Gedenken zum 19. Jahrestag der "Operation Genesis" in Kolumbien

Die von Militärs und Paramilitärs gemeinsam durchgeführte Operation führte zum Mord und Verschwindenlassen von mehr als 80 Menschen und zur Vertreibung von 4.000 Anwohnern

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Gedenkstätte in Nueva Vida. Inschrift: "Antwort. Gestern haben sie uns vertrieben, uns ermordet, uns verschwinden lassen, gestern und heute leisten wir zusammen mit den Händen der Welt Widerstand gegen den Tod und die Straflosigkeit"
Gedenkstätte in Nueva Vida. Inschrift: "Antwort. Gestern haben sie uns vertrieben, uns ermordet, uns verschwinden lassen, gestern und heute leisten wir zusammen mit den Händen der Welt Widerstand gegen den Tod und die Straflosigkeit"

Ende Februar begleitete eine nationale und internationale Delegation1 die Gemeindeorganisation Cavida (Gemeinden der Selbstbestimmung, des Lebens und der Würde von Cacarica) bei ihrer Gedenkveranstaltung zum 19. Jahrestag der sogenannten Operation Genesis, die Leid und Vertreibung am Flusslauf des Cacarica, Bajo Atrato im Departament Chocó, Kolumbien, verursachte. Die Delegation wanderte mehrere Tage von der Humanitären Zone Nueva Vida, Cacarica, bis zum Hügel Cerro Mocho. Dieser begrenzt den kollektiven Landtitel der afro-kolumbianischen Gemeinde Cacarica und markiert gleichzeitig die Grenze zwischen Panama und Kolumbien, wo der im Juni 2013 gebaute bi-nationale Militärstützpunkt erneut Besorgnis bei den Gemeindemitgliedern auslöste.

Die im Februar 1997 von Militärs und Paramilitärs gemeinsam durchgeführte „Operation Genesis“ führte zum Mord und gewaltsamen Verschwindenlassen von mehr als 80 Menschen und zur Vertreibung von 4.000 Anwohnern. Die Mitglieder von Cadiva erinnerten mit ihren Liedern, Gedichten und Augenzeugenberichten an die Gräueltaten, das Leiden, die Flucht; einige aus der Perspektive als Gemeindenanführer, einige als Väter und Mütter, die ihre Familienmitglieder verloren, einige aus ihrer Kindheitserinnerung.

Im November 2013 verurteilte der Interamerikanische Menschenrechtsgerichtshof (CIDH) den kolumbianischen Staat erstmals wegen der gewaltsamen Vertreibung afro-kolumbianischer Gemeinden bei der Operation Genesis.Auch verurteilte er die Zusammenarbeit der Streitkräfte mit den paramilitärischen Gruppen bei der Vertreibung der Gemeinden sowie den Mord und die Gräueltaten gegen den Bauern Marino López. Laut Zeugenberichten hackten Paramilitärs seinen Kopf ab und spielten damit Fussball. Die Operation Genesis wurde von General Rito Alejo Del Río geleitet, Kommandant der 17. Brigade des Heeres. Er wurde im August 2012 zu 25 Jahren Gefängnis für den Mord an López verurteilt. Bis heute wurden jedoch die kollektiven Entschädigungen, die von dem Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof angeordnet wurden, wie etwa ein Mahnmal und ein öffentlicher Akt der Anerkennung der Verantwortung von seitens des Staats, nicht erfüllt. Die Mitglieder von Cavida und der Frauengruppe Clamores (Aufschreie) kritisierten, dass auch die individuellen Entschädigungen nicht in befriedigender Weise und mit dem angemessenen Respekt gegenüber den Überlebenden erfüllt wurden.

Die Gedenkfeier, die zu Beginn der Delegationsreise im Schulzentrum von Turbo stattfand, erinnerte nicht nur an die Leiden, sondern würdigte auch den Organisationsprozess, die Ausdauer und den Widerstand der Gemeinden. Sie waren vier Jahre lang unter schwierigen Bedingungen im Schulzentrum von Turbo untergekommen. Unter anderem erinnerten sie daran, dass ihnen als Vertriebene die Behandlung im örtlichen Krankenhaus verweigert wurde. Während all dieser Jahre der Vertreibung forderten sie die Anerkennung als afro-kolumbianische Gemeinde, die sie endlich im Juli 1998 erreichten. Offiziell wurde ihnen der kollektive Landtitel über mehr als 103.024 Hektar als afro-kolumbianische Gemeinde Cacarica erst im Dezember 1999 übergeben. In einem mutigen Akt der erneuten Inbesitznahme kehrten sie in den Jahren 2000 und 2001 auf ihr Land zurück. Sie gründeten die ersten Humanitären Zonen Kolumbiens, Nueva Vida und Esperanza en Dios. Dies war eine Möglichkeit auf ihr ursprüngliches Land als Zivilbevölkerung mitten im Bürgerkrieg zurückkehren zu können. Sie besiedelten diese Zonen, aber nur wenige kehrten auf ihre ursprünglichen Grundstücke und zu ihrer früheren Lebensweise von verstreuten Häusern in diesem an Biodiversität reichen Gebiet zurück. Aus Angst blieben viele bis heute in den zentralen Ansiedlungen der Humanitären Zonen.

Fünf Monate vor dem Urteil des CIDH, im Juni 2013 wurde der kolumbianisch-panamaische Stützpunkt auf dem Cerro Mocho errichtet, an der Grenze des Gemeindetitels, was erneut Besorgnis über die Unversehrtheit des Landes auslöste. Anfangs hieß der Stützpunkt La Unión und wurde später in Guamal umbenannt. Die Vermessungen der Gemeinde und internationaler Delegationen ergaben, dass die Koordinaten des Stützpunktes innerhalb des Gemeindetitels liegen, eine Tatsache, die die kolumbianische Justiz bis heute verneint und die bisher nicht offiziell vor Ort überprüft wurde. Die dort lebende Bevölkerung hat beobachtet, dass schwere Maschinen zum Stützpunkt gebracht wurden, was den Verdacht auf Bergbauaktivitäten weckte. Zusätzlich veröffentlichten 2014 die panamaischen Nachrichten einen Artikel über den Besuch von Wiliam Brownfield im Stützpunkt, Vizestaatssekretär des Büros für Internationale Drogenangelegenheiten der USA und ehemaliger US-Botschafter in Kolumbien. Dieser Besuch warf Fragenl über die Art der Beteiligung der US-Regierung in dieser strategischen Grenzzone auf, wo neben dem Interesse an der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen auch der Bau der interamerikanischen Straße und die Energieverbindung mit Zentralamerika vorgesehen ist.

Ziel dieser Delegationsreise war es, Zugang zu dem Grenzstützpunkt zu bekommen, um diese Befürchtungen zu überprüfen und direkte Antworten zu bekommen. Doch die kolumbianischen und panamaischen Soldaten hielten das Treffen mit den Delegierten außerhalb des Stützpunktes mitten im Regenwald ab, mit der unbefriedigenden Antwort, dass die gewünschten Informationen bei ihren Vorgesetzten im Verteidigungsministerium anzufordern seien. In ihrer Pressemitteilung forderten Cavida und die nationalen und internationalen Teilnehmer eine offizielle Überprüfungsmission zur Ortung des Stützpunktes, um zu bestimmen, ob dieser sich auf dem kollektiven Landtitel befindet. Außerdem sollten die Verträge über die Zusammenarbeit zwischen den Regierungen der USA, Panama und Kolumbien öffentlich gemacht werden.

Die Gedenkstätte, die Cavida in Eigeninitiative in Nueva Vida errichtete, hat in ihrer Inschrift bis heute nicht an Aktualität verloren: "Antwort. Gestern haben sie uns vertrieben, uns ermordet, uns verschwinden lassen, gestern und heute leisten wir zusammen mit den Händen der Welt Widerstand gegen den Tod und die Straflosigkeit."

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  • 1. Bestehend aus: Comunidad indígena Juin Pubur, Resguardo Indígena Guamal, Resguardo Humanitario y Biodiverso Sobi Druá, Jiguamiandó, Consejo Comunitario de Puerto Berlín, Cacarica, Consejo Comunitario de San Higinio La Raya, Cacarica, Consejo Comunitario La Virginia, Perancho, Cacarica, Consejo Comunitario Las Pajas, Consejo Comunitario de Quebrada Bonita, Cacarica, Consejo Comunitario de Barranquilla, Cacarica, Espacio Humanitario Puente Nayero, Buenaventura, Territorio Humanitario y Biodiverso para la Paz Unión Agua Clara, Río San Juan, Valle Familiares de Fredy Mosquera, Popayán, Comunidades de Víctimas del Atlántico, Zona de Biodiversidad La Madre Unión, Cuenca de la Madre Tumaradó, Zona Humanitaria Camelias, Curvaradó, Comunidades Construyendo Paz en los Territorios –Conpaz-, Diálogo Intereclesial Por la Paz en Colombia –Dipaz-, Comisión Intereclesial Justicia y Paz, Alianza de Medios Alternativos, Servicio Internacional Cristiano de Solidaridad con América Latina Oscar Romero –Sicsal-, Asoc- KATIO, Madrid, Spanien, MUNDUBAT, Baskenland, Movimiento por el Cierre de la Escuela de las Américas , KOLKO – Menschenrechte für Kolumbien, Deutschland, Hermanas Franciscanas de Nuestra Señora de Lourdes