Peru: Der dritte Akteur und die feindliche Übernahme der Politik

Die Rechte in Peru entwirft ihr Wahlszenario und will entscheiden, wer daran teilnimmt und welche Themen diskutiert werden

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“Auch nur Angestellte”: Präsident Vizcarra (vorn in der Mitte) mit Kabinettsmitgliedern
“Auch nur Angestellte”: Präsident Vizcarra (vorn in der Mitte) mit Kabinettsmitgliedern

Neun Monate vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen bemüht sich die Rechte, ein Wahlszenario zu entwerfen, das ihr passt. Dabei entscheidet sie, wer daran teilnimmt und welche Themen diskutiert werden sollen. Man will nur Neoliberale auf dem Spielfeld und keinerlei Dissidenten oder Alternative. Nicht einmal die ärmliche Opposition im Kongress der Republik wird toleriert, das Machtgleichgewicht soll für bessere Zeiten bestehen bleiben.

Im Moment ist es der "reiche Papi", der das Sagen hat, und damit meine ich nicht den Präsidenten der Republik oder die von ihm geführte Exekutive – sie alle sind auch nur Angestellte. Ich beziehe mich auf "Geld regiert die Welt". Als Beweis genügt es, sich die Nachrichtensendungen anzusehen. Da wird zwar vorzugsweise auf den Kongress eingedroschen, ja, aber bei Bedarf auch auf den Präsidenten und die Minister. Die Zeit ist gekommen, strammzustehen.

Um Angst zu verbreiten, sind mehrere Zombies aus dem Schrank gestiegen: Zivilisten und Militärs im Ruhestand, mit Lösungen der Diktaturen des Cono Sur 1 von vor 40, 50 Jahren. Ihre Aufgabe ist es, die Demokratie abzubauen. Staatspräsident Martín Vizcarra hat im Bündnis mit den kurzfristigen Gelüsten der Kongressabgeordneten nicht nur die politischen Reformen vergessen, sondern die Scharlatane verkünden darüber hinaus auch noch, dass jegliche Reformen kommunistisch seien.

In dieser Situation sind Vorschläge, wenn sie denn nicht bis zum Äußersten der Verteidigung des neoliberalen Modells dienen, verboten, und alle Rechten haben beschlossen, zusammen mit dem Geld der großen Konzerne und den befreundeten Medien, die sie kontrollieren, dem ganzen Szenarium ein Vorhängeschloss zu verpassen.

Die Folgen der Pandemie sprechen jedoch ein Urteil über sie. Wir haben die 10.000 Toten bereits überschritten2 und dieses Opfer der Peruaner auf dem Altar des Neoliberalismus hätte es nicht geben dürfen. Vizcarra trägt seinen Teil der Verantwortung, aber das Wesentliche hat mit dem Modell zu tun, mit dem Geiz, Jahr für Jahr die Sozialausgaben proportional zu reduzieren und uns als Land immer weiter zu schwächen.

Diese Realität hat für sie keine Bedeutung, weil es grundsätzlich darum geht, hier oder außerhalb Perus die Scheine und Wachstumsraten zu zählen und nicht den Wohlstand, den man im Lande hätte erzeugen können.

Unter diesen Bedingungen erscheint es als illusionär und zugleich als Notwendigkeit, an eine andere Alternative, an einen dritten Akteur jenseits der beiden rechten Flügel, den zynischen Radikalen und den gemäßigten Vizcarristen zu denken. Noch illusionärer, wenn man mit einem Modellwechsel oder einer neuen Verfassung kommt. Die Gesundheitskrise hat scheinbar die Gehirne einiger Leute gewaschen, die jetzt sagen, dass Privateigentum gleichbedeutend mit Demokratie sei.

Von da zur Eigentümer-Demokratie des 17. Jahrhunderts (der Theorie des besitzergreifenden Individualismus) ist es nicht weit, es handelt sich um dasselbe. Damit wird die Verfassung von 1993, die die Klassendemokratie der Großkapitalisten festschreibt, zur Geburtsurkunde des "modernen Peru".

Wir sind also gewarnt: Wir alle, die nicht mehrere Millionen in der Tasche haben, sind ausgeschlossen. Wenn wir überhaupt eine Eintrittskarte bekommen, kommt uns höchstens eine bescheidene Rolle als Zuschauer zu.

Wenn es denn so ist, muss die Übernahme des Geschehens auf feindselige Weise erfolgen, mit anderen Worten, wir müssen uns den Zugang auf dem Wege der Volksmobilisierung erzwingen.

Erstens, weil wir uns in einer Demokratie befinden und wir weder zulassen können, dass man uns nicht teilnehmen lässt, noch dass parallele Szenarien auf der linken oder auf rechten Seite eröffnet werden.

Zweitens, weil wir einen Lösungsansatz haben, um aus der Situation, in der sich Peru befindet, herauszukommen. Dieser kann heute mehrere Bezeichnungen wie Modellwechsel oder eine neue Verfassung haben, aber die Zeit drängt zur Entscheidung. Wenn wir an den Wahlen des Jahres 2021 teilnehmen wollen, müssen wir ihn voranbringen.

Schließlich ist da noch das Problem des Weckers. Es scheint, sage ich, dass einige Führungskräfte der Linken eingeschlafen sind oder vielleicht, besser noch, ein Schläfchen machen. Man braucht also ein Sparschweinchen, um ihnen einen Wecker zu kaufen. Ich sage das, weil eine feindliche Übernahme von denen, die sie vorschlagen, Beweglichkeit verlangt, und dafür ist es besser, hellwach zu sein. Wir müssen uns also bewegen. Nicht mehr und nicht weniger.

13. Juli 2020

Nicolás Lynch aus Peru ist Soziologe und Mitherausgeber von "Otra Mirada"

  • 1. Als Cono Sur (Südkegel) wird der südliche Teil Südamerikas bezeichnet: Argentinien, Chile und Uruguay. In einer weiteren Definition werden auch Paraguay sowie einige Bundesstaaten Brasiliens dazu gezählt
  • 2. In Peru gibt es 379.884 bestätige Infizierte, 18030 Menschen sind an oder mit dem Virus gestorben. Stand: 27. Juli