Macron stellt EU-Mercosur-Abkommen auf Brasilien-Reise erneut in Frage

Im Hintergrund Druck von Bauernverbänden aus Frankreich. Brasilien will an Abkommen festhalten. Macron zeichnet indigenen Anführer aus

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Lula und Macron mit dem indigenen Anführer Raoni Metuktir
Lula und Macron mit dem indigenen Anführer Raoni Metuktir

São Paulo/Paris. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron hat während seines dreitägigen Staatsbesuchs in Brasilien das geplante Freihandelsabkommen zwischen EU und Mercosur scharf kritisiert. Seine Äußerungen fielen auf dem 5. Wirtschaftsforum Brasilien-Frankreich in São Paulo und standen im Widerspruch zu den Äußerungen brasilianischer Regierungsvertreter.

Macron zufolge sei der aktuelle Vertragstext trotz der langen Verhandlungen nicht angemessen, was etwa Klimathemen angeht, und solle "von Grund auf" neu ausgehandelt werden. "Es ist ein schreckliches Abkommen", betonte Macron. "Lassen Sie uns die Abmachung von vor 20 Jahren bei Seite legen und ein neues, verantwortungsvolleres Abkommen aufbauen, das Themen wie Klima, Biodiversität und Gegenseitigkeit berücksichtigt".

Macron bekräftigte zudem die Rolle Brasiliens und Frankreichs bei der Bekämpfung der CO2-Emissionen. Seiner Meinung nach können beide Länder das Problem gemeinsam überwinden, indem sie klarere Regeln schaffen, die Anstrengungen verdoppeln und bilaterale Abkommen schließen.

Kurz zuvor noch hatte der brasilianische Vizepräsident Geraldo Alckmin für das geplante Abkommen geworben: "Mercosur hat sich um Bolivien erweitert, wir haben eine Vereinbarung mit Singapur getroffen und es gab Gespräche mit der EU. "Wir erobern den Markt, wir haben den Markt geöffnet. Es ist eine Win-Win-Situation."

Zuvor hatte auch Brasiliens Finanzminister Fernando Haddad das Abkommen verteidigt und erklärt, auch Staatspräsident Luiz Inácio Lula da Silva werde "darauf bestehen". Haddad verglich eine mögliche Einigung zwischen Mercosur und EU mit der Steuerreform in Brasilien. "Wir dürfen dieses Abkommen nicht aufgeben. Wenn es möglich war, unsere Steuerreform nach 40 Jahren zu verabschieden, warum dann nicht nach 20 Jahren ein gutes Abkommen zwischen EU und Mercosur verabschieden", sagte Haddad auf der Veranstaltung.

Macrons Äußerungen verdeutlichen, dass Frankreich innerhalb der EU den größten Widerstand gegen das Abkommen leistet. Dies ist zum einen auf den Protest von Umweltschützern, vor allem aber auf den Druck von Landwirten und Agrarunternehmen zurückzuführen.

Im Dezember 2023 noch hoffte Brasilien, zur Unterzeichnung des Abkommen zu gelangen, solange es den Mercosur-Vorsitz innehatte. Damals äußerte Macron ähnliche Kritik. "Ich bin gegen das Abkommen, weil (..) es im Widerspruch zu dem steht, was Lula in Brasilien tut und was wir tun. Es ist eine Vereinbarung, die wir zu reparieren versucht haben, aber sie ist schlecht repariert."

"Ich kann unsere Landwirte, unsere Industrien in Frankreich und in Europa nicht bitten, neue Maßnahmen zur Dekarbonisierung anzuwenden und bestimmte Produkte aufzugeben“, so Macron, “und dann sagen: Ich entferne alle Zölle, um Produkte auf den Markt zu bringen, die diese Regeln nicht anwenden."

Der europäische Agrarprotektionismus scheint inzwischen das Haupthindernis zur Verabschiedung des Abkommens. Gerade in Frankreich besitzen Bauernbewegung und Agrarsektor traditionell großes politisches Kapital. Für Experten sind der Druck aus dem Sektor und die "Fragilität" der französischen Regierung die Hauptfaktoren für Macrons ablehnende Haltung.

Laut Flávia Loss de Araujo, Professorin für Internationale Beziehungen an der Stiftung São Paulo School of Sociology and Politics (FESPSP), habe der Agrarsektor in Europa "eine lange Geschichte der Blockade von Handelsabkommen". Viele europäische Landwirte seien gegen Freihandelsabkommen mit Ländern, die – wie Brasilien, Argentinien oder Australien – über große Wettbewerbsfähigkeit im Agrar- und Viehzuchtsektor verfügen. Um das Abkommen zu stoppen, setzt der Agrarsektor auf die Unterstützung des Staats. "Er übt großen Druck auf die Regierung Macron aus", erklärt Loss.

Die Europäische Kommission tendiert dennoch bisher dazu, die Verhandlungen mit dem Mercosur fortzusetzen. Wichtige Mitgliedsländer wie Deutschland und Spanien signalisierten ihre Bereitschaft für ein Abkommen.

Zuvor hatte Macron in Begleitung des brasilianischen Staatspräsidenten Luiz Inácio Lula da Silva die zwei Millionen-Metropole Belém do Pará, nahe der Amazonas-Mündung, besucht. Dort findet 2025 die 30. Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP30) statt. Beide verkündeten einen Investitionsplan für Umwelt- und Klimaschutz, der "in den nächsten vier Jahren eine Milliarde Euro (1,08 Milliarden US-Dollar) an öffentlichen und privaten Investitionen auftreiben" will. Lula legte Wert darauf, Macron die Komplexität der Amazonas-Region zu zeigen: "Es ist ein Ort mit großer Artenvielfalt, aber auch vielen Menschen, deren Überleben vom Amazonas abhängig ist".

Macron zeichnete den Kayapó-Anführer Raoni Metuktir, eine der Symbolfiguren bei der Verteidigung des Amazonas, mit der französischen Ehrenlegion aus. Während der Zeremonie verpflichtete sich Lula erneut, die Entwaldung in den Amazonasgebiete bis 2030 zu beenden – mit einem Vorbehalt: "Wir wollen mit der Welt die Erforschung und Erforschung unsere Biodiversität teilen, aber auch die Ureinwohner müssen an allen Reichtümern ihres Landes teilhaben können" sagte Lula.