Venezuela: Der getarnte Putsch / Lösungen jetzt!

Mit der großen Macht, die die Regierung in Händen hält und die sich aus dem Willen des Volkes ableitet, gibt es keine Entschuldigung für ein Versagen

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Präsident Maduro traf wenige Tage nach seiner Wiederwahl mit Vertretern der Bankenvereinigung von Venezuela zusammen, um Auswege aus der schweren wirtschaftlichen Krise des zu beraten.
Präsident Maduro traf wenige Tage nach seiner Wiederwahl mit Vertretern der Bankenvereinigung von Venezuela zusammen, um Auswege aus der schweren wirtschaftlichen Krise des zu beraten.

Amerika21 setzt die Debattenbeiträge aus der chavistischen Bewegung in Venezuela nach dem Wahlsieg von Präsident Nicolás Maduro heute mit Beiträgen von José Vicente Rangel und Julio Escalona fort


Der getarnte Putsch

José Vicente Rangel

1. Wir dürfen uns nicht täuschen oder verwirren lassen. Die anti-demokratische und primitive Opposition, die es in Venezuela gibt, interessiert es nicht im geringsten, ob es Wahlen gibt oder nicht. Diese Opposition, zusammengesetzt aus den Resten jener Faktoren, die in der Vergangenheit 40 Jahre lang die politische Bühne beherrscht haben1 , nahm die Institution des Wahlrechts an, weil sie ihm erlaubte, das Land mittels eines trügerischen Machtwechsels zu kontrollieren. Aber sobald sie durch die ihnen von Hugo Chávez beigebrachte Niederlage bei den Wahlen 1998 von der Macht vertrieben war, hat sie sich für eine andere Bewertung entschieden. Sie hat die Bedeutung der Abstimmung relativiert. Sie hat sie benutzt, um ihre Absichten zu verschleiern und in der neuen politischen und institutionellen Phase in Venezuela – der 5. Republik – das Wahlrecht als den Mechanismus benutzt, der es ihr erlaubte, ihre tatsächlichen Ziele zu verbergen. Den Weg des Putsches, die systematische Gewalt auf der Straße und die terroristischen Aktionen. All das verbunden mit einer gut geplanten Aktivität im Ausland, um die Institutionen bis zu ihrem endgültigen Zusammenbruch zu untergraben.

2. In dieser Strategie spielte die Zerstörung des Nationalen Wahlrates (Consejo Nacional Electoral, CNE) eine entscheidende Rolle. Die Institution und ihr Leitungspersonal musste diskreditiert werden. Zweifel hinsichtlich ihrer Unparteilichkeit mussten gestreut werden, was durch eine Verleumdungskampagne bewerkstelligt werden sollte. Aber noch eine andere Aufgabe musste erfüllt werden: die Wirkung der vom Chavismus demonstrierten Fähigkeit, sich bei den Wahlprozessen durchzusetzen, musste demontiert werden. Die dafür angenommene Formel bestand darin, dass jede Wahlniederlage der Opposition nicht aus ihrer eigenen Schwäche, aus ihrer Unfähigkeit zu konkurrieren resultierte, sondern aus dem angeblichen Betrug der Chavista-Maschinerie und dem Vorteil aufgrund einer unmoralischen Regierungsführung. Derartige Anklagen erreichten im Land nichts, da ihnen die Grundlage in der Realität fehlte und dies führte zu einer noch größeren Diskreditierung der Opposition.

3. Unter solchen Umständen, in der Kombination von nationalen und internationalen Faktoren, mit brutalen Medienkampagnen und dem Wirtschaftskrieg, der trotz der Bemühungen der Regierung, ihn zu bekämpfen, ungestraft weitergeht – erreichte Venezuela den 20. Mai in einem Klima der Spannungen, der Erpressung und der offenen oder verschleierten Androhungen von Gewalt und Sanktionen durch die US-Regierung, die beschlossen hatte, ihre Maske abzulegen und zu akzeptieren, dass sie die Verschwörung direkt anführt. Zu diesem Zeitpunkt wurde klar, dass die Konfrontation nicht mehr allein zwischen Chavismus, Regierung Maduro und der Opposition läuft, sondern zwischen Chavismus und Maduro auf der einen und dem mächtigen Gast des Weißen Hauses, Mr.Trump und seinen Falken auf der anderen Seite.

Die Opposition, die die Flagge der Wahlen gehisst hatte ohne sie wirklich zu wollen, erlitt gleichzeitig zwei Niederlagen: eine für diejenigen, die sich der Stimme enthalten hatten und die andere für diejenigen, die sich beteiligt hatten. Erstere endeten mit einer Enthaltung, die obwohl zahlreich, nicht das war, was die Opposition erhofft hatte, um Maduros Sieg zu delegitimieren; Letztere erzielten ein mageres Ergebnis, das sich sofort in Frustration verwandelte.

Man kann sagen was man will, der Sieger des 20. Mai ist Nicolás Maduro. Alles andere ist eine Lüge. Mehr als sechs Millionen „feste“ Stimmen zu bekommen, inmitten furchtbarer Nöte, ist eine staatsbürgerliche und demokratische Leistung. Es ist die Bestätigung eines Mandats und einer Führerschaft.

4. Jetzt liegt die größte Verantwortung bei den Siegern, denn die Besiegten stehen am Rand, ohne Politik, ohne Richtung, Enttäuschung wiederkäuend und den Moment verfluchend, als sie sich zum Boykott entschlossen. Ein wenig so, wie Claudio Fermín, der Wahlkampfleiter von Henry Falcón, mit Erstaunen in einem Fernsehinterview feststellte: Die 80 Prozent, die laut Umfragen sowie der Meinung der Oppositionsführer und der weltweiten Medienmaschine gegen Maduro sind ‒ und diese Prognose sei sicher gewesen ‒ hätten sich nicht in gleicher Weise in den Wahlergebnissen niedergeschlagen und so habe die Opposition die große Chance verpasst, den Präsidenten zu wechseln. Aber, ich wiederhole es, von diesem Moment an liegt die Verantwortung dafür, den dringendsten Bedürfnissen des Landes und besonders denen der chavistischen Wählerschaft entsprechend zu handeln, ganz eindeutig bei der Regierung, dem bestätigten Präsidenten.

Mit der großen Macht, die sie in ihren Händen hält und die sich aus dem Willen des Volkes ableitet, gibt es keine Entschuldigung für ein Versagen. Weder im Großen noch im Kleinen. Die alltäglichen Dinge, die direkt mit den dringendsten Bedürfnissen der einfachen Menschen, der gewöhnlichen Bürger und Strömungen zu tun haben. Es ist zum Beispiel an der Zeit, mit dem schändlichen Wirtschaftskrieg fertig zu werden und bürokratische Fehler und Perversionen zu korrigieren. Es ist Zeit für eine wirkliche Veränderung innerhalb der Veränderung, für eine Revolution in der Revolution. So soll es sein. Sonst scheitern wir jetzt.

Für die Opposition war der Putsch das Ziel. So war es immer. Deshalb hat sie nie ein Wahlergebnis anerkannt, das für den Chavismus ausfiel. Deshalb hat sie wiederholt behauptet, dass die Siege des Chavismus Ergebnis von Betrug sind, eine Beschuldigung, die im Grunde ein Angriff auf den Wahlrat ist. Alles rund um die wahl vom 20. Mai, die Erklärungen der Oppositionsführer, ihre Reisen ins Ausland, die unerbittlichen Angriffe der US-Regierung zielten darauf ab, ein Umfeld zu schaffen, das einen von den Bolivarischen Nationalen Streitkräften (FANB) unterstützten Putsch ermöglichen würde ...

Aber all das scheiterte durch das staatsbürgerliche Verhalten des Volkes, die Loyalität der FANB, die über sechs Millionen Stimmen für Maduro, den in Verruf geratenen Wahlboykott und das Scheitern des Versuchs, Militärs für das Putsch-Abenteuer zu gewinnen. Alle diese Faktoren waren ausschlaggebend für den Ausgang der Ereignisse an diesem Tag und erklären den Sieg Maduros Sieg und die Niederlage seiner Gegner ...

Das war es, was Präsident Trump am Abend des 20. Mai auf die Palme trieb, ihn dazu brachte, die hysterische Erklärung gegen die venezolanische Regierung abzugeben und weitere Sanktionen zu verhängen. Laut Quellen in Washington bat der Gast des Weißen Hauses dringend um einen Bericht von seinem Geschäftsträger in Caracas, Todd Robinson, über die Möglichkeit, den militärischen Plan zu mobilisieren, an dem die US-Geheimdienste arbeiteten. Aber die Antwort brachte ihn aus der Fassung: die wenigen Militärs, die bereit gewesen wären, einen Putsch gegen das Wahlergebnis anzuführen, wurden von den staatlichen venezolanischen Sicherheitsorganen festgenommen ...

Die Antwort auf den unsäglichen Gringo-Präsidenten musste kommen und Maduro wählte den geeigneten Moment und Ort, um sie zu geben: nachdem er im CNE-Sitz zum Präsidenten erklärt worden war. Die Entscheidung, Robinson und seinen zweiten Mann, einen CIA-Agenten auszuweisen, entspricht dem Vorgehen seit einigen Monaten gegenüber Diplomaten angesichts der Unverfrorenheit, mit der sie gehandelt haben ...

Wenn Henri Falcón etwas bewiesen hat, dann dass ihm eine strategische Vorstellung von Politik fehlt. Manchmal trifft er auf der Mikroebene ins Schwarze, aber nicht auf der Makroebene. Er bewies es, als er angesichts der Niederlage mit unglaublicher Plumpheit reagierte. Mit einer Erklärung, die den Wahlprozess, an dem er selbst teilgenommen hat, disqualifizierte und ohne dass der CNE die Ergebnisse bekannt gegeben hatte; und er gab damit denjenigen aus der Boykott-Fraktion recht, die ihn angegriffen haben ... Falcón hat ohne Zweifel die Gelegenheit verpasst, ein ernsthafter Oppositionsführer zu werden, eine verantwortungsvolle Haltung gegenüber seinen Wählern und dem Land einzunehmen, mit anderen Worten, ein verlässlicher Ansprechpartner zu sein.

José Vicente Rangel, geboren 1935, Anwalt und Journalist. Außen- und Verteidigungsminister von Hugo Chávez. Von 2002 bis 2007 Vizepräsident von Venezuela


Lösungen jetzt!

Julio Escalona

Päsident Maduro hat gesagt, dass wir schlechte Arbeit machen und neu beginnen müssen. Mehr als sechs Millionen Venezolaner sind der Aufassung, dass er weiter regieren soll. Es wurden auch Gouverneure, Bürgermeister … gewählt. Um neu anzufangen fehlt noch, das Kabinett zu erneuern. Diese Figuren, die seit 18 jahren von einem Posten auf den nächsten wechseln, müssen gehen.

Der Präsident hat einen Dialog mit allen Sektoren vorgeschlagen. Einverstanden. Das chavistische Volk hat sich das Recht erkämpft, einen bevorzugten Platz einzunehmen, was der Präsident anerkannt hat. Die popularen Organisationen müssen jetzt Initiativen ergreifen und ein Programm für die ersten 100 Tage der Regierung vorschlagen.

Die täglichen spekulativen Preissteigerungen gegen die Bevölkerung stehen in keinem Verhältnis zu den Kosten. Der von Pasqualina Cursio vorgeschlagene goldbasierte Bolívar sollte angenommen werden, und auf diese Weise der kriminelle Dollar als Bolivar-Dollar-Verhältnis blockiert und wer ihn benutzt, sollte streng bestraft werden.

Um Verhandlungen mit den großen Unternehmen zu beginnen, sollte als Ausgangspunkt eine vertikale Senkung der Preise angeordnet werden, die diese nach unten drückt. Die Konzerne haben jahrelang unkontrolliert ihre Gewinne vervielfacht und ausgenutzt, dass sie Produkte zum Vorzugsdollar erhalten. Das Volk hat Hunger, Warteschlangen und Missbrauch ertragen und am 20. Mai vom Präsidenten gefordert, keine weiteren Schikanen und Opfer zuzulassen.

Geschäftsleute ordnen Knappheit an, intensivieren den Schmuggel? Das sind Verbrechen und es steht ihnen umso mehr an, zu verhandeln. Kolumbien verschärft die Aggression? Das tut es und wird es weiter tun. Das lässt sich besser durchstehen mit einem moralisch orientierten Volk, das mit der Regierung vereint ist und nicht von Santos' Aggressionen gebeutelt und hoffnungslos ist. Dies beinhaltet eine Erhöhung des Benzinpreises.

Die Leute können nicht mehr zu Fuß losziehen. Die Metro ist eine Zumutung für Kinder, schangere Frauen und ältere Menschen. Die öffentlichen Verkehrsmittel müssen umstrukturiert werden, damit der Personentransport bedient werden kann, während zugleich Maßnahmen ergriffen werden, die noch kein Minister gewagt hat.

Was Gesundheits- und Medikamentenversorgung angeht muss man daran erinnern, dass im Chile von Salvador Allende der Präsident Zeit fand, Patienten in den Krankenhäusern zu betreuen.

Wir sind im Krieg und Trump wird uns keinen Frieden geben. Nur durch die Kombination von Diplomatie und Widerstand, durch Dialog und Schläge kommen wir voran. Es wird schwer sein, aber wenn wir Widerstand leisten, wird die Solidarität wachsen. Wir werden als Nation nicht zerstört werden.

Julio Escalona, geboren 1938, Ex-Guerillero und Aktivist der Sozialistischen Liga, Dozent für Ökonomie, Diplomat, aktuell Mitglied der verfassunggebenden Versammlung

  • 1. Nachdem 1958 einem Bündnis ziviler und militärischer Oppositioneller der Sturz des Diktators Marcos Pérez Jiménez gelang, verdrängten die bürgerlichen Parteien des Bündnisses mit dem "Pakt von Punto Fijo" die anderen politischen Kräfte. In den 40 darauf folgenden Jahren teilten sich die sozialdemokratische Partei Acción Democrática (AD) und die christdemokratische Partei Copei in gegenseitigem Einvernehmen und unter Ausschluss der Kommunistischen Partei die Macht