Trotz anhaltender Gewalt wird Dialog in Nicaragua wieder aufgenommen

Vergangene Woche unterbrochene Gespräche sollen weitergeführt werden. Beide Seiten verpflichten sich zu Gewaltverzicht. Regierung lässt Gefangene frei

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Proteste und auch der Einsatz von Gewalt gehen in Nicaragua weiter, wie hier in der Stadt Masaya
Proteste und auch der Einsatz von Gewalt gehen in Nicaragua weiter, wie hier in der Stadt Masaya

Managua. Die "Gemischte Kommission für den Dialog" in Nicaragua, die einen Ausweg für die vergangene Woche ins Stocken geratenen Gespräche suchen sollte, hat am vergangenen Montag eine Einigung erzielt, auf deren Basis der Dialog nun wieder aufgenommen werden kann. In den Tagen zuvor war es in der Hauptstadt Managua und in verschiedenen Teilen des Landes erneut zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen. Dabei starben zwei Menschen.

In Managua hatte die Bereitschaftspolizei laut Medienberichten am Montagmittag mit Gummigeschossen und scharfer Munition auf Protestierende geschossen, die mit Molotow-Cocktails, Steinen und den bei Protesten häufig eingesetzten selbstgebauten Mörsern gegen die Polizei vorgegangen waren. Zudem war die regierungsnahe Radiostation Radio Ya von protestierenden Studenten angezündet worden. Sie hatten in dem Haus Mitglieder der regierungsnahen Sandinistischen Jugend vermutet, die kurz zuvor das gegenüberliegende Uni-Gelände angegriffen haben sollen. Verletzte wurden bei diesem Brandanschlag keine gemeldet. Vor allem aus der Stadt Masaya wurden in den vergangenen Tagen zudem Plünderungen und Verwüstungen durch bewaffnete Demonstranten gemeldet.

Die internationale Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) veröffentlichte am Dienstag eine Stellungnahme, in der sie die Regierung von Präsident Daniel Ortega auffordert, die "grausamen, andauernden und tödlichen Angriffe auf Leben, Meinungs- wie Versammlungsfreiheit" einzustellen. AI berichtet von mittlerweile 81 Toten, 838 Verletzten und 438 Festgenommenen infolge der Proteste. Die Gewaltanwendungen mit teils tödlichen Folgen von Seiten oppositioneller Gruppen bleiben jedoch unerwähnt. Die Organisation bezieht sich auf selbst erhobene Daten einer Delegationsreise Anfang Mai. Dabei arbeitete AI mit dem Nicaraguanischen Zentrum für Menschenrechte zusammen, das unter anderem von der Europäischen Kommission und mehreren europäischen Außenministerien sowie verschiedenen Stiftungen wie Ford, Open Society und Rockefeller finanziell unterstützt wird.

Der Dialog war am vergangenen Mittwoch wegen der fehlenden Übereinstimmung über die Verhandlungsziele unterbrochen worden. Die Regierung hatte sich geweigert, über die Fragen der Demokratisierung zu reden, solange die Straßensperren und Rechtsverletzungen im Land anhalten. Die sogenannte Bürgerallianz aus Vertretern des Unternehmerverbandes, Akademikern, Bauern und Studenten verpflichtete sich am Montag, sich für die Beseitigung der Blockaden und die Wiederaufnahme des Dialogs einzusetzen.

In einer gemeinsamen Erklärung verurteilten die Teilnehmer der Kommission die Angriffe auf die Universität und Radio Ya und verpflichteten sich zur "sofortigen Einstellung aller Formen von Gewalt". Die Empfehlungen beinhalten: keine Unterdrückung von Demonstranten oder willkürliche Verhaftungen; Respektierung des Protestrechts, der Meinungsfreiheit, der friedlichen Versammlung und politischer Partizipation; und die Einhaltung des internationalen Mechanismus zur Untersuchung der aufgetretenen Gewalttaten durch die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte. Die Straßensperren, die von Protestierenden im ganzen Land in der vergangenen Woche verstärkt worden waren, sollen nun "flexibilisiert" werden, um sie für die darunter leidenden Menschen und für Warentransporte durchlässiger zu machen.

Am Dienstag ließ die Polizei zudem 22 Personen frei, die im Laufe der Protestaktionen festgenommen worden waren. Für die Fortsetzung des Dialogs muss die Bischofskonferenz die Beteiligten nun wieder einberufen. Monsignore Carlos Avilés, der Vermittler bei den Verhandlungen der Gemischten Kommission, erklärte, dass sich die katholische Kirche zurückziehen werde, wenn es keinen Willen zur weiteren Problemlösung gebe.

Bei den vorhergehenden Dialog-Runden hatten vor allem die Studenten und der Unternehmerverband offensiv die Forderungen nach einem Rücktritt der Regierung, die Verhinderung von weiteren Amtszeiten des Präsidenten und nach Neuwahlen erhoben. Die mit großer Stimmenmehrheit im Herbst 2016 gewählte Regierung hat dies als Versuch eines "Staatsstreiches am Verhandlungstisch" sowie als Verfassungsbruch bezeichnet und abgelehnt.