Kolumbien / Politik

Bilateraler Waffenstillstand in Kolumbien bleibt bestehen

Regierung und Farc einig über weiteres Vorgehen, Vorschläge der Gegner des Abkommens werden diskutiert. Weiter Demonstrationen für den Frieden

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Die Delegationsleiter der Regierung und der Farc verlasen das gemeinsame Komuniqué. Ganz links im Bild der UN-Sondergesandte für den Friedensprozess in Kolumbien, Jean Arnault, der an den Gesprächen beteiligt war
Die Delegationsleiter der Regierung und der Farc verlasen das gemeinsame Komuniqué. Ganz links im Bild der UN-Sondergesandte für den Friedensprozess in Kolumbien, Jean Arnault, der an den Gesprächen beteiligt war

Havanna/Bogotá. Nach einer Zusammenkunft der Friedensdelegationen der Regierung von Kolumbien und der Farc-Guerilla haben beide Seiten die Inhalte des am 26. September unterzeichneten Friedensabkommens bekräftigt. Es enthalte "die notwendigen Reformen und Maßnahmen, um die Grundlagen für den Frieden zu legen und das Ende des bewaffneten Konfliktes zu garantieren". Zugleich erkenne man eine Mehrheit für das "Nein" beim Plebiszit an, auch wenn sie äußerst knapp sei, heißt es in dem gemeinsamen Kommuniqué, das am Freitag in Kubas Hauptstadt von den Leitern der Delegationen ‒ Humberto de la Calle für die Regierung, Iván Márquez für die Farc ‒ verlesen wurde. In einem "raschen und effizienten Prozess" sollen verschiedene Sektoren der Gesellschaft angehört werden, um deren "Besorgnisse zu verstehen" und eine Lösung zur Umsetzung des Friedensabkommens zu finden. Die Vorschläge zu Anpassungen und Präzisierungen der Vereinbarungen, die aus diesem Prozess resultieren, werden zwischen Regierung und Farc diskutiert.

Bei der Volksbefragung am vergangenen Sonntag hatte das "Nein" zum Friedensvertrag bei einer Wahlenthaltung von rund 63 Prozent mit einem Vorsprung von 53.894 Stimmen gewonnen.

Präsident Juan Manuel Santos hat sich bereits Mitte der Woche mit Gegnern des Abkommens zu Gesprächen getroffen, darunter auch sein Amtsvorgänger Álvaro Uribe. Ob Santos den Friedensnobelpreis dazu nutzt, seine Position gegenüber rechten Kritikern des Abkommens zu stärken oder zu versuchen, von den Farc weitere Zugeständnisse zu verlangen, bleibt abzuwarten.

In dem gemeinsamen Kommuniqué bestätigen beide Seiten die "bilaterale und endgültige Waffenruhe", die seit dem 29. August in Kraft ist, ebenso deren Überwachung und Überprüfung mithilfe der Vereinten Nationen (UN). Santos hatte nach dem "Nein" beim Plebiszit verkündet, sie bleibe nur noch bis zum 31. Oktober in Kraft, was ihm Kritik nicht nur seitens der Farc einbrachte, die ihre Kämpfer umgehend anwiesen, sich in die Lager zurückzuziehen und auf mögliche Angriffe einzustellen. Zur Absicherung des Waffenstillstandes wurde zudem ein Protokoll über Schutz- und Sicherheitsgarantien in den festgelegten Zonen zur Sammlung der Farc-Angehörigen vereinbart. Zuständig für die Überwachung und Überprüfung wird der "Dreier-Mechanismus" aus Farc-, Regierungs- und UN-Vertretern sein.

Zugleich sollen die Teilnehmer an der UN-Mission, die als Beobachter bei der Umsetzung des Abkommens entsandt wurden, im Land bleiben.

Vereinbart wurde zudem, dass die bereits begonnenen humanitären Maßnahmen fortgesetzt werden, wie die Suche nach Verschwundenen, die Minenräumung, Maßnahmen betreffend die Farc-Gefangenen, die Rückführung minderjähriger Guerillamitglieder sowie freiwillige Substitution illegaler Pflanzungen.

Unterdessen halten die Mobilisierungen für den Frieden im Land an. In mehreren Städten finden Demonstrationen, Kundgebungen und Versammlungen statt. Unter anderem gingen in Medellín am Freitag Tausende auf die Straße, um ein Ende des Krieges zu fordern. Vertreter von rund 50 Organisationen, die beim Plebiszit  für das Ja geworben hatten, bekräftigten ihren Willen, weiter für eine friedliche Lösung des internen Konfliktes zu arbeiten. Man sei "fest entschlossen, die politischen Aktionen aufrecht zu erhalten", sagte Antonio Madariaga, einer der Sprecher der Bewegung nach einem Treffen mit Santos.

Die ehemalige Senatorin und Friedensaktivistin Piedad Córdoba begrüßte die Entscheidung von Regierung und Farc, den Waffenstillstand trotz des gescheiterten Plebiszits beizubehalten.

Vertreter der Farc äußersten sich nach anfänglicher Zurückhaltung Ende der Woche dann doch noch positiver zur Entscheidung des Nobelkomitees in Oslo. Ihr Oberkommandierender Timoleón Jiménez beglückwünschte Santos, erwähnte über den Kurznachrichtendienst Twitter aber auch die Garantenstaaten Kuba und Norwegen sowie Venezuela und Chile, deren Regierungen die Friedensverhandlungen begleitet hatten. "Wir hoffen, dass der Friedensnobelpreis Präsident Santos die notwendige Kraft gibt, das Friedensabkommen umzusetzen", kommentierte der Verhandlungschef der Farc, Iván Márquez.

Auch der aus Argentinien stammende Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, dass der Preis aus Oslo den Parteien in Kolumbien hilft, das Abkommen gegen innere Widerstände durchzusetzen. Pérez verwies zugleich darauf, dass bei der Volksabstimmung lediglich 37 Prozent der Kolumbianerinnen und Kolumbianer ihre Stimme abgegeben haben. "Hoffen wir, dass sich nun bei mehr Menschen ein Bewusstsein bildet, damit sie aktiv zum Ende des Konfliktes beitragen", sagte er.

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