Paramilitärs expandieren im Norden von Kolumbien

Anführer machte Falschaussage zugunsten von Ex-Präsident Álvaro Uribe. Finanzierung durch Unternehmen und Drogenbanden. Geheimdokument enthüllt Details

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Unternehmen und Drogenbanden sollen eine Million US-Dollar für die Expansion der Paramilitärs sammeln
Unternehmen und Drogenbanden sollen eine Million US-Dollar für die Expansion der Paramilitärs sammeln

Bogotá. Die paramilitärische kriminelle Organisation Clan del Golfo führt derzeit einen Expansionsplan im nordwestlichen Departamento Antioquia durch. Darüber berichtet das investigative Magazin Raya auf der Grundlage eines Geheimberichts der Armee und dreier vertraulicher Berichte der Ombudsstelle.

Der Boss der neuen paramilitärischen "Kriegsfront", Ramiro de Jesús Henao, ist auch in der Öffentlichkeit bekannt, weil er verdächtigt wird, Falschaussagen zugunsten des ultrarechten Ex-Präsidenten Álvaro Uribe gemacht zu haben.

Wie das Magazin berichtet, trafen sich am 7. April in Ost-Antioquia Anführer der mittleren Führungsebene des Clan del Golfo, auch bekannt als Gaitán-Armee Kolumbiens (EGC), um die Gründung einer Untergruppe zu diskutieren. Sie nannten sie "Front Carlos Mauricio García" zu Ehren des ermordeten Anführers des paramilitärischen Blocks Metro, besser bekannt als "Doppel-Null". Dieser Block gehörte zu den ehemaligen Selbstverteidigungsgruppen Kolumbiens (AUC) und operierte bereits vor zwei Jahrzehnten in den Subregionen Ost-Antioquia und Magdalena Medio

Laut einer hochrangigen Quelle von Raya finanzieren Drogenhändler:innen und Unternehmer:innen die Expansion des Clan del Golfo. Sie seien dabei, eine Million US-Dollar zu sammeln, um den Clan in alle Ecken Kolumbiens auszudehnen, wie sie bei einem "Mafia-Gipfel" vor dem Treffen im April beschlossen hätten.

Aus dem Geheimdienstbericht der Armee geht hervor, dass die Teilnehmer des Treffens im April ein Gehaltsschema für die Mitglieder des Blocks Carlos Mauricio García nach Rang und Funktion festlegten. So einigten sich die Paramilitärs auf monatliche Gehälter von elf Millionen Pesos für den Chef der Unterstruktur, sechs Millionen für die militärischen und finanziellen Unterbefehlshaber, vier Millionen für die Chefs der städtischen Strukturen, drei Millionen für die Sekretärin und zwei Millionen Pesos für die Mitglieder der Patrouillen.

Einer der zwei Bosse des neuen kriminellen Blocks soll der Ex-Häftling Henao, auch bekannt als "Simón Fantasma" sein. Henao gehörte früher zum Block Metro und war im Gefängnis wegen des Mordes an einem Gewerkschafter. Er gestand über zwanzig weitere Verbrechen und kam im September auf Bewährung frei. Seit Dezember soll er nach Ost-Antioquia zurückgekehrt sein.

Henao ist einer der Zeug:innen, die Ex-Präsident Uribe im Jahr 2014 der Justiz präsentierte, um sie davon zu überzeugen, dass der linke Senator Iván Cepeda eine Verschwörung gegen ihn einfädelte. Henao sagte damals aus, Cepeda habe versucht, falsche Zeugenaussagen gegen Uribe zu erkaufen.

Der Oberste Gerichtshof verdächtigte schließlich jedoch Uribe selbst, Zeug:innen zu falschen Aussagen bestochen zu haben, damit sie Cepeda belasten. Deshalb wurde Anklage gegen Uribe erhoben. Aktuell läuft ein Hauptverfahren gegen ihn wegen Prozessbetrug und Manipulation von Zeug:innen (amerika21 berichtete).

Das Geheimdokument der Armee erwähnt auch den im Ruhestand befindlichen Militäroffizier Juan Carlos Ramírez, auch bekannt als "Zeus", der die Organisation des Blocks Carlos Mauricio García mit koordinierte und ihn mit Waffen versorgte. Er war auch Mitglied der früheren AUC und hat zahlreiche Verbrechen gegen Mitglieder der linken Partei Unión Patriótica begangen.

"Zeus" wurde im April beim illegalen Transport von Waffen der Streitkräfte festgenommen. Einige Tage später entkam er jedoch. Präsident Gustavo Petro prangerte Ende April den "Verlust" großer Mengen von Waffen der Streitkräfte durch ein internes Korruptionsnetzwerk an und nannte "Zeus" als eines seiner Mitglieder.

Die Ombudsstelle ihrerseits berichtet in vertraulichen Dokumenten von einer zunehmenden Präsenz des Clan del Golfo im Ost-Antioquia. Dort wurden Männer in Militäruniformen mit Langwaffen oder in Zivilkleidung mit Funkgeräten gesichtet. In einigen Landbezirken haben sie den Einwohner:innen verboten, ihre Häuser nach 18 Uhr zu verlassen. In anderen zirkulieren Flugblätter des Clans, auf denen "soziale Säuberungen" angekündigt werden.

Laut Óscar Castaño, einem lokalen Journalisten aus Ost-Antioquia, will der Block Carlos Mauricio García die Region nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich und politisch besetzen. Dort befinde sich der ausgeklügeltste illegale Produktionskreislauf des Landes: In den Hochgebirgszonen pflanzen die Clans Koka an, an den Stauseen verarbeiten sie es zu Kokain und in den Hochebenen waschen sie das Geld durch einen Immobilienboom, der die Geographie der Region in den letzten Jahren immer mehr verändert hat, so Castaño.

Den lokalen Politiker:innen komme die Präsenz des Clan del Golfo zugute, sagt Castaño. "Hier gibt es eine Hegemonie des Centro Democrático." Das ist die ultrarechte Partei Uribes. Die Bevölkerung wolle aber den "totalen Frieden" von Präsident Petro und dass das Gebiet zur Sondersicherheitszone erklärt wird, damit alle staatlichen Instanzen kommen und nicht nur militärisch, sondern auch sozial agieren. Ein Sicherheitsrat der Regierung sei nun für August geplant.

Nach Annäherungen zwischen der Regierung und dem Clan del Golfo brach Petro im Frühjahr 2023 den Waffenstillstand, weil die kriminelle Struktur die Polizei in Bajo Cauca angegriffen hatte. In den letzten Monaten gab es wieder Annäherungen. Ob diese zu Friedensgesprächen führen, bleibt abzuwarten.