Suche nach Verantwortlichen für Flächenbrände in Argentinien

Provinz Chubut seit Monaten in Flammen. Politiker und Medien bezichtigen indigene Gemeinden. Die Rolle des Raubbaus an der Natur

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Nota al Pie schreibt in Facebook: "Jeder Brand ist ökonomisch und politisch"
Nota al Pie schreibt in Facebook: "Jeder Brand ist ökonomisch und politisch"

Rawson/Buenos Aires. Schwere Brände haben in der argentinischen Provinz Chubut bisher zwei Menschenleben gefordert. Rund 500 Häuser wurden vom Feuer zerstört. Die bereits seit Januar wütenden Flächenbrände sind nach wie vor nicht gänzlich unter Kontrolle. Weit über 600 Quadratkilometer Land insbesondere im andinen Nordwesten der Provinz wurden vernichtet.

Im Zuge eines Besuches der betroffenen Region wurde kürzlich ein Konvoi des Staatspräsidenten Alberto Fernández von Protestierenden angegriffen und mit Steinen beworfen. Fünf Angreifer wurden vorübergehend inhaftiert und angezeigt, darunter mehrere Mitarbeiter des Bildungsministeriums der Provinz. Gerüchte, dass der Angriff von eingeschleusten Agenten der Sicherheitskräfte provoziert worden sei, um die Protestbewegung gegen den Bergbau zu diskreditieren, wurden in der Zwischenzeit wieder dementiert.

In Chubut kam es zuletzt vermehrt zu politischen Auseinandersetzungen. Zu den Diskussionen rund um die Pläne der Regierung zur Wiederaufnahme des umweltschädlichen Erzbergbaus (amerika21 berichtete) kamen die prekäre finanzielle Situation der Provinz und nun die weitreichenden Zerstörungen durch die Brände.

Besonders stark von den Bränden betroffen sind unter anderen indigene Gemeindeterritorien der Mapuche und Tehuelche. Diese klagen zugleich über ausbleibende Hilfe durch die Regierung. Die Sprecherin der Mapuche, Marilin Cañio, sagte: "Von Seiten des Staates ist niemand gekommen. Einzig die Menschen aus der Nachbarschaft helfen aus Eigeninitiative derzeit dabei mit, die Brandherde zu bekämpfen."

Einzelne Politiker verdächtigen im Gleichklang mit rechtsgerichteten Medien indes die Mapuche selbst als Brandstifter. Miguel Ángel Pichetto, 2019 erfolgloser Kandidat für die Vizepräsidentschaft unter dem damals abgewählten Staatspräsidenten Mauricio Macri, bezichtigte Gruppen von Mapuche in einem Radiointerview des Aufruhrs und Terrorismus. Ohne Nennung konkreter Beweise behauptete er: "Diese Brände haben mit den Mapuche zu tun. Sie wurden absichtlich gelegt." Der Senator der benachbarten Provinz Rio Negro Alberto Wereltinek erstattete Anzeige gegen drei Personen, vermeintlich Mitglieder einer radikalen Mapuche-Widerstandsgruppe. Sie sollen sich zum Zeitpunkt der Entstehung der Brände in der Nähe aufgehalten haben. Der Verdacht wurde von mehreren rechtsgerichteten Medien aufgenommen und weiterverbreitet.

Der zuständige Staatsanwalt Carlos Díaz Mayer ist den Spekulationen in der Zwischenzeit entgegengetreten. Er erklärte, es gäbe keinen Anhaltspunkt für eine Verantwortung der Mapuche. Ein vorläufiger Bericht der Bundespolizei konnte zudem keinerlei Brennstoffe oder Brandbeschleuniger im betroffenen Gebiet nachweisen. Derzeit geht man davon aus, dass das Unglück durch eine defekte Stromleitung verursacht worden sein könnte. Laut Bericht ging das Feuer von zumindest zwei getrennten Orten aus, beide in der Nähe einer Hochspannungsleitung.

Die Koordination des Parlaments der Mapuche in der Provinz Rio Negro äußerte sich zu den Verdächtigungen in einem Kommuniqué: "Sie vergessen, dass die Mapuche die Mehrheit der Bevölkerung in der Provinz sind. Solche Äußerungen zu tätigen, während das Feuer noch nicht einmal unter Kontrolle ist, kommt einem Aufruf zur rassistischen Gewalt gleich und gehört juristischen verfolgt und verurteilt." Weiter heißt es: "Wir Mapuche und Tehuelche sind es, die das Gebiet vor dem Raubbau schützen, der nach dem Feuer kommen wird. Wir verteidigen das Land vor den Klauen der Bergbau-, Forst- und Elektrizitätswirtschaft."

Der Unweltaktivist Martín Vallejos sieht die eigentliche Ursache für zuletzt immer häufigere und zerstörerische Flächenbrände in der systematischen Abholzung und der Pflanzung von Nadelbaummonokulturen in den andinen Provinzen. Der erhöhte Wasserbedarf von Nadelhölzern führe zur Austrocknung des Bodens. Zudem befördern ihr hoher Harzgehalt und die hoch brennbaren Zapfen die rasche Ausbreitung von Brandherden. In diesem Sinne schreibt das Nachrichten-Facebook-Portal Nota al Pie (Fußnote): "Jeder Brand ist ökonomisch und politisch."