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Costa Rica: 2023 gewalttätigstes Jahr der Geschichte, Politik fordert mehr Repression

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In San José soll ein neu eingerichtetes "Betreuungsbüro für Touristen" der Polizei das Sicherheitsgefühl verstärken
In San José soll ein neu eingerichtetes "Betreuungsbüro für Touristen" der Polizei das Sicherheitsgefühl verstärken

San José. Costa Rica hat im Jahr 2023 einen massiven Anstieg tödlicher Gewalt erlebt. Laut offiziellen Zahlen schloss das mittelamerikanische Land das Jahr mit 907 Tötungsdelikten ab. Im Vergleich zu 2022 nahm die absolute Zahl an Morden um 38 Prozent zu. Damit war das vergangene Jahr das gewalttätigste in der Geschichte des Landes.

Der Leiter der Gerichtlichen Ermittlungsbehörde, Randall Zúñiga, bezifferte die Mordrate in einer Pressekonferenz am 2. Januar auf 17,2 pro 100.000 Einwohner:innen. Über Jahrzehnte in Lateinamerika für seine Sicherheit bekannt, zählt Costa Rica heute zu den Staaten mit der höchsten Gewaltrate in der Region.

Zúñiga führt die Mehrheit der Todesfälle auf Auseinandersetzungen zwischen Drogenbanden zurück. "Der Tatbestand des 'Rechnungsbegleichen' (Racheakte) stieg um 70 Prozent", erklärte er. Doch auch die Zahl der Morde, die in keinerlei Verbindung zum organisierten Verbrechen oder internationalem Drogenhandel stehen, verdreifachte sich im Vergleich zum Vorjahr auf 52.

Die Politik macht vor allem den zunehmenden Einfluss des internationalen organisierten Verbrechens im Land für die Zunahme der Gewalt verantwortlich. Mit dem Friedensabkommen in Kolumbien von 2016 habe die dortige Kokainproduktion zugenommen. Costa Rica sei als Transitland zwischen Südamerika, Nordamerika und Europa von diesen Entwicklungen betroffen.

Doch Expert:innen sehen auch hausgemachte Gründe für die Gewaltwelle. Der Think-Tank InSight Crime zählt in dem kleinen Land 13 verschiedene Polizeikräfte, die teils unkoordiniert aneinander vorbei arbeiteten. Wenngleich die costa-ricanische Polizei im regionalen Vergleich als professionell und wenig anfällig für Korruption gilt, häuften sich außerdem die Fälle von mit dem organisierten Verbrechen kooperierenden Sicherheitskräften.

Andere verweisen auf die wachsende Armut in Land, von der vor allem Jugendliche betroffen sind. Fernando Villalobos Chacón, Dekan der pädagogischen Fakultät der Nationalen Technischen Universität (UTN), bezeichnet die Armut als die "Mutter des Verbrechens" und erinnert an die hohen Schulabbrecherquoten.

Derweil intensivieren sich in der Politik die Diskussionen über Lösungen. Die große Parlamentsmehrheit rechter Parteien setzt hierbei voll auf Repression.

Am 8. Januar haben sich Vertreter:innen der drei Staatsgewalten getroffen, um über rechtliche Reformen zur Bekämpfung der Kriminalität zu beraten. Künftig sollen die Akten von Verurteilten mindestens zehn Jahre bis nach Strafverbüßung aufbewahrt werden. Zudem soll die Einbürgerung erschwert und ermöglicht werden, Eingebürgerten, die Straftaten begangen haben, die Staatsbürgerschaft wieder zu entziehen.

Leslye Bojorges, Abgeordneter für die konservative Partei der Sozialchristlichen Einheit, erklärte nach dem Besuch eines örtlichen Gefängnisses, dass Costa Rica ein Mega-Gefängnis bauen müsse, "wie El Salvador es getan hat." Die Regierung müsse schnellstmöglich 50 Millionen US-Dollar dafür bereitstellen.

Gilbert Jiménez von der neoliberalen Partei der Nationalen Befreiung wies darauf hin, dass im Land in den ersten acht Tagen des Januars bereits 19 Morde verzeichnet wurden, fünf mehr als im Jahr 2023. Er forderte Präsident Rodrigo Chaves angesichts der Gewaltwelle dazu auf, den Notstand auszurufen und einen Aktionsplan zur Eindämmung der Gewalt vorzulegen.

Laut aktuellen Umfragen sieht die Bevölkerung die Kriminalität als größtes Problem des Landes an.