Venezuela / Politik

Nach Einigung mit gemäßigter Opposition ernennt Parlament in Venezuela neuen Wahlrat

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Die fünf Leitungsmitglieder des CNE und ihre Stellvertreter:innen bei der Vereidigung im Parlament
Die fünf Leitungsmitglieder des CNE und ihre Stellvertreter:innen bei der Vereidigung im Parlament

Caracas. Die Nationalversammlung von Venezuela hat eine neue Leitung der Wahlbehörde (CNE) gewählt und vereidigt. Ihr gehören zum ersten Mal seit 2005 auch zwei Oppositionsvertreter an.

Der Nominierungsausschuss des Parlaments hatte die Mitglieder der fünfköpfigen Leitung und ihre zehn Stellvertreter zuvor aus 103 Kandidaten ausgewählt, die aus verschiedenen Bereichen der Gesellschaft, darunter Universitäten und zivilgesellschaftliche Organisationen, vorgeschlagen worden waren. Sie wurden bei der Abstimmung mehrheitlich angenommen.

Die Politiker Roberto Picón und Enrique Márquez gehören den Oppositionskreisen an, die mit der von den USA unterstützten und von Juan Guaidó geführten Koalition gebrochen haben, um einen Dialog mit der Regierung von Nicolás Maduro aufzunehmen.

Picón ist Ingenieur und war Berater der Opposition. Márquez war Abgeordneter und kurzzeitig Vizepräsident des von der Opposition dominierten Parlaments (2016-2020)

"Wir werden versuchen, alle bestehenden Hindernisse zu überwinden, damit die Menschen wieder an die Wahl als Instrument der Veränderung glauben", sagte Picón. Das neue Gremium sei "das ausgewogenste der letzten 17 Jahre".

Die drei weiteren Mitglieder sind Pedro Calzadilla, ehemals Minister für Kultur und Hochschulbildung, Alexis Corredor, Mitglied der verfassunggebenden Versammlung von 2017, und Tania D'Amelio, zehn Jahre lang Abgeordnete und Teil des vorherigen CNE-Vorstands. Calzadilla wurde zum Präsidenten des Rates, Márquez zum Vize ernannt.

Die fünfköpfige Leitung, die sieben Jahre im Amt bleibt, repräsentiere "Demokratie und Toleranz" und werde alle anstehenden Wahlen überwachen, beginnend mit den Bürgermeister- und Gouverneurswahlen in diesem Jahr, sagte der Oppositonsabgeordnete José Gregorio Correa.

Staatspräsident Nicolás Maduro betonte, dass der neue CNE durch eine "politische Übereinkunft erreicht wurde, die mit allen Oppositionsruppen diskutiert und ausgehandelt wurde". Die neuen Ratsmitglieder hätten "hohes professionelles Ansehen".

In einem Kommuniqué der "Demokratischen Allianz", dem Zusammenschluss des Oppositionsfraktion, heißt es, die Ernennungen seien "das Ergebnis großer Anstrengungen der verschiedenen politischen Akteure, den Wahl- und Verfassungsweg zu beschreiten". Zugleich fordert sie Transparenz bei den anstehenden Wahlen ein, einschließlich eines möglichen Abberufungsreferendums des Präsidenten im Jahr 2022.

Auch der langjährige Anführer des Anti-Chavismus und zweifache Präsidentschaftskandidat Henrique Capriles äußerte, die Beteiligung von zwei Opposionellen in der CNE-Führung sei "ein wesentlicher erster Schritt, um den Weg des verfassungsmäßigen und demokratischen Wiederaufbaus zu öffnen". Zwar müssten “Veränderungen“ über eine ausgewogene Wahlleitung hinausgehen, die Ernennung biete jedoch "eine Chance inmitten der anhaltenden politischen Krise".

Die von Guaidó angeführten Hardliner-Kreise lehnen die neue Wahlbehörde erwartungsgemäß ab und behaupten, ihre Mitglieder seien von einem "illegitimen" Parlament ernannt worden. "Wäre der neue CNE eine Lösung der Krise, so wäre seine erste Aufgabe die seit 2018 fälligen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen auszurufen. Das kann er nicht, weil er nicht unabhängig ist", twitterte Guaidó, der sich im Januar 2019 selbst zum "Interimspräsidenten" ernannte und von den USA unterstützt wird. Er und seine Anhänger boykottierten die Parlamentswahlen im Dezember 2020, die eine Mehrheit für die Regierung Maduro brachten.

Luis Almagro, Generalsekretär der Organisation Anerikanischer Staaten (OAS), kritisierte die Ernennung ebenfalls und warf denen, die an dem CNE-Dialog teilnahmen, vor, "Kollaborateure" der Maduro-Regierung zu sein.

Moderatere Töne schlug die stellvertretende Sekretärin des Büros für Angelegenheiten der westlichen Hemisphäre im US-Außenministerium, Julie Chung, an: "Es ist an den Venezolanerinnen und Venezolanern zu entscheiden, ob der neue Nationale Wahlrat ein positiver Schritt ist", sagte sie, betonte aber, dass die USA "weiterhin auf die grundlegenden Mindestanforderungen drängen werden, die für freie und faire Wahlen notwendig sind".

Die Europäische Union betonte, die Einsetzung des neuen CNE sei "ein erster Schritt" auf dem Weg zu einem "glaubwürdigen, inklusiven und transparenten" Wahlprozess , der "weiter ausgewertet wird", so die Stellungnahme des Sprechers des Europäischen Auswärtigen Dienstes, Peter Stano, gegenüber der Nachrichtenagentur EFE.

Internationale Organisationen und Beobachter haben die Transparenz des Wahlprozesses in Venezuela mehrfach bestätigt. Das derzeitige Wahlsystem durchläuft 16 verschiedene Überprüfungen – vor, während und nach der Wahl. Jeder Schritt wird von Beobachter und Vertreter aller beteiligten politischen Parteien kontrolliert.