Venezuela / Politik

Venezuelas Wahlsystem kurz erklärt

Venezuelas elektronisches Wahlsystem ist weltweit einzigartig. Die Wahlbehörde CNE erklärt Technologie und Wahlverfahren

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Neueste Technologie: Wahlmaschine, elektronische Wahltafel und Gerät zur biometrischen Identifizierung
Neueste Technologie: Wahlmaschine, elektronische Wahltafel und Gerät zur biometrischen Identifizierung

Seit 2004 wird in Venezuela elektronisch gewählt. Obwohl das Wahlsystem von internationalen Organisationen wie dem US-amerikanischen Carter Center als "das beste der Welt" bezeichnet worden ist, zweifeln Oppositionspolitiker regelmäßig die Wahlresultate an.

Zum besseren Verständnis der technischen Details dokumentieren wir die offizielle Beschreibung des Wahlprozederes, die der Nationale Wahlrat (CNE) auf seiner Webseite veröffentlich hat.


1. Geschichte des Wahlsystems1

Mit Inkrafttreten des Gesetzes über das Wahlsystem und die Politische Teilhabe (1997) begann ein Prozess der Erneuerung des venezolanischen Wahlsystems. Dieses Gesetz sah drei wichtige Neuerungen vor: die Automatisierung der Wahlprozesse, die Unabhängigkeit des Wahlorgane von politischen Parteien sowie die Einführung konsultativer Referenden auf nationaler Ebene.

Aufbauend auf diesem Mandat hat Venezuela die Automatisierung der Stimmabgabe dauernd verbessert und mit dem aktuellen Gesetz über Wahlprozesse (2009) ausgeweitet.

Die Einführung der elektronischen Stimmabgabe erfolgte schrittweise. Die ersten total automatisierten Wahlen fanden 1998 statt, betreut vom spanischen Unternehmen Indra, das auch bei den Wahlgängen zwischen 1999 und 2003 die Verantwortung trug. Das System war gemischt: Die Wählerlisten wurden weiterhin manuell geführt und die Stimme wurde auf einer Stimmkarte abgegeben, indem ein Oval mit einem Stift ausgefüllt wurde. Diese Stimmkarten wurden anschließend durch Maschinen mit speziellen Lesegeräten ausgezählt. Auch die Schlussaddition der Stimmen geschah automatisch.

Elektronische Stimmabgabe

Ab 2003 wurden die Investitionen mit dem Ziel der Automatisierung der verschiedenen Schritte des Wahlprozesses intensiviert. In jenem Jahr beauftragte der Nationale Wahlrat (CNE) das Konsortium SBC, bestehend aus den Firmen Smartmatic, Bizta und CANTV, mit der Automatisierung der Regionalwahlen 2004 und eventueller Referenden. Zuvor waren während fünf Monaten die Offerten verschiedener internationaler Unternehmen analysiert worden.

Das Angebot von SBC obsiegte in der Evaluierung, da es die höchste Punktzahl in den Bereichen Sicherheit und Nachprüfbarkeit des Systems erhielt. Zudem war das Unternehmen bereit, dem CNE sämtliche Codereihen der Wahlsoftware zu übertragen. Dies ermöglicht heute, dass alle politischen Akteure die Möglichkeit haben, die Software im Rahmen der vorgesehenen Überprüfungen zu kontrollieren.

Bei den Wahlen 2004 war Smartmatic für die Bereitstellung der Wahlmaschinen, der einheitlichen Softwaresysteme (Auszählung, Tabellierung und Auswertung) verantwortlich und war zudem mit der Projektleitung betraut. Bizta Software passte die Wahlsoftware so an, dass die Stimmen jener rund 10 Prozent der Bevölkerung eingerechnet werden konnten, die noch manuell wählten. CANTV stellte das ausgebildete Personal für die Installation, den Betrieb und die technische Betreuung der Infrastruktur im ganzen Land bereit. Zudem entwickelte sie die Kommunikationslinien, die für die Übermittlung der Daten während der Wahl benötigt wurden.

Heute, nach Auflösung des Konsortiums SBC und mit einer Ausstattung von 100 Prozent automatisierter Wahllokale, sind die Venezolaner bereits mit der Wahltechnologie vertraut, welche der CNE nach und nach eingeführt hat. Diese stellt ein einheitliches System dar, welches Stimmabgabe, Auszählung, Addition der Ergebnisse, Vergabe der Mandate und Bekanntgabe der Resultate umfasst. Dies geschieht für jede Art von Wahlprozess auf komplett automatisierte, sichere und nachprüfbare Weise. Die Übertragung der Resultate wird über ein eigenes, unabhängiges und gesichertes Netz vorgenommen, das von CANTV zur Verfügung gestellt wird.

2. Die Technologie2

Das Wahlsystem ist vollständig automatisiert und kann in jeder seiner Phasen überprüft werden. 2004 führte Venezuela als erstes Land der Welt eine nationale Wahl mit Wahlmaschinen durch, die einen Beleg der Stimme ausdrucken. Kürzlich, im Jahr 2012, setzte Venezuela erneut Maßstäbe, als erstmals bei einer nationalen Wahl eine biometrische Identifizierung der Wähler zur Aktivierung der Wahlmaschinen verwendet wurde.

Die Wahltechnologie wird von der internationalen Firma Smartmatic zur Verfügung gestellt, welche 2004 für diese Aufgabe ausgewählt wurde, weil sie der Konkurrenz in puncto Sicherheit und Nachprüfbarkeit des Systems überlegen war.

Die Wahlmaschinen des Modells SAES (Smartmatic Auditable Election Systems) stellen eine innovative, sichere und zu 100 Prozent überprüfbare Lösung dar, mit der die Automatisierung von Wahlvorgängen geleistet werden kann.

Eine weitere Eigenheit dieses Systems ist, dass die elektronische Wahltafel wie ein konventioneller Wahlschein gestaltet ist. Die Wähler können mittels Fingerdruck auf den Namen, das Gesicht oder die Partei des Kandidaten ihre Wahl vornehmen.

Die venezolanische Wahlmethode wurde durch die Inbetriebnahme des Integralen Beglaubigungssystems (SAI, Sistema de Autenticación Integral) weiter verbessert. Dieses stellt die jüngste Phase der Automatisierung dar, die es erlaubt, dass der Wähler mit seinem Fingerabdruck die Wahlmaschinen aktivieren kann. Dies ist eine weitere Garantie für die sichere Stimmabgabe.

Nachdem mit dem Fingerabdruck die Identität des Wählers bestätigt ist, wird die Maschine aktiviert, damit er seine Stimme abgeben kann. Dies geschieht direkt auf dem Bildschirm oder via die elektronische Wahltafel. Die ausgewählte Option erscheint auf dem Bildschirm, wo der Wähler seine Entscheidung mit Druck auf das Feld "Wählen" bestätigen kann.

Die abgegebenen Stimmen werden in zufälliger Reihenfolge auf der Maschine gespeichert und am Ende des Tages auf dem ausgedruckten Ergebnisblatt ausgewiesen. Das Resultat wird bei der anschließenden Überprüfung mit den ausgedruckten papiernen Stimmbelegen in der Urne verglichen.

Die Datei mit den Stimmen jeder einzelnen Maschine wird verschlüsselt über ein gesichertes Netz übermittelt, das von der staatlichen Telekommunikationsfirma CANTV zur Verfügung gestellt wird. Dieses Netz ist nicht mit dem Internet verbunden und verfügt über verschiedene Sicherungs- und Verifizierungsmechanismen. Kein externer Computer kann auf die Wahlresultate zugreifen.

Das Additionssystem beruht auf leistungsfähigen Servern, auf welche die Resultate aller Wahlmaschinen des Landes übermittelt werden. In das System können nur Daten von zuvor durch den CNE identifizierten und beglaubigten Wahlmaschinen eingespeist werden.

Alle Phasen des Prozesses sind durch alphanumerische Passwörter und digitale Signaturen gesichert. Keine der beteiligten Parteien verfügt alleine über das jeweilige Passwort, sondern dieses wird zwischen CNE, den politischen Organisationen und Smartmatic aufgeteilt. Dadurch ist es unmöglich, ohne die Beteiligung aller Akteure auf Daten zuzugreifen.

Das aufgeteilt Passwort wird mit der Netzkartennummer einer jeden Wahlmaschine ergänzt, wodurch eine einmalige und zufällige Verschlüsselungskombination für jede einzelne der im Einsatz befindlichen Wahlmaschinen generiert wird. Dieses Passwort ist zusätzlich durch eine nochmalige Verschlüsselung (Hashfunktion) gesichert.

Das Automatisierte Wahlsystem (SAV, Sistema Automatizado de Votación) verfügt über insgesamt sieben Ebenen für die Überprüfung der Stimmen:

  • Die physisch abgegebene Stimme, die auf speziellem Papier ausgedruckt wird, welches durch Wasserzeichen und eine besondere Tinte gesichert ist, wobei das Stimmgeheimnis durch die Verwendung eines nicht-sequentiellen Codes garantiert wird.
  • Der fixe (interne) Speicher jeder Wahlmaschine.
  • Der entfernbare (externe) Speicher jeder Wahlmaschine.
  • Die Auszählungsakte des Wahltisches.
  • Die elektronische Stimme, die an das Additionszentrum übermittelt wird.
  • Die elektronische Wahlakte, die an das Additionszentrum übermittelt wird.
  • Das offizielle Resultateblatt.

Seine wichtigsten Stärken sind:

  • Am Wahlvorgang ist ausschließlich der Wähler beteiligt.
  • Der Erklärungsbedarf für den Wähler ist minim, da die elektronische Wahltafel in der Gestaltung einem konventionellen Wahlschein entspricht.
  • Nach Abschluss des Wahlprozesses wird die Auszählung sofort vorgenommen, was eine rasche Ermittlung der offiziellen Resultate garantiert.
  • Exakte und rasche offizielle Resultate.
  • Automatisiertes Back-up-System.
  • Die Daten können jederzeit überprüft werden.
  • Verschlüsselungsmechanismus, um die Daten zu sichern.
  • Sicheres Übermittlungsnetz.
  • Back-up-System für elektrische Energie.

3. Sicherheits-Überprüfungen des Systems3

Überprüfung der Wahl-Software. Vor jedem Wahlprozess wird in Anwesenheit der Vertreter der politischen Parteien4 eine Überprüfung des Quellcodes vorgenommen, welche garantiert, dass die Wahlmaschine mit dem korrekten Informatikprogramm arbeitet. Ebenso wird bescheinigt, dass die Maschine die Resultate korrekt erfasst, zuordnet, addiert und überträgt.

Überprüfung der Herstellung der Wahlmaschinen. Die Vertreter der politischen Parteien verifizieren gemeinsam mit den Technikern des CNE, dass die Wahlmaschinen mit den zertifizierten Codes aus der vorangegangenen Überprüfungsphase ausgerüstet werden. Das heißt, dass jede Maschine eine korrekte Identität zugeordnet erhält und über die Funktionen verfügt, die bei der Überprüfung der Software bescheinigt wurden.

Überprüfung vor dem Versand der Wahlmaschinen. Bevor die Wahlmaschinen an alle Wahllokale des Landes verschickt werden, überprüfen die Vertreter der politischen Parteien erneut eine zufällig ausgeloste Auswahl von einem Prozent der Maschinen. Anschließend an die Auswahl nach Zufallsprinzip beginnt die Überprüfung anhand eines Wahl-Testlaufs, bei dem festgestellt wird, ob die Maschinen die Stimmen tatsächlich korrekt zählen und übermitteln.

Überprüfung der Infrastruktur. Um den Zusammenbau der Wahlmaschinen zu überwachen, wird den politischen Parteien die verwendete Technologie sowie die Struktur der Maschinen vorgestellt. Dazu wird eine Maschine in Anwesenheit der politischen Akteure zerlegt, damit die einzelnen Komponenten geprüft werden können. Dabei wird festgestellt, dass alle Einzelteile für den Wahlvorgang notwendig sind und dass es keine weiteren Teile gibt, die andere Funktionen haben als die für den Wahlvorgang definierten.

Überprüfung des Systems der Biometrischen Identifizierung. Bei dieser Überprüfung wird bestätigt, dass es keine Wechselbeziehung oder bestimmte Anordnung gibt zwischen der Erfassung der Fingerabdrücke der Wähler und jener der Stimmen, womit das Verfassungsmandat des Stimmgeheimnisses sowie die Prinzip "Ein Wähler, eine Stimme" garantiert werden. Den Vertretern der politischen Parteien werden in dieser Phase ebenso die einzelnen Bestandteile dieses Systems vorgeführt und es wird die elektronische Signatur der Applikation generiert.

Überprüfung der Herstellung des Systems der Biometrischen Identifizierung. Die Unberührtheit der Geräte, die in diesem System eingesetzt werden, wird anhand einer Auswahl kontrolliert, um sicherzustellen, dass die elektronische Signatur der Applikation nicht verändert wurde.

Überprüfung des Datenübertragungsnetzes. Diese besteht darin, alle Übermittlungsgeräte zu überprüfen, welche bei der Übertragung der Resultate eingesetzt werden. Zudem wird bestätigt, dass das vom CNE verwendete Netz vollständig vom Internet abgekoppelt und gegen Eingriffe gesichert ist. Wie in allen Phasen der Überprüfung sind die Vertreter der politischen Parteien anwesend und bürgen für die Kontrolle.

Überprüfung des Auszählsystems. Die politischen Parteien prüfen das Auszählsystem, seine Bestandteile, einen Quellcode und die elektronische Signatur des Programms. Nach der Wahl übergibt der CNE den politischen Parteien das Register der Übertragungsdaten, welches Zeitpunkt und Dauer der Verbindung jeder Wahlmaschine mit dem zentralen Auszählsystem belegt, zur Überprüfung.

Überprüfung bei Abschluss des Wahlprozesses. Die Richtigkeit der automatisch übermittelten Daten wird anhand der Übereinstimmung zwischen registrierten und ausgezählten Stimmen sowohl der Wahlmaschine als auch in der Urne überprüft. Diese Überprüfung findet statt, nachdem der Wahlprozess beendet, das Resultatblatt ausgedruckt, die Daten übermittelt und die vorgesehenen Kopien der Akten erstellt wurden. Dann werden durch das Los zufällige 54,4 Prozent der Wahlmaschinen ausgewählt, die überprüft werden. Diese Schlussprüfung ist öffentlich, wobei die räumlichen Kapazitäten des Wahllokals sowie die Sicherheit die einzigen Restriktionen für die Teilnahme bilden. Die Zeugen der politischen Parteien sind dabei anwesend und unterschreiben die Prüfungsurkunde.

Überprüfung der Speichersysteme. Für den Fall einer späteren Nachprüfung der Resultate wird eine Sicherungskopie der Daten gemacht. Danach werden die Speicher der Maschinen gelöscht, damit keine Möglichkeit besteht, die einzelnen Wähler mit einem bestimmten Teilresultat in Verbindung zu bringen. So wird das Stimmgeheimnis gewahrt.

Nachträgliche Überprüfung. Dabei wird die Überprüfung, die bei Abschluss des Wahlprozesses stattfindet, wiederholt, indem die Vertreter der politischen Parteien die bereits evaluierten Urnen noch einmal auszählen und mit dem Register der Stimmbelegzettel abgleichen. Diese Resultate werden mit jenen des Auszählsystems verglichen und von den politischen Parteien bescheinigt.

Überprüfung der elektronischen Wahltafeln. Bei den Wahlprozessen, bei denen mehrere Ämter zu besetzen sind, werden die elektronischen Wahltafeln ebenfalls einer Überprüfung unterzogen. Anlässlich eines Wahl-Testlaufs am Tag der Überprüfung können die Vertreter der politischen Parteien feststellen, dass die Druckknöpfe einwandfrei funktionieren und die Stimmen tatsächlich dem markierten Kandidaten zugerechnet werden.

Überprüfung der manuellen Wählerlisten. Obwohl sie nicht zum automatisierten System gehören, werden die Wählerlisten von den politischen Parteien durchgesehen. Dabei wird verifiziert, ob die Wählerdaten mit jenen übereinstimmen, welche das Wahlregister für das jeweilige Wahllokal vorsieht.

Überprüfung der unlöschbaren Tinte. Als Verstärkung des Systems zur Identifizierung des Wählers muss dieser, nachdem er seine Stimme abgegeben hat, seinen kleinen Finger in eine Pigmentlösung tauchen, das an der Haut haftet und mit keinem Lösemittel entfernbar ist. Die unlöschbare Tinte wird auf dieselbe Weise getestet, wie sie am Wahltag zum Einsatz kommt. Die Vertreter der politischen Parteien tauchen ihre Finger in die Tinte und versuchen anschließend, sie mit verschiedenen Lösesubstanzen zu entfernen, um die Zuverlässigkeit der Tinte zu testen.