Amerikas / Politik

Telenovela mit glimpflichem Ausgang

Ausgerechnet Venezuelas Präsident Hugo Chávez stellt auf dem Gipfeltreffen der Rio-Gruppe entscheidende Weichen zur Entschärfung der Anden-Krise

Bogotá. Fernando Ardila ist erleichtert. "Heute war Hugo Chávez gut beraten", sagt der Taxifahrer, "diese Telenovela ist noch einmal gut ausgegangen." Sieben Stunden verfolgten die Kolumbianer am Freitag im Fernsehen und Radio den wohl packendsten Präsidentengipfel, den Lateinamerika je erlebt hat. Unterbrochen wurde die Liveschaltung vom Treffen der Rio-Gruppe in der Dominikanischen Republik einzig durch eine Erfolgsmeldung der kolumbianischen Armee. Iván Ríos vom siebenköpfigen Sekretariat der FARC-Guerilla sei tot, erklärte Verteidigungsminister Juan Manuel Santos, ermordet von den eigenen Leuten. Es war der zweite Schlag gegen die Rebellen in einer Woche - nach der Tötung von FARC-Vize Raúl Reyes durch kolumbianische Truppen in Ecuador, die die Anden-Krise ausgelöst hatte.

In Santo Domingo folgten auf die erbitterten Wortwechsel zwischen dem Ecuadorianer Rafael Correa und Álvaro Uribe aus Kolumbien besänftigende Appelle der Staatsoberhäupter Mexikos und Chiles. Brasiliens Lula ließ sich von seinem Außenminister Celso Amorim vertreten, der erneut forderte, Uribe müsse sich entschuldigen. Der Sandinist Daniel Ortega, der am Vorabend die diplomatischen Beziehungen zu Kolumbien gekappt hatte, forderte Friedensgespräche mit lateinamerikanischer Vermittlung wie im Zentralamerika der 80er-Jahre.

"Den Terrorismus bekämpft man nicht mit massiven Meschenrechtsverletzungen", schrieb die Argentinierin Cristina Fernández de Kirchner Uribe und George W. Bush ins Stammbuch, sondern "aus der Legalität heraus." Dann brach sie das Eis: Das Vorurteil, Frauen seien "ein bisschen hysterisch", rückte sie feinsinnig zurecht: Angesichts "einiger Szenen, die wir sehen müssen", meinte die Präsidentin, "sind wir Frauen vielleicht die rationalsten Wesen dieses Planeten".

Den Weg zu einem emotionalen Happy End und der vorläufigen Beilegung der Anden-Krise ebnete Hugo Chávez. Der venezolanische Feuerkopf plauderte davon, wie er als Soldat in den 70er-Jahren die kolumbianische Guerilla bekämpfte, und wies die Anschuldigungen zurück, die FARC mit Geld und Waffen versorgt zu haben. Als Präsident habe er viele Gelegenheiten dazu gehabt, "aber ich habe das nicht getan und es auch nicht vor", sagte Chávez: "Jetzt ist die Zeit der Reflexion, noch haben wir Zeit, einen Strudel aufzuhalten, den wir lange bereuen könnten? Die Kriegstreiber in der US-Regierung sind nicht daran interessiert, dass dieser Krieg in Kolumbien beendet wird."

Mit Destabilisierungsversuchen Washingtons habe er Erfahrungen, ebenso mit Anschuldigungen "ohne jeden Beweis", sagte er in Anspielung auf die Enthüllungen über angeblich innige Verbindungen von Chávez und Correa zu den FARC, die Bogotá mit Hinweis auf sichergestellte Guerilla-Computer fortsetzte. "Wir möchten den Weg zum Frieden finden", sagte Chávez, aber dazu müsse man anerkennen, dass die FARC keine Terroristen, sondern Aufständische seien.

"Chávez wirkte wie eine Kombination von Johannes Paul II. und Nelson Mandela", schrieb das kolumbianische Nachrichtenmagazin Semana tags darauf, "er hat seine Zuhörer regelrecht vernascht". Schließlich reichten sich die Kampfhähne unter der Regie des dominikanischen Präsidenten Leonel Fernández die Hand. Am Samstag forderte Chávez die FARC auf, die Exsenatorin Ingrid Betancourt freizulassen. Der nicaraguanische Soziologe Óscar René Vargas fasste zusammen: Kolumbien und die USA hätten Ecuador und Venezuela destabilisieren wollen, doch nun sei Uribe in Lateinamerika isolierter als zuvor.


Den Originaltext der Tageszeitung (taz) finden Sie hier.