Venezuela / Politik

Wahlgang mit ungewisser Beteiligung in Venezuela

Bei den Parlaments-, Regional- und Kommunalwahlen am 25. Mai ruft ein Teil der Opposition zum Boykott auf. Gouverneurswahlen erstmals auch für das völkerrechtlich umstrittene Esequibo-Gebiet geplant

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Die Basis der PSUV nominiert Kandidat:innen, hier im Landkreis Peña im Südwesten Venezuelas
Die Basis der PSUV nominiert Kandidat:innen, hier im Landkreis Peña im Südwesten Venezuelas

Caracas. Inmitten politischer Kontroversen über den Charakter der für den 25. Mai geplanten Parlaments-, Regional- und Kommunalwahlen in Venezuela positionieren sich die politischen Akteure höchst unterschiedlich.

Das Bündnis "Großer Patriotischer Pol" um die regierende Vereinte Sozialistische Partei Venezuelas (PSUV) stellte Ende März ihre Kandidat:innen für die 24 Gouverneursämter vor. Darunter befinden sich neun amtierende Gouverneur:innen, sechs Bürgermeister:innen und zwei Parlamentsabgeordnete. Erstmals soll auch der Gouverneursposten für das völkerrechtlich umstrittene Esequibo-Gebiet besetzt werden, das sowohl Venezuela als auch Guyana beanspruchen (amerika 21 berichtete).

Die Wahlen im Mai sind die ersten nach den Präsidentschaftswahlen 2024, die Amtsinhaber Nicolás Maduro nach offiziellen Angaben gewann, jedoch von Betrugsvorwürfen überschattet waren (amerika 21 berichtete). Besonders stand im Fokus der Kritik, dass der Nationale Wahlrat CNE anders als üblich und gesetzlich vorgeschrieben kein nach Wahllokalen aufgeschlüsseltes Ergebnis veröffentlicht hat. Der verkündete Sieg Maduros ist somit nicht überprüfbar.

Innerhalb der rechten wie linken Opposition gehen die Meinungen darüber auseinander, ob eine Wahlteilnahme unter den derzeitigen Bedingungen sinnvoll ist. Die US-nahe Mehrheitsopposition um María Corina Machado setzt auf einen Boykott. Solange ihr Ersatzkandidat Edmundo González nicht als Sieger der Präsidentschaftswahl anerkannt werde, sei "es unangebracht, an irgendwelchen Wahlen teilzunehmen", erklärte die rechte Oppositionsführerin bereits im Januar. Diese Haltung bekräftigte sie seitdem mehrfach. Das oppositionelle Bündnis Plattform demokratische Einheit (PUD) folgt ihr in der Frage überwiegend.

Es gibt im rechten Lager jedoch auch Stimmen, die einen Boykott für falsch halten. So geht der zweifache Präsidentschaftskandidat Henrique Capriles von der rechtsliberalen Partei Gerechtigkeit zuerst (Primero Justicia) auf Distanz zu Machado und spricht sich offen für eine Wahlteilnahme aus. Gemeinsam mit Vertreter:innen weiterer Parteien rief er das "Red Venezuela Decide" (Netzwerk Venezuela entscheidet) ins Leben, dass sich für eine Wahlteilnahme ausspricht und am vergangenen Mittwoch der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

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Großer Andrang von Medienvertreter:innen bei der Pressekonferenz des Netzwerkes Venezuela entscheidet
Großer Andrang von Medienvertreter:innen bei der Pressekonferenz des Netzwerkes Venezuela entscheidet

"In Venezuela besteht immer die Gefahr, dass die Regierung die Wahlen stehlen will", erklärte Capriles und fragte rhetorisch, was besser sei, um einen Wandel zu erreichen: "Nichts zu tun und zu Hause zu bleiben oder rauszugehen, sich zu organisieren, zu kämpfen, zu gewinnen, das Ergebnis zu verteidigen, die Regierung zu delegitimieren und weiter zu schwächen?"

Unterstützt wird das Netzwerk unter anderem von bekannten oppositionellen Persönlichkeiten wie dem ehemaligen Koordinator des PUD-Vorgängerbündnisses "Tisch der Demokratischen Einheit", Jesús Torrealba, dem Ex-Gouverneur des Bundesstaates Lara, Henri Falcón sowie dem Journalisten Vladimir Villegas. Unklar ist, für welche Parteien das Netzwerk mobilisieren wird.

Der CNE hat die Einschreibefrist für Kandidaturen auf den Zeitraum vom 7. bis 11. April festgelegt. Prinzipiell zugelassen sind die Oppositionsparteien Eine neue Zeit (UNT) und Bewegung für Venezuela (MPV), die bei den Präsidentschaftswahlen jeweils González unterstützt hatten.

Für die Regierung Maduro stellen die Boykottaufrufe einerseits ein Problem dar, weil sie die Legitimierung der Wahlen infrage stellen. Andererseits dürfte eine Spaltung des oppositionellen Lagers dazu führen, dass die Regierung den Großteil der Ämter gewinnt. Teilnehmen werden auf jeden Fall mehrere Parteien der "moderaten Opposition", die der Regierung kaum gefährlich werden kann und in vielen Fällen selbst Regierungspositionen vertritt. Dabei handelt es sich um kleinere Parteien und Abspaltungen traditioneller Parteien, die bei vorangegangenen Wahlen als Bündnis "Demokratische Allianz" (Alianza Democrática) angetreten sind.

Die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV) hatte lange den "Großen Patriotischen Pol" unterstützt, ging aber seit einigen Jahren auf Distanz zur Regierungspolitik. 2023 beklagten Parteimitglieder, dass ein ad-hoc Vorstand staatlicherseits eingesetzt wurde, dem Personen angehören, die teilweise keine Mitglieder der Partei waren. Seitdem existiert die Partei de facto zweimal, in einer offiziellen Partei, die weiter die Regierung unterstützt, und einer weiteren, die nicht mehr an Wahlen teilnehmen kann. Letztere unterstützte bei den Wahlen 2024 den zentristischen Kandidaten Enrique Márquez, was zu weiteren Konflikten und Parteiausschlüssen führte

Márquez von der Partei Centrados war im Januar unter Komplott-Vorwürfen festgenommen worden. Er habe vorgeschlagen, den nach offiziellen Angaben unterlegenen Kandidaten der Opposition, González, als Gegenpräsidenten zu vereidigen, etwa in einer diplomatischen Vertretung Venezuelas im Ausland. Ein Gerichtsprozess hat bis heute nicht stattgefunden (amerika 21 berichtete). Seine Partei erwägt nun, ihn bei den anstehenden Wahlen dennoch aufzustellen.

Verschiedene linke Gruppen versuchen seit der Präsidentschaftswahl, sich in neuen Bündnissen zu formieren. Sie sind insgesamt derzeit aber zu schwach, um kurzfristig nennenswerten politisch Einfluss zu nehmen. Im Dezember 2024 gründete sich etwa die "Strömung Comunes". Diese positioniert sich sowohl gegen die Maduro-Regierung als auch gegen die rechte Opposition und will Kämpfe von unten unterstützen. Comunes geht aus der "Anderen Kampagne" hervor, die regierungskritische Chavist:innen im Vorfeld der Präsidentschaftswahl ins Leben gerufen hatten.

Zu den anstehenden Wahlen äußerte Comunes scharfe Kritik: "Die Ausrufung von Wahlen unter diesen Bedingungen und die Drohung, die Teilnahme davon abhängig zu machen, dass Maduros betrügerische Wahl vom 28. Juli als rechtmäßig anerkannt wird, bedeutet, die Tür zur Politik weiterhin verschlossen zu halten." Als "Mindestagenda" fordert Comunes den Rücktritt der Rektor:innen des Wahlrates, eine Amnestie, ein Ende der Repression, eine Überprüfung der letztjährigen Wahlergebnisse sowie ein "Nationales Abkommen, um die Legitimitätskrise politisch zu überwinden".

Die letzten Regional- und Kommunalwahlen fanden Ende 2021 statt. Die Opposition trat damals nahezu geschlossen an und die Wahl verlief laut internationalen Beobachtergruppen, darunter eine EU-Mission, weitgehend beanstandungsfrei.

Die regierende PSUV gewann damals deutlich. Oppositionelle Kräfte konnten allerdings einige symbolisch bedeutende Erfolge erzielen, darunter den Sieg bei der Gouverneurswahl im traditionell chavistischen Bundesstaat Barinas.

Die Parlamentswahl 2020 hatte die Opposition hingegen teilweise boykottiert. Das Regierungsbündnis gewann 219 Sitze (62,74 Prozent der Stimmen), die Opposition kam insgesamt auf 24 Sitze. Rund 200 internationale Beobachter:innen aus 34 Ländern aus fünf Kontinenten begleiteten den umstrittenen Wahlprozess

Der jetzt vorgesehene Wahltermin liegt vergleichsweise früh im Jahr. Das neue Parlament wird sich erst im Januar 2026 konstituieren.