress 47 Sitze, gefolgt vom "Pacto Histórico" und der Partido Conservador mit jeweils 41 Sitzen. Von den 102 Sitzen im Senat erhielt der "Pacto Histórico" 16, so wie die Konservative Partei auch. Die Liberale Partei folgt ihnen mit 15, die Grünen mit 14 und das ultrarechte Centro Democrático, die bisherige Regierunspartei von Iván Duque, mit 14 Sitzen.

Im Repräsentantenhaus wird die Liberale Partei zur stärksten Fraktion mit 32 Abgeordneten. Der "Pacto Histórico" und die Konservative Partei bekämen jeweils 25 Sitze und das Centro Democrático 16. Die Grüne Partei steht an sechster Stelle mit 11 Sitzen. Insgesamt ziehen 165 Abgeordnete in das Repräsentantenhaus ein.

Bei seiner Rede gestern Abend bezeichnete Petro die Wahlergebnisse als "historisch" für die Progressiven. "Wir sind kurz davor, die Präsidentschaftswahlen im ersten Wahlgang zu gewinnen." Dafür sei wichtig, ein noch breiteres demokratisches Bündnis zu schließen. Politische Kräfte wie die Grünen oder die Liberale Partei seien dazu eingeladen. Nur "Korrupte und Massenmörder" passten nicht rein, sagte der 61-jährige Ex-Bürgermeister von Bogotá.

In Medellín und Cali gab es aufgrund der massiven Wahlbeteiligung lange Staus vor den Wahllokalen. Ein Wähler in Cali sagte gegenüber amerika21: "Wir haben endlich gelernt, dass die Wahlen für Senat und Kongress wichtig sind. Vor vier Jahren wusste die Mehrheit der Kolumbianer:innen nicht einmal, was der Unterschied ist. Dank des massiven Erfolgs von Petro und seinem Bündnis Colombia Humana haben alle Parteien verstärkt auf Information über das demokratische System gesetzt und so zur Stimmabgabe motiviert."

Neu bei den gestrigen Wahlen waren 16 Sondersitze, die im Repräsentantenhaus für die Opfer des Konflikts reserviert und Teil des Friedensvertrags zwischen der Regierung und der Ex-Farc-Guerilla sind. Keine Partei- oder Bündnisvertreter:innen dürfen sich in den jeweiligen 16 Zonen wählen lassen.

Die Wahlbeobachtungsmissionen der Europäischen Union und der Gewerkschaftsföderation Uni Global Union haben jedoch im Vorfeld darauf hingewiesen, dass die Bevölkerung der 16 Zonen keine Wahlgarantien habe. Menschenrechtsorganisationen hatten angeprangert, dass lokale mafiöse Familien für die Sondersitze kandidierten und Konkurrent:innen drangsalierten. Ein Beispiel ist Jorge Rodrigo Tovar, Sohn des inhaftierten Paramilitärs "Jorge 40". Tovar ist momentan dabei, die Wahl der 12. Sonderzone zu gewinnen. Die endgültigen Ergebnisse zu den 16 Sondersitzen liegen noch nicht vor.

Nach einigen Tagen der Ruhe im ganzen Land wurde am Wahltag von einigen Unruhen berichtet.

Bereits drei Tage vor der Wahl und während des Vormittags der Wahl kollabierten ständig die Seiten der Wahlbehörde, so dass die Bürger:innen nicht wussten, ob sie als Wahlhelfer beordert würden. Diese Pflicht wird nach einem Losverfahren unter allen Mitarbeiter:innen im öffentlichen Sektor vergeben. Zudem konnten viele Bürger:innen nicht einsehen, wo sie wählen mussten. Diese Probleme waren laut Polizei nicht auf einen Hacker-Angriff, sondern auf einen Systemfehler zurückzuführen. Die Probleme seien gegen Mittag behoben worden.

Gegen Mittag meldeten die Streitkräfte dann zwei Angriffe mit Sprengstoff in Meta und Caquetá, bei denen zwei Soldaten getötet und zwei weitere verwundet wurden. Die Urheber der Angriffe waren noch nicht bekannt.

20 Personen waren im Laufe des Tages wegen Wahlbetrugs und Stimmkaufs verhaftet wurden. So wurden zwei Personen von der Polizei in Bucaramanga festgenommen, die nach Angaben der Gemeinde in der Nähe des Wahllokals Wahlwerbung verteilten und Bargeld gegen Vorlage eines Selfies mit Stimmzettel bezahlten.

Im Departamento del Cauca war ein Wahllokal wegen Drohungen geschlossen und erst Stunden später wiedereröffnet worden. Nach Angaben der Wahlbeobachtungsmission gab es im Cauca 31 gewaltgefährdete Gemeinden, davon neun mit einem extremen Risikoindex.

Dutzende von Menschen aus Aguada de Pablo, einem Dorf an der Karibik, protestierten gegen die "staatliche Vernachlässigung". Sie blockierten sogar zeitweise die Eingänge zu den Wahllokalen. Straßenblockaden gab es auch in der Karibikmetropole Santa Marta.