Kolumbien / Politik

Wahlen zum Kongress in Kolumbien entscheidend für die nächste Präsidentschaft

Verteilung der Abgeordnetensitze könnte "letztlich das wirtschaftliche, politische und soziale Modell des Landes bestimmen"

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Petro in Barranquilla. Nicht nur in Umfragen, auch in der Wahlkampagne zeichnen sich die Chancen eines Wandels in Kolumbien ab
Petro in Barranquilla. Nicht nur in Umfragen, auch in der Wahlkampagne zeichnen sich die Chancen eines Wandels in Kolumbien ab

Bogotá. Am kommenden Sonntag entscheidet die Wählerschaft von Kolumbien über die Zusammensetzung des Kongresses für die nächste Legislaturperiode. Für im Ausland lebende Kolumbianer ist die Stimmabgabe bereits seit vergangenem Montag möglich.

Dem politischen Block der traditionellen Eliten Kolumbiens stehen die Bündnisse des progressiven Historischen Pakts (Pacto Histórico) und das eher in der politischen Mitte zu verortende Zentrum der Hoffnung (Centro Esperanza) entgegen. Der wahrscheinliche Kandidat des Pacto Histórico für die Präsidentschaftswahlen am 29. Mai, Gustavo Petro, führt seit Monaten in Umfragen vor allen anderen Kandidaten.

Die Basis einer möglichen Regierung Petro im Kongress, die zwei Koalitionen Pacto Histórico und Centro Esperanza, nehmen derzeit zusammen jedoch lediglich 20 Prozent der Sitze ein. Die Kongresswahlen werden deswegen eine Vorentscheidung darüber sein, ob Petro im Falle eines Wahlsiegs sein sozialreformerisches Programm umsetzen kann.

Laut dem politischen Analysten und Leiter der traditionsreichen Zeitschrift Revista Sur, Pedro Santana Rodríguez, "ist die politische Zusammensetzung des kolumbianischen Kongresses entscheidend für das Erreichen der Veränderungen und Transformationen, die das Land benötigt". Dies hätten sowohl die politischen Kräfte verstanden, die einen grundlegenden Wandel im sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bereich vorschlagen, als auch diejenigen, die sich dem widersetzen und für die Beibehaltung der alten Verhältnisse eintreten, so Rodríguez.

Rodríguez zitiert Germán Vargas Lleras als einen "Mann der extremen Rechten" und als einen "der auffälligsten Vertreter dieser traditionellen konservativen Elite". Dieser schrieb kürzlich: "Es gibt praktisch kein wichtiges Thema, das nicht mit Entscheidungen der gesetzgebenden Körperschaft verbunden ist." Er rief dazu auf, "gerade jetzt die Parteien zu fördern und zu stärken, die seit Jahrzehnten die institutionelle Stabilität in diesem Land garantieren". Die Kongresswahlen würden "letztlich das wirtschaftliche, politische und soziale Modell des Landes bestimmen". Auf der anderen Seite des politischen Spektrums steht das Angebot von Petro und seinem Wahlbündnis Pacto Histórico. Nach Meinung von Rodríguez war es richtig, dass Petro von Beginn seiner Wahlkampagne an die Botschaft vermittelt habe, dass es für die Veränderungen und Reformen, die das Land braucht, notwendig ist, die derzeitige Zusammensetzung des Kongresses zu ändern. Es reiche nicht aus, die Präsidentschaft der Republik zu gewinnen.

Kolumbien ist in Lateinamerika das für politisch und sozial Aktive gefährlichste Land. Woche für Woche wird die Liste ermordeter Aktivisten sozialer Bewegungen und demobilisierter Guerilleros länger. Die extreme soziale Spaltung der Gesellschaft hat sich im vergangenen Jahr weiter vergrößert. Seit mehreren Jahren anhaltende Proteste gipfelten zuletzt in einem Generalstreik, der Ende April vergangenen Jahres begann. Das Streikkomitee forderte vom Kongress die Annahme von konkreten Gesetzesvorschlägen zugunsten der Armen. Die Regierung unter dem amtierenden Präsidenten Iván Duque trat den breiten Protesten mit scharfer Repression entgegen.

In den Kongress, das Parlament des Landes, werden 167 Abgeordnete für die Wahlkreise der Departamentos, ein Wahlkreis für die im Ausland lebenden Kolumbianer, ein weiterer für die afrokolumbianischen und ein weiterer für die indigenen Gemeinden gewählt. Darüber hinaus werden weitere 16 Vertreter nach Regeln gewählt, die mit dem Friedensvertrag von 2016 zwischen der Farc-EP-Guerilla und dem kolumbianischen Staat zusammenhängen.