Nickelmine in Guatemala: Gerichtshof für Menschenrechte urteilt für indigene Gemeinde

Staat muss Land zurückgeben und die Gemeinschaften erneut zum Bergbauprojekt befragen. Anwalt: Urteil könnte Präzendenzfall in Lateinamerika schaffen

guatemala_urteil_corteidh_fenix.jpg

Der Ahnenrat der Maya Q'eqchi' und der Fischerverband begrüßten bei einer Pressekonferenz das Urteil
Der Ahnenrat der Maya Q'eqchi' und der Fischerverband begrüßten bei einer Pressekonferenz das Urteil

San José. Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte (CorteIDH) hat den Staat Guatemala verurteilt, weil er den Betrieb der Nickelmine Fénix auf Land genehmigt hat, das der indigenen Gemeinde Agua Caliente Lote 9 in El Estor gehört. Das Gericht wies den Staat an, es zurückzugeben und die Maya-Gemeinschaften der Q'eqchi' zu dem Bergbauprojekt zu befragen.

Der Staat "ist verantwortlich für die fehlende Anerkennung des kollektiven Eigentums, für das Fehlen einer angemessenen Konsultation über Bergbauaktivität und für Gewaltakte und Schikanierung einer indigenen Gemeinschaft", titelt das Kommuniqué zum Urteil.

Eigentümerin der größten Nickelmine Mittelamerikas ist seit 2011 die Schweizer Bergbaufirma Solway Group, die sie unter dem Namen Compañía Guatemalteca de Níquel S.A. (CGN) als Tochtergesellschaft ausgliederte. Der Betrieb und die damit verbundenen Umweltschäden führen seit Jahren zu Konflikten mit den Anwohnern, die überwiegend als Kleinbauern oder vom Fischfang leben.

Zuletzt eskalierte die Situation im Oktober 2021, als es zu massiver staatlicher Gewalt gegen ein Protestcamp kam. Einwohner aus 94 Gemeinden und der Fischerverband vom Izabalsee hatten eine Zufahrtsstraße zur Mine Fénix blockiert. Hintergrund war, dass die Mine trotz eines Urteils des Verfassungsgerichts, wonach das Unternehmen den Betrieb bis zu einer Befragung der Anwohner einstellen muss, weiterarbeitete. Zudem waren die widerständigen Gemeinden von den Vorgesprächen zur Befragung ausgeschlossen. Staatspräsident Alejandro Giammattei verhängte den Ausnahmezustand über den Landkreis (amerika21 berichtete).

Mit ihrer Klage beim CorteIDH forderte die Gemeinde Agua Caliente Lote 9 auch Wiedergutmachung für die Verletzung ihrer Rechte durch den Staat "angesichts der Agrarpolitik und der Projekte der Bergbauindustrie in ihren Gebieten" sowie für das Fehlen legislativer und administrativer Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer territorialen Rechte und Selbstverwaltung.

Ihr Anwalt Leonardo Crippa vom Indian Law Resource Center erklärte: "Das Gericht hat erstmals entschieden, dass die Regierung die Gesetzgebung ändern muss, um die kollektiven Landbesitzrechte indigener Völker anzuerkennen und alle diskriminierenden Gesetze zu streichen und diese Gemeinschaften als eigenständige rechtliche, soziale und politische Einheiten anzuerkennen." Nach 40-jährigem Kampf habe die Gemeinde sich durchgesetzt und schaffe damit möglicherweise einen Präzedenzfall für indigene Gemeinden in ganz Lateinamerika, so eine Pressemitteilung des Center.

Mitglieder des Ahnenrates der Maya Q'eqchi' und des Fischerverbandes begrüßten das Urteil zur Anerkennung ihrer angestammter Ländereien. Auch sei das vom Gerichtshof bestätigte Recht auf Konsultation von grundlegender Bedeutung, denn es seien die Gemeinschaften, die über ihre Territorien und alle ihr tägliches Leben betreffenden Umstände zu entscheiden hätten.

Das Verfassungsgericht Guatemalas hatte 2019 angeordnet, dass die Fénix-Mine den Abbau einstellen muss, solange die indigene Bevölkerung von El Estor nicht befragt wurde. Der CorteIDH stellte nun fest, dass die dem Urteil folgenden Konsultationsmaßnahmen in der Gemeinde Agua Caliente nicht in angemessener Weise durchgeführt und ihre Bräuche und Organisationsformen nicht beachtet wurden. So sei etwa die Umweltverträglichkeitsprüfung nur in Zeitungen veröffentlicht worden, deren Auflage das Gebiet, der Q'eqchi-Gemeinden von El Estor nicht erreichte. Zudem sei sie nicht in den von den betroffenen Gemeinschaften gesprochenen Sprachen verfügbar gewesen. Der Staat habe die vorherige und informierte Konsultation nicht gewährleistet.

Die fehlende Anerkennung des kollektiven Eigentums und die Bergbauaktivität hätten zudem das Leben der Gemeinde beeinträchtigt und sei mit verschiedenen Gewaltakten und Schikanen verbunden gewesen: "Guatemala ist verantwortlich für die Verletzung des Rechts auf moralische Integrität der Mitglieder der Gemeinschaft."

Der CorteIDH bezog sich auf Artikel 21 der Amerikanischen Menschenrechtskonvention zum Eigentum: "Bei den indigenen Völkern gibt es eine gemeinschaftliche Tradition des kollektiven Landbesitzes, die davon ausgeht, dass das Eigentum an Land nicht auf ein Individuum, sondern auf die Gruppe und ihre Gemeinschaft ausgerichtet ist." Diese Vorstellungen entsprächen nicht der klassischen Auffassung von Eigentum, aber der Gerichtshof habe festgestellt, dass sie unter dem Schutz von Artikel 21 stehen. Der traditionelle Besitz über ihr Land habe gleichwertige Wirkungen wie das vom Staat gewährte Eigentumsrecht und gebe ihnen das Recht, die offizielle Anerkennung ihres Eigentums und die Registrierung ihres Landes zu verlangen. Gemeinschaften, die ohne eigenes Verschulden den Besitz ihres traditionellen Landes verlassen oder verloren hätten, behielten das Recht auf Eigentum an diesem Land, auch wenn kein Rechtstitel vorliege, so das Gericht.

Nach internationalem Recht seien indigene Völker und Gemeinschaften als kollektive Subjekte zu betrachten, die als solche bestimmte Rechte, wie zum Beispiel Landbesitz, "aus einer kollektiven Dimension heraus ausüben".

Der Staat Guatemala muss nun innerhalb von sechs Monaten die Eigentumsurkunden für das Land der indigenen Gemeinschaft Agua Caliente Lote 9 übergeben. Darüber hinaus muss die Befragung der Q'eqchi-Gemeinden in El Estor, Izabal, Cahabón, Panzos und Senahú in Alta Verapaz im Zusammenhang mit dem Bergbauprojekt Fénix wiederholt werden.

Die Solway Group, die sich als "der weltweit größte Nickelproduzent in Privatbesitz" bezeichnet, teilte dazu mit, sie sei nicht an den in der Klage behaupteten Ereignissen beteiligt gewesen. Die Entscheidung des Gerichtshofs betreffe zudem nicht das Recht des Unternehmens, in den Gebieten außerhalb des Landes der Gemeinde Agua Caliente Bergbau zu betreiben. Hier übersieht es die Anweisung des Gerichts, die Konsultationen weiterer Q'eqchi-Gemeinden zum Fénix-Pojekt zu wiederholen.

"Eine in Betrieb befindliche Mine wird nicht nur eine Quelle der Stabilität und des Wirtschaftswachstums für die Region sein, sondern auch als wichtige Nickelquelle für den US- und europäischen Markt für Batteriematerialien dienen, wodurch die Notwendigkeit entfällt, diese aus chinesischen und russischen Minen zu beziehen," betont Solway abschließend.