Nationalkongress in Argentinien soll Mileis "Ermächtigungsgesetz" absegnen

Parlament soll für zwei Jahre weitgehende Befugnisse an den Präsidenten abtreten. "Omnibus-Gesetz" umfasst praktisch alle Bereiche des öffentlichen Lebens

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Seit Bekanntwerden des "Ley Omnibus" reißen die Proteste dagegen nicht ab
Seit Bekanntwerden des "Ley Omnibus" reißen die Proteste dagegen nicht ab

Buenos Aires. Argentiniens Präsident Javier Milei hat dem Nationalkongress einen umfangreichen Gesetzentwurf vorgelegt, nach dem die Legislative ihm weitestgehende Befugnisse abtreten soll. Dieses "Omnibus-Gesetz" umfasst praktisch alle Bereiche des öffentlichen Lebens und würde, falls es gültig wird, der Exekutive eine enorme Machtfülle geben.

Die Abtretung soll für zwei Jahre gelten und von der Exekutive selbst um zwei Jahre verlängert werden können. Die sonstigen im Gesetz enthaltenen Verfügungen sollen jedoch permanenten Charakter haben.

Der Entwurf folgt dem ebenso umstrittenen "Notwendigkeits- und Eildekret", das seit vergangenen Freitag offiziell in Kraft ist, gegen das jedoch bereits Dutzende von Eilanträgen bei der Justiz eingegangen sind. Darunter ist der Antrag der Provinz Rioja hervorzuheben, der vom ehemaligen Richter des Obersten Gerichtshofs, Raul Zaffaroni, verfasst wurde. Einer der Paragraphen des "Omnibus-Gesetzes" soll dieses Dekret ratifizieren. Der Gerichtshof hat bereits erklärt, dass er sich dieses Antrages annehmen wird, jedoch erst nach der Gerichtspause, die bis Ende Januar dauert.

Der neue Entwurf mit dem Namen "Grundlagen und Ausgangspunkte für die Freiheit der Argentinier" umfasst 664 Paragraphen und kommt damit schon dem argentinischen Codigo Civil (Bürgerliches Gesetzbuch) nahe. Neben den Befugnissen für den Präsidenten sollen die unterschiedlichsten Themen reguliert bzw. dereguliert werden: Wirtschaft, öffentliche Ordnung, Justiz, Erziehung, Kultur. In allen Bereichen werden Gesetze verändert oder ganz abgeschafft.

In Handel und Finanzen fallen sehr viele Beschränkungen weg, darunter der komplette Verbraucherschutz. Banken und Kreditkarteninstitute werden Zinsen ohne Begrenzung festsetzen können. Für den Bergbau werden die bereits vorher recht freundlichen Regelungen ersatzlos abgeschafft. Die exklusive Wirtschaftszone vor den Küsten wird für fremde Fischereiflotten (und vermutlich auch Erdölfirmen) geöffnet. Im Arbeitsrecht fallen die Kontrollen und Strafen für die Einstellung von Schwarzarbeitern weg. Die Möglichkeit, Haushaltshilfen ohne Sozialbeiträge einzustellen, wird von der Regierung als "Entlastung der familiären Finanzen" beworben.

In einem anderen Abschnitt wird das Versammlungs- und Demonstrationsrecht eingeschränkt. Versammlungen ab drei Personen benötigen eine Genehmigung. Die Strafen für Verstöße gegen die öffentliche Ordnung werden verdoppelt und die Möglichkeit der Haftverschonung gestrichen.

Das Konzept der Selbstverteidigung wird neu definiert, auch für Polizeibeamte. Eine weitere Neuerung soll das Konzept des "pflichtgemäßen Gehorsams" (obediencia debida) für die Sicherheitskräfte wieder einführen. Laut Menschenrechtsorganisationen kann dies einerseits künftige Vergehen begünstigen, andererseits auch die Tür öffnen, die Verurteilung von Verbrechern der Diktatur zu revidieren.

Ein weiterer Bereich sind Privatisierungen, der 41 Einrichtungen auflistet, die der Staat abstoßen soll, darunter auch die Energieagentur, Kernkraftwerke, die Hafenverwaltung, Post, etc.

Auch die Kultur wird hart getroffen. Institute für Kulturförderung wie der nationale Kunstfonds, das Theaterinstitut, die Volksbibliotheken und das Nationale Institut für das argentinische Kino werden entweder geschlossen oder auf ein Minimum heruntergefahren.

Einige Punkte sind skurril, etwa die Festlegung, dass Richter in Zukunft im Amtsakte in schwarzer Robe mit einem Hammer beginnen und beenden sollen. Andere verursachen Verwunderung, so sollen Scheidungen so weit vereinfacht werden, dass sie schlicht durch eine Erklärung vor einem Zivilbeamten zustande kommen.

Auch das Wahlrecht soll verändert werden. Unter anderem sollen die offenen, gleichzeitigen und verpflichtende Vorwahlen abgeschafft werden und statt dem jetzt gültigem repräsentativen D'Hont-Verfahren sollen die Abgeordneten nach Wahldistrikten wie in Großbritannien gewählt werden, bei denen der Gewinner alle Stimmen des jeweiligen Bezirks abräumt.

Der Gesetzentwurf ist auf massive Kritik gestoßen. Teils wird er mit dem Vorgehen des peruanischen Präsidenten Alberto Fujimori und seiner Auflösung des Parlaments im Jahr 1992 verglichen oder mit dem Programm der beiden argentinischen Diktaturen von 1966 und 1976. Es werden jedoch auch die Parallelen zum deutschen Ermächtigungsgesetz von 1933 hervorgehoben.

Ob das Gesetz durch beide Kammern des Parlaments kommt, ist fraglich. Artikel 99 der Verfassung untersagt dem Präsidenten gesetzgebend zu agieren, außer in sehr begrenztem Umfang und mit dem ausdrücklich Ausschluss von straf-, steuer- und wahlrechtlichen Belangen (alle drei sowohl im Gesetzentwurf wie im Dekret enthalten).

Artikel 29 verbietet dagegen ausdrücklich, dass der Kongress der Exekutive die gesamte öffentliche Macht überträgt, und verfügt, dass jene die dieses veranlassen, zustimmen oder unterzeichnen, als "infame Landesverräter" zu behandeln seien.

Unterdessen ruft der Gewerkschaftsdachverband CGT zum Generalstreik am 24. Januar gegen das Notstandsdekret auf.