Regierung in Argentinien verschiebt Rückzahlungen der Schulden

Neuverhandlung mit Anlegern und IWF angekündigt. Peso weiter im Tiefflug. Massive Proteste sozialer Organisationen

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"Die Schulden bestehen gegenüber dem Volk, nicht gegenüber dem IWF": Proteste in Buenos Aires am 28. August
"Die Schulden bestehen gegenüber dem Volk, nicht gegenüber dem IWF": Proteste in Buenos Aires am 28. August

Buenos Aires. Der neue Finanzminister Hernán Lacunza hat in einem öffentlichen Statement die "Restrukturierung" der argentinischen Staatschulden verkündet. Damit sollen die Rückzahlungsfristen für Schulden von insgesamt rund 120 Milliarden US-Dollar weiter aufgeschoben werden.

Die Maßnahmen wurden nötig, da zuletzt das Interesse vor allem kurzfristiger Anleger an argentinischen Anleihen stark zurückgegangen ist. Anstatt in neue Papiere zu reinvestieren tauschten sie ihre argentinischen Pesos in Dollar, weshalb die Regierung bereits zwei Rückzahlungen aussetzen musste. Der Ansturm auf den Dollar trug zudem weiter zum Verfall des Peso bei. Zu Wochenbeginn stieg der Wert des Dollars erneut auf über 60 Pesos.

Von den Umstrukturierungsmaßnahmen der Regierung betroffen sind zunächst vor allem kurzfristige Schuldpapiere institutioneller Anleger im Gesamtwert von rund elf Milliarden Dollar. Mittels eines Notdekrets von Präsident Mauricio Macri wurde hier die Zahlungsfrist für den Staat einseitig um sechs Monate verlängert. Der nächste Fälligkeitszeitpunkt wird daher schon in die Amtszeit des künftigen Präsidenten fallen. Ebenso will die Regierung Zahlungsaufschübe für längerfristige Staatsanleihen in Pesos oder in Fremdwährungen zu einem Gesamtwert von rund 50 Milliarden Dollar durchsetzen. Diesbezüglich soll dem Kongress ein Gesetzesentwurf vorgelegt werden, der die Ausdehnung der Zahlungsfristen für nach argentinischem Recht ausgegebene Papiere ermöglicht. Andererseits sollen auch mit internationalen Anlegern Verhandlungen geführt werden.

Sorgen machen aber vor allem die insgesamt 57 Milliarden Dollar Schulden, die das Land seit 2018 in Form eines sogenannten "Stand-By-Kredits" beim Internationalen Währungsfonds (IWF) aufgenommen hat. Hier will die Regierung demnächst Verhandlungen über eine Umstrukturierung führen. Der Erfolg solcher Verhandlungen ist aber ebenso fraglich wie die Auszahlung der für September vorgesehenen nächsten Kreditrate über 5,4 Milliarden Dollar.

Zu Wochenbeginn war es in Buenos Aires zu einem Austausch zwischen Vertretern des IWF und der Regierung gekommen. Obwohl Regierungsvertreter betonten, es handle sich dabei nur um ein rein technisches Treffen, hieß es von Seiten des IWF, es gehe um eine Analyse der aktuellen wirtschaftlichen und finanziellen Situation. Im Zentrum des Gesprächs stand auch das aktuelle politische Szenario infolge der Ergebnisse der Vorwahlen im August, bei denen das Regierungslager starke Verluste erlitten hatte. Angesichts dessen ist die weitere Unterstützung der Regierung Macri durch den IWF mittels Auszahlung weiterer Kreditraten keineswegs gesichert.

Der Journalist Alfredo Zaiat prognostiziert in der Tageszeitung Página 12 bereits: "Der 28. August 2019 wird als jener Tag in die Geschichte eingehen, an dem die Regierung Macri zugab, dass sie nach der schwindelerregendsten Staatsverschuldung in der Geschichte Argentiniens die Zahlungsfristen und vereinbarten Zinsen nicht mehr länger einhalten konnte. Anders gesagt: Für fast sämtliche Staatsschulden besteht heute die Zahlungsunfähigkeit, und es gibt auch keine Vereinbarung mit dem IWF."

Im Zuge des Besuchs von Vertretern des IWF in Buenos Aires fand auch ein Treffen mit dem Oppositionskandidaten und Sieger der Präsidentschaftsvorwahlen Alberto Fernández statt. In einem Kommuniqué von Fernández im Anschluss an das Treffen heißt es: "Diejenigen, die diese Krise hervorgerufen haben, die Regierung und der IWF, tragen die Verantwortung dafür, sie zu beenden und die soziale Katastrophe, die heute ein täglich größerer Teil der argentinischen Gesellschaft erleidet, wieder umzukehren. Dafür sollten sie jede einzelne der notwendigen politischen Maßnahmen untereinander aushandeln."

Indes kam es am Mittwoch in Buenos Aires erneut zu Protesten mit rund 250.000 Teilnehmern. Soziale Organisationen und Vertreter marginalisierter Bevölkerungsgruppen riefen die Regierung erneut zur Umsetzung eines nationalen Notfallplans auf. Sie forderten konkrete wirtschaftliche Maßnahmen zur Eindämmung der Nahrungsknappheit und der Armut. Gegenüber einer künftigen Regierung wolle man weiterhin Gesetze zur Stärkung einer popularen Ökonomie fordern.

Dina Sánchez von der Frente Darío Santillán sagte: "Wir von den sozialen Bewegungen geben Antworten auf die Krise. In unseren Ausspeisungen garantieren wir die angemessene Ernährung tausender Kinder und in Kooperativen suchen wir Auswege aus der Arbeitslosigkeit. Aber wir wissen, dass das nicht reicht. Deshalb werden wir vereint und mit ganzem Herz weiterkämpfen."