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Regierung in Nicaragua nimmt umstrittene Sozialreform zurück

Nach tagelangen Protesten und Ausschreitungen hebt Institut für soziale Sicherheit Beschluss wieder auf. Ortega will Diskussion über Reform neu führen

Managua. Der Präsident von Nicaragua, Daniel Ortega, hat am Sonntag den Widerruf der Sozialversicherungsreform bekanntgegeben, die Auslöser für Demonstrationen und gewalttätige Proteste in den vergangenen Tagen war.

In einer landesweit übertragenen Ansprache erklärte Ortega im Beisein von nicaraguanischen Unternehmern und Investoren aus Asien, Amerika und Europa, dass die Leitung des Institutes für soziale Sicherheit (INSS) den Beschluss vom 16. April aufgehoben habe. Dieser sah eine Kürzung der Renten um fünf Prozent sowie eine Erhöhung der Versicherungsbeiträge vor. Ab 1. Juli sollten Unternehmen 22,5 Prozent statt bislang 19 Prozent abführen, die Beiträge der Beschäftigten von 6,25 auf 7 Prozent steigen.

Die angekündigten Maßnahmen, die weitgehend den Empfehlungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) entsprachen, stießen auf Kritik sowohl bei Unternehmern als auch bei Arbeitern, Studenten und Rentnern.

Das INSS habe die Entscheidung jetzt getroffen, um die Diskussion über die notwendige Reform des Sozialversicherungssystems zu ermöglichen und den Frieden im Land wiederherzustellen, so der Präsident. Alle müssten einen Beitrag zur sozialen Sicherheit leisten, so dass "die Unternehmen die Beschäftigung sichern können und eine nachhaltige Absicherung für die Arbeiter erreicht wird". Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Löhne im Land niedrig sind. Es müssten gemeinsam Formen gefunden werden, um die Ressourcen des Staates, der Arbeiter und der Unternehmen zusammenzuführen. Proteste gegen derartige Reformen gebe es in allen Ländern, sagte Ortega, Gewalt, Plünderungen und Brandstiftungen seien jedoch nicht hinnehmbar. Er wiederholte seinen Aufruf an alle Beteiligten, sich "unabhängig von ihrem politischen Denken, ihrer Ideologie, ihren wirtschaftlichen Bedingungen und ihren religiösen Überzeugungen, für die Wiederherstellung des Friedens" einzusetzen. Die Bischofskonferenz von Nicaragua lud Ortega ein, sich als Garant an dem Dialog zu beteiligen.

Seit dem vergangenen Mittwoch sind bei den gewaltsamen Protesten in dem mittelamerikanischen Land mindestens zehn Menschen getötet worden, Nichtregierungsorganisationen sprechen sogar von 24 Toten. Kleine Gruppen griffen Radiostationen, Krankenwagen, mobile Kliniken, Geschäfte, Autos, Regierungsinstitutionen, Wohnhäuser und öffentliche Plätze an. Zahlreiche Geschäfte wurden geplündert.

Wie Korrespondenten der kubanischen Nachrichtenagentur Prensa Latina berichteten, gingen seit Donnerstag täglich auch tausende Menschen auf die Straßen, um gegen Gewalt und Plünderungen und für die sandinistische Regierung zu demonstrieren.