Santiago. Die Regierung von Gabriel Boric hat in Chile 113 Geflüchtete aus Krisengebieten des Nahen Ostens aufgenommen. Darunter befinden sich drei Frauen aus Afghanistan, 34 syrische Staatsbürger:innen und 76 Kriegsgeflüchtete aus dem Gazastreifen. Mehr als die Hälfte von ihnen sind Kinder und Jugendliche.
Laut einer Mitteilung des Außenministeriums begann die Evakuierung am 10. September und wurde über Land- und Luftwege durchgeführt. Die humanitäre Operation zur Aufnahme der Geflüchteten wurde vom chilenischen Außenministerium geleitet und mit anderen Ressorts wie dem Innenministerium und dem Frauenministerium koordiniert. Während der gesamten Reise wurde die Gruppe der palästinensischen Kriegsgeflüchteten von diplomatischem Personal des Außenministeriums begleitet.
Alle Geflüchteten stehen unter staatlichem Schutz Chiles und bekommen Aufenthaltsrecht. Die aufgenommenen Palästinenser:innen haben alle enge Bindungen in Chile. Genauere Details zum Aufenthalt gibt das Außenministerium aufgrund des Rechts der Familien auf Privatsphäre nicht bekannt.
Präsident Boric teilte zu dem Kommuniqué in den sozialen Netzwerken mit, dass die Vorbereitung der komplexen Operation zur Überführung der Geflüchteten Monate in Anspruch genommen habe. Jedoch konnte die Regierung 68 palästinensische Staatsbürger:innen empfangen, "deren Leben aufgrund des anhaltenden Völkermordes in Gefahr war".
Die palästinensische Gemeinde in Chile dankte der chilenischen Regierung für diese "zutiefst menschliche Geste". Sie lehnte die Zwangsvertreibung des palästinensischen Volkes als Politik der israelischen Besatzung ab und prangerte an, dass Gaza einem Völkermord ausgesetzt sei.
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"Wir bekräftigen nachdrücklich, dass unser Volk das unveräußerliche Recht hat, auf seinem Land zu leben, und dass keine humanitäre Geste als Verzicht auf dieses Recht interpretiert werden darf", sagte der Präsident der palästinensischen Gemeinde in Chile, Maurice Khamis Massú. "Unsere Solidarität ist klar: Während wir die Ankommenden aufnehmen und versorgen, werden wir weiterhin unermüdlich für das Ende der Besatzung, für Gerechtigkeit und für die Rückkehr nach Palästina kämpfen", fügte er hinzu.
Nach der erneuten Eskalation der Angriffe in Gaza-Stadt durch die israelischen Truppen wandte sich die palästinensische Gemeinde am Mittwoch mit einem eindringlichen Appell an Boric. Er solle Druckmaßnahmen gegen Israel ergreifen, wie die Einfuhr von Produkten aus israelischen Siedlungen in besetzten Gebieten zu verbieten. Boric selbst hatte ein Gesetzesprojekt dafür im Kongress unterstützt, aber bislang sei daraus nichts Konkretes erfolgt.
Mit rund 500.000 Mitgliedern besitzt Chile die größte Gemeinde palästinensischer Flüchtlinge außerhalb der arabischen Welt und Israels. Bis 1940 wanderten insbesondere nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches zwischen 8.000 und 10.000 Palästinenser:innen nach Chile aus, vorwiegend aus Bethlehem, Bait Jala und Bait Sahour. Nach der Vertreibung im Zuge der Nakba im Jahr 1948 folgten viele der chilenischen Aufnahmebereitschaft, da das Land Immigrant:innen zur Stabilisierung der Wirtschaft und zur Kontrolle des Territoriums benötigte.
Chile war auch das erste lateinamerikanische Land, welches eine ständige Vertretung in Palästina eröffnete. Bereits 2011 wurde Palästina von Chile als eigenständiger Staat anerkannt und eine palästinensische Botschaft in der Hauptstadt Santiago eröffnet.

