Pandora Papers in Lateinamerika: wer taucht auf, gegen wen wird ermittelt?

Amtierende Präsidenten von Ecuador und Chile besonders im Fokus. Auch gegen Wirtschaftsminister von Brasilien laufen Ermittlungen

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Zwei aktuelle Präsidenten, die wegen der Pandora Papers nun einiges zu erklären haben: Sebastián Piñera (Chile, links) und Guillermo Lasso (Ecuador)
Zwei aktuelle Präsidenten, die wegen der Pandora Papers nun einiges zu erklären haben: Sebastián Piñera (Chile, links) und Guillermo Lasso (Ecuador)

Santiago et. al. Die Enthüllungen der sogenannten "Pandora Papers" betreffen auch viele lateinamerikanischen Länder und dabei amtierende Präsidenten wie Sebastían Piñera (Chile), Guillermo Lasso (Ecuador) und Luis Abinader (Dominikanische Republik). Aber auch frühere Präsidenten oder aktuelle Regierungsmitglieder wie der brasilianische Wirtschaftsminister oder der mexikanische Kommunikationsminister müssen sich erklären.

Ein Rechercheverbund hatte am Sonntag Unterlagen veröffentlicht, wonach weltweit Hunderte Politiker Geld in Steueroasen liegen haben. Dabei handelt es sich um mehr als 330 Politiker und Amtsträger aus fast 100 Ländern, darunter 35 amtierende und frühere Staatschefs.

Dem aktuellen Präsidenten von Ecuador, Guillermo Lasso, konnte durch die Enthüllungen die Nutzung von 14 verschiedenen Finanzunternehmen (Offshore-Firmen) in den USA und Panama nachgewiesen werden. Elf davon sollen derzeit allerdings inaktiv sein, zu den drei anderen Unternehmen bestritt der Präsident jegliche Beziehungen oder dadurch Vorteile zu haben.

Brisant ist in dem Zusammenhang, dass nach einem Referendum vom Februar 2017 politischen Funktionsträgern in Ecuador nicht mehr erlaubt ist, Geld in Steuerparadiesen zu haben. Lasso erklärte nun, er habe sich immer an ecuadorianisches Recht gehalten.

Ende 2017 jedoch, etwa drei Monate nachdem das ecuadorianische Parlament das entsprechende Gesetz erlassen hatte, waren in South Dakota in den USA zwei Trusts gegründet worden (Liberty Trust und Bretten Trust), auf die die Anteile der meisten von Lasso angeblich aufgelösten Unternehmen überschrieben wurde. In Bezug auf diese Treuhandgesellschaften verteidigte er sich nun: "Ich habe keinerlei Besitz, Kontrolle, Nutzen oder Interesse an diesen Einrichtungen". Aus den in den Pandora Papers enthaltenen Dokumenten soll nicht hervorgehen, wer die Begünstigten der Trusts sind. Sollte Lasso allerdings noch immer Verbindungen zu dem Geld haben, könnte es ungemütlich für ihn werden.

Wie die Süddeutsche Zeitung (SZ), die an den Enthüllungen direkt beteiligt war, in dieser Woche berichtete, hatte Lasso für die Konten in South Dakota keine Adresse in Ecuador, sondern in Florida, USA, angegeben. Mit diesem "Umzug" nach South Dakota war Lasso laut SZ in gewisser Weise auch Vorreiter für andere, die nach den Enthüllungen "Panama Papers" ihre Gelder aus Steueroasen in den US-Bundesstaat brachten.

Die für Steuerfragen zuständige Kommission im ecuadorianischen Parlament kündigte bereits am Montag Untersuchungen gegen Lasso an.

Auch in Chile ist der Präsident von den Enthüllungen betroffen. Im Wesentlichen geht es um das Bergbauprojekt Mina Dominga (amerika21 berichtete) an dem Präsident Piñera beteiligt war. Im Zusammenhang mit seiner ersten Wahl zum Präsidenten im Jahr 2010 sollen er und seine Familie die Verwaltung aller Geschäfte an eine Treuhandfirma übergeben haben, um Interessenskonflikte mit seinem Amt zu vermeiden. So jedenfalls erklärte sich der Präsident vor laufenden Kameras am Montagnachmittag.

Die Zahlung der letzten Rate wäre jedoch daran geknüpft gewesen, dass das Gebiet nicht zum Naturschutzgebiet erklärt würde. Dies wäre in die Amtszeit von Piñera gefallen, blieb aber schlussendlich aus.

Der Verkauf wurde über verschiedene Firmen getätigt, die von Bancard, der Investment Holding der Familie Piñera, verwaltet werden. Im Laufe einer Umstrukturierung wurde "Odisea" gegründet, die ihrerseits Bancard kontrolliert. Gleichzeitig existiert mit "Bancard Investment Inc." auf den Britischen Jungferninseln eine Firma für Offshore-Geschäfte. Es besteht also ein weitverzweigtes Firmengeflecht, das bisher alles andere als durchschaubar ist.

Diese führte nun bereits dazu, dass alle Parteien und Präsidentschaftskandidaten in Chile unisono steuerliche und juristische Ermittlungen fordern. Der Oberstaatsanwalt und das Finanzamt haben schon eigene Untersuchungen angekündigt.

Auch die parlamentarische Opposition konnte sich mittlerweile darauf verständigen, eine Verfassungsklage gegen den Präsidenten einzureichen.

Der brasilianische Wirtschaftsminister Paulo Guedes sagte indes am Dienstag dem Obersten Gerichtshofs zu, mit Ermittlern vollumfänglich zusammenarbeiten zu wollen. Er erhofft sich dadurch laut eigener Aussage den Beweis seiner Unschuld. Die ersten Ermittlungen der brasilianischen Generalstaatsanwaltschaft (PGR) sollen bisher allerdings nicht darauf hindeuten, dass Guedes eine Straftat begangen hat.

Seine Anwälte hatten erklärt, Guedes habe sich im Jahr 2018 aus der Verwaltung des Offshore-Investmentvehikels Dreadnoughts zurückgezogen und auf jegliche Beteiligung an den finanziellen Entscheidungen des Unternehmens verzichtet. Der Minister habe zudem seit der Übernahme des Ministerpostens kein Geld mehr ins Ausland transferiert.

In Kolumbien sind von den Datenenthüllungen unter anderem die ehemaligen Präsidenten César Gaviria (1990-1994) und Andrés Pastrana (1998-2002) betroffen. Gaviria soll im Jahr 2010 zusammen mit einem seiner Brüder und anderen Partnern ein Unternehmen in Panama gegründet haben, um darüber Einfluss auf ein kolumbianisches Unternehmen zu nehmen, das im Kohlenwasserstoffsektor tätig ist.

Im Fall von Pastrana zeigt die Untersuchung, dass es ihm gelang, die Offshore-Firma Vanguard Investment Inc. in Panama zunächst anonym zu halten und einen Teil seines Familienvermögens von dort aus zu verwalten. Soweit war ein legaler Rahmen laut kolumbianischem Recht gegeben, da Pastrana bis dahin nicht anonym handelte, weil er als Eigentümer an seinem Wohnsitz gemeldet war. 2016 wurde jedoch beantragt, die Gelder der Firma in Panama mit einem Konto in den USA zu verknüpfen. Dadurch war Pastrana nicht mehr offiziell mit dem Geld verbunden und es ergab sich die nun im Raum stehende Straftat.

588 Kolumbianer:innen tauchen in den Listen auf, darunter ist mit Lisandro Junco Riveira sogar der aktuelle Direktor der Nationalen Steuerbehörde (DIAN) von Kolumbien vertreten.

Auch Bancolombia, die größte Bank Kolumbiens und eine der größten in Lateinamerika, soll laut neuesten Erkenntnissen der Zeitung El Espectador eine aktive Rolle bei der Eröffnung von Offshore-Firmen für ihre Kunden gespielt haben.

Der Präsident von Mexiko, Andrés Manuel Lopez Obrador, erklärte nach den Veröffentlichungen, dass es in seinem Land eine grundlegende Untersuchung geben müsse. Insgesamt befinden sich rund 3.000 Mexikaner:innen auf den Listen, darunter auch Kommunikationsminister Jorge Arganis.

Auch Staatsbürger:innen aus Venezuela sind in den Datensätzen erfasst. Laut Informationen des Portals armando.info sind 1.212 Venezolaner:innen und 863 Unternehmen mit Bezug zu Venezuela genannt. Nur sechs Länder tauchen in den Leaks noch stärker vertreten auf als Venezuela.

Darüber hinaus sollen der frühere Präsident von Paraguay, Horacio Cartes, sowie der ehemalige Präsident von Peru, Pedro Pablo Kuczynski, während ihrer Amtszeit Geld in Steueroasen gehabt haben.